Dienstag, 26. Oktober 2021

Herbst und Nostalgie

Ein Zitat

Stare fliegen zwischen Äcker und Bäumen hin und her
Foto © Jörg Niederer
"Bunt sind schon die Wälder, / gelb die Stoppelfelder, / und der Herbst beginnt. / Rote Blätter fallen, / graue Nebel wallen, / kühler weht der Wind." Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)

Ein Bibelvers - Jesaja 35,1

"Die Wüste und das dürre Land werden fröhlich sein. Die Steppe wird jubeln und blühen wie eine Lilie."

Ein Anregung

Herbst. Zeit der trüben Gedanken, der dunkler werdenden Tage. Der Frühling ist viele Tage weit, kein Sommer tröstet mehr über die Zeit. Melancholie, Nostalgie.

Wohl bei einem Lehrer bin ich auf eine Sammlung aus dem alten Lehrmittel "Kurzweiliges Schuljahr" gestossen. Damals in der Schule mussten wir solche Gedichte lernen, manche auswendig. Eine Qual.

Heute lösen sie in mir Gefühle der Vertrautheit aus. Etwa: "Schneeflöckchen, Weissröckchen". Oder Hoffmann von Fallerslebens "Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm". Auch von ihm: "Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle!". Natürlich Matthias Claudius: "Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land". Oder: "Winter ade! Scheiden tut weh...". Dann "Maikäfer, flieg! Dein Vater ist im Krieg..." von Johannes Trojan. Sehr bekannt, auch in Dialekt: "Regen – Regentröpfchen, es regnet auf mein Köpfchen, es regnet in das grüne Gras, da werden meine Füsschen nass." 

Bisher nicht gekannt habe ich das Gedicht "Kartoffelernte" von Adolf Holst. Nicht dass ich selbst noch diese Form der Ernte miterlebt hätte. Aber in und mit den Worten des Gedichts bin ich doch dabei, rieche die Erde, die gebratenen Kartoffeln am Feuer. Und die Stare, die auffliegen, sehe ich auch heute noch über den abgeernteten Feldern. Ja, sie fliegen immer noch, wenn auch nicht mehr alle in den Süden.

"Nach Süden ziehn nun Storch und Star. / Wir ziehen auch als Wanderschar / mit Hacke, Korb und Spaten. 
Verschlossen liegen Hof und Haus. / Heut graben wir Kartoffeln aus, / und die sind gut geraten.
Die Furchen lang mit hack und hack, / erst in den Korb, dann in den Sack. / Das Schütteln nicht vergessen!
Das ganze Feld in einem Zug; / der Winter dauert lang genug, / dann haben wir zu essen.
Und mit dem dürren Kraute dann, / da zünden wir ein Feuer an, / Kartoffeln drin zu rösten.
Die Schale schwarz, das andre weiss, / gleich aus der Asche glühend heiss, / so schmecken sie am besten!"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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