Sonntag, 31. März 2024

Auferstehungshoffnung

Ein Zitat

Grabtafel mit Darstellung der Auferstehung Christi im Stephansdom in Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören. Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen." Peter Kuzmic

Ein Bibelvers - Johannes 20,19

"Die Jünger waren beieinander und hatten die Türen fest verschlossen. Denn sie hatten Angst vor den jüdischen Behörden. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: 'Friede sei mit euch!'"

Eine Anregung

Es sei eine typisch protestantische Grabdarstellung. Die Auferstehung Christi, oft kombiniert mit dem Verstorbenen, der einem Zeugen gleich das Geschehen betrachtet. So habe ich es erfahren bei einer Führung im Vorbeigehen beim Stephansdom in Wien.

Den folgenden Osterwitz - dadurch soll österliches Lachen gefördert werden - habe ich im "Unterwegs", der Zeitschrift der Methodisten in Deutschland gefunden: 

"Friedrich der Große, der Preußenkönig – wir erinnern uns: Jeder soll nach seiner Façon selig werden – bekommt eine Akte vorgelegt. In ihr geht es um die Amtsenthebung eines Pfarrers, der er zustimmen soll. Dem Pfarrer wird Freigeisterei vorgeworfen. Er habe in seiner Osterpredigt öffentlich geäußert, dass er aus Vernunftgründen nicht an die Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag glauben könne. Der König soll die Eingabe mit folgenden Worten abgewiesen haben: 'Dit is janz und jar seine Sache, wenn er nich auferstehen will, denn soll er doch meinetwejen am Jüngstn Tach liejen bleibm.'"

Ostern feiern wir heute Sonntag in der Methodistenkirche St. Gallen an der Kapellenstrasse 6 mit einem Brunch um 09.30 Uhr und einem Familiengottesdienst um 10.30 Uhr. Alle sind herzlich eingeladen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 30. März 2024

Tierisches auf dem Kreuzweg

Ein Zitat

Ein Büsi freut sich auf der Treppe des Scheffelsteinwegs in St. Gallen über die vielen Menschen der Kreuzwegsprozession.
Foto © Jörg Niederer
"Aus der Tiefe / meiner Zerrissenheit / reiche ich Dir / meinen kleinen Finger – / – ach nähmest Du doch / meine ganze Hand." Aus dem Gedicht "Eine Leiter" von Jutta Schmidt

Ein Bibelvers - Psalm 104,27-29

"Mensch und Tier halten Ausschau nach dir [Gott], damit du ihnen Essen gibst zur richtigen Zeit. Du gibst es ihnen, sie sammeln es auf. Du öffnest deine Hand, sie essen sich satt an deinen guten Gaben. Wendest du dich ab, erschrecken sie. Nimmst du ihnen den Lebensatem, dann sterben sie und werden zu Staub."

Eine Anregung

Auf dem gestrigen Kreuzweg der Gegenwart in St. Gallen war die Natur meist auf die Vorgärten beschränkt. Überraschend die Katze, welche sich auf der Treppe des Scheffelsteinwegs über die vielen Menschen sichtlich freute und deren Nähe suchte. 

Der nächste Kreuzweghalt am Nestweiter fragte nach der Natur. Mathias Wenk gab zu bedenken:

"Hier oben am Nestweiher scheint die Natur noch natürlich. Organisch geht Stadt in Land über. Natürlich, möchte man meinen. Bei uns in der Schweiz hat es doch so viel schöne Natur!? Sehen wir mal von ein, zwei Gletscherbeerdigungen ab, ist sie immer noch recht gut zu weg.

Der Schein trügt. Der Schlüssel zu einer nachhaltig intakten Natur ist die Vielfalt – Biodiversität. Der Zustand der Biodiversität aber ist schlecht. Auch bei uns. Ein Drittel aller Schweizer Arten sind bedroht und weitere 10% gelten als potenziell bedroht. Dies entspricht dem höchsten Wert aller OECD-Länder. Aber nicht nur die erschreckend grosse Anzahl der bedrohten Arten ist bedenklich, sondern auch die teilweise deutliche Abnahme der Anzahl Individuen. Diese Abnahme ist oft der Einstieg in den sog. 'Aussterbestrudel', der letztendlich zum Verschwinden dieser Arten führt.

Ein guter Zustand der Biodiversität ist aber für alle wichtig. Viele Untersuchungen zeigen auf, dass Ökosysteme mit einer hohen Artenvielfalt produktiver und stabiler sind. Sie reagieren damit resilienter auf Störungen, die mit dem Klimawandel tendenziell zunehmen werden. Biodiversität braucht natürliche Lebensräume. Ohne natürliche Lebensräume: keine Biodiversität. Ohne Vielfalt kein Leben – auch nicht für uns Menschen. Die Natur leidet – unter uns Menschen. An sie wollen wir hier denken. Wir verbinden uns mit ihrem Leid im Gebet."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 29. März 2024

Kreuzweg

Ein Zitat

Schattenwurf an einer Kreuzwegsprozession.
Foto © Jörg Niederer
"Nimm das Dasein als Bewährungsfrist / Ohne Klagen, ohne Fragen. / Schweigend steig hinauf die dunklen Treppen, / Weil es immerhin noch leichter ist, / Sein Kreuz zu tragen, / Als es zu schleppen." Mascha Kaleko (1907-1975)

Ein Bibelvers - 1. Korinther 1,21-23

"Die Weisheit Gottes zeigt sich in dieser Welt. Aber die Welt hat ihn mit ihrer Weisheit nicht erkannt. Deshalb hat Gott beschlossen, durch eine scheinbar unsinnige Botschaft alle Glaubenden zu retten. Die Juden wollen Zeichen sehen. Die Griechen streben nach Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus, den Gekreuzigten..."

Eine Anregung

Heute um 12.00 Uhr ziehen Menschen wieder los auf den "Kreuzweg der Gegenwart". Von der Evangelisch-methodistischen Kirche, dem Zielort des letztjährigen Kreuzwegs, geht es über mehrere Stationen hinauf zur Kirche Riethüsli. Unterwegs wird an Brennpunkten in der Stadt halt gemacht. Dazu gehört die erste Autogarage in St. Gallen, aber auch die Psychiatrie Nord und der Nestweiher. An jeder der sieben Stationen gibt es eine kurze Meditation. In ein mitgetragenes Kreuz wird ein Nagel eingeschlagen.

Der ökumenische Anlass kann ohne Voranmeldung besucht werden. In diesem Jahr wird der Fernsehsender TVO darüber in seinem Programm berichten.

Am Ausgangsort des Kreuzwegs, in der Methodistenkirche an der Kapellenstrasse 6, findet vorgängig ein Gottesdienst statt. Auch dazu sind alle herzlich eingeladen. Um 10.15 Uhr geht es los. Die Predigt kann ab ca. 10.30 Uhr auch via YouTube angeschaut werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 28. März 2024

Der heilige Gral

Ein Zitat

Kanzel im Stephansdom Wien
Foto © Jörg Niederer
"Nur einer ist euer Führer, Jesus Christus!" Predigtbotschaft am 7. Oktober 1938 im Stephansdom Wien durch Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955)

Ein Bibelvers - Offenbarung 2,7

"Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt: 'Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, dem gebe ich vom Baum des Lebens zu essen. Das ist der Baum, der in Gottes Paradies steht.'"

Eine Anregung

Da steht er also, der Heilige Gral! Selten ist mir die Kelchform der Kanzel so sehr aufgefallen, wie im Stephansdom in Wien. Nach der Mythologie ist der Gral eine "geheimnisvolle, wundervolle Schale, aus Stein oder Kristall, die immer nur Auserwählten oder Berufenen sichtbar ist". So steht es im Wiktionary-Beitrag dazu. Als heiliger Gral wird eine Schale bezeichnet, welche beim letzten Abendmahl von Jesus verwendet worden sein soll.

Dass eine Kanzel dem Kelch nachempfunden ist, der bei der Eucharistie- oder Abendmahlsfeier verwendet wird, ist irgendwie naheliegend. Man denke an die nach katholischer Lesart erfolgende Verwandlung von Wein in das Blut Christi. Aus etwas Profanem wird durch den feierlichen Nachvollzug des letzten Abendmahls etwas Heiliges, Verbindendes. 

So kann man sich vorstellen, dass im Kanzelkelch einer Kirche durch den Mund von Verkündigerinnen und Verkündiger kluge und wortgewandte Reden zu heiligem Wort Gottes werden. Es geschieht eine Verwandlung. Mitten in der wortlärmigen Welt wird an diesem einen Ort Sprache zu Hoffnung, bekommen Wortfetzen Sinn, geben Halt und Weisung.

So wie damals in Wien, als Kardinal Theodor Innitzer - er unterstützte den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland und läutete die Glocken, als Hitler 1938 Wien besuchte, weiter bezeichnete er diesen als "von Gott gesandten Führer" - von der Kanzel im Stephansdom vor 9000 Jugendlichen verkündigte: "Nur einer ist euer Führer, Jesus Christus!". Das war wohl auch eine Art Verwandlung, die da im Kanzelkelch geschehen ist. Oder war sich der Kardinal der Brisanz seiner Worte nicht ganz bewusst? Jedenfalls stürmten am folgenden Tag Trupps der Hitlerjugend das erzbischöfliche Palais.

1940 gründete ebendieser Kardinal Innitzer die Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken. Durch deren Einsatz konnten hunderte katholischen "Nichtarier" ins sichere Ausland fliehen.

Möge also der "Kelch Christi" noch manche Wandlung vom Bösen zum Guten bewirken.

Übrigens: Wer die Kanzel in Stephansdom besteigt, sieht auf dem Geländer der Treppe, die hinaufführt, wie die Eidechsen und Lurche (sie stehen für das Gute) gegen die aus dem Sumpf entstiegenen Frösche (sie stehen für das Böse) kämpfen. Geschieht da auf dem Weg zur Verkündigung auch ein innerer Kampf von Gut gegen Böse?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 27. März 2024

Details

Ein Zitat

Dachpartie und Südturm vom Stephansdom in Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Hinter dem Rücken die Finger entkreuzen. Ein erster Schritt auf dem Kreuzweg."

Ein Bibelvers - 1. Korinther 1,22

"Die Juden wollen Zeichen sehen. Die Griechen streben nach Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus, den Gekreuzigten: Das erregt bei den Juden Anstoß und für die anderen Völker ist es reine Dummheit."

Eine Anregung

Im Dom-Museum in Wien habe ich mir den Stephansdom als Karton-Modellbau gekauft. Massstab 1:1'000. Ab 12 Jahren soll er Bastelfreuden auslösen. Mir schein selbst für einen 65-Jährigen mit viel Zeit und Lebenserfahrung könnte die Arbeit herausfordernd werden. Beim näheren Abgleich mit den Fotos, die ich in Wien auf, neben und im Dom gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass die Figuren und Symbole, ja auch das auf dem Foto ersichtliche Kreuz auf dem nordwestlichen Ende des Domdachs (auf dem Foto ganz rechts) beim Modellbau fehlen. Wohl, weil sie schlichtweg nicht darzustellen sind bei einem so stark verkleinerten Modell.

Nun mag man anmerken, dass die fehlenden Details dem Bastelspass nicht abträglich sein müssen. Aber dass gerade das Kreuz am Modell des Stephansdoms fehlt, ist doch irgendwie störend. Auch sonst finden sich auf dem Modell an keiner Stelle irgendwelche Kreuze.

In dieser Karwoche hat das "Wort vom Kreuz" eine zentrale Bedeutung. Was ist der Glaube, ohne das Kreuz? Aus der distanzierten Betrachtung eines Touristen mag es nebensächlich sein, dass man dieses Kreuz gerade nicht mehr sieht, dass es in der monumentalen Fassadenwelt eines Jahrtausendgebäudes untergeht. Und doch liegt das eigentliche Geheimnis des Glaubens nicht darin, über die kunstvolle Gestaltung von Kirchen und Kathedralen zu staunen, sondern so nahe heranzugehen an das Kreuz, an den Kern der christlichen Botschaft, wie überhaupt nur möglich. Das Kreuz soll unübersehbar werden.

Unter dem Kreuz, diesem Folter- und Mordinstrument, erschliesst sich uns die ganze grausame Menschlichkeit. Dort können wir dem Menschenmöglichen nicht mehr ausweichen. Dort, am Unheilsort, wird mein Unvermögen überdeutlich, und auch, wie angewiesen ich auf Gnade und Versöhnung bin. Dort wird mir genau dies angeboten; Gnade und Versöhnung mit Gott. Das ist schwer zu begreifen. Ein Ärgernis, ein Skandal, ein Dummheit. Und doch: Nahe beim Kreuz bin ich ganz bei mir, ganz bei meinen Vorurteilen, meinen Widerständen. Dort eröffnet sich mir Gottes Tragweite, die auch mich einschliesst und nicht loslässt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 26. März 2024

Verharmlosungen

Ein Zitat

Kruzifixe im Laden des Stephansdoms in Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Gestern standen wir noch am Abgrund. Heute sind wir schon einen Schritt weiter." Quelle unbekannt

Ein Bibelvers - Johannes 11,49+50

"Zum jüdischen Rat gehörte auch Kaiphas, der in dem Jahr der Hohepriester war. Er sagte: 'Ihr versteht gar nichts! Ihr bedenkt auch nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein Mann für das Volk stirbt – besser, als wenn das ganze Volk vernichtet wird.'"

Eine Anregung

Immer, wenn verharmlosende Worte verwendet werden, soll auch etwas verschleiert werden. Sehr schön ist das zu sehen bei den Berichten über die "proaktive" Wolfsjagd dieses Winters. Dabei bedeutet "proaktiv", dass man die Wölfe schiesst, obwohl die meisten von ihnen noch keinen Schaden an Nutztieren angerichtet haben. Auf diesem Weg versuchte die Jägerschaft ganze Rudel zu "entnehmen". Ein weiterer Euphemismus. "Entnehmen" bedeutet in diesem Fall "Totschiessen". Warum sagt man es dann nicht so, wie es ist? Aktuell zeigt sich, dass die Ausrottung von Rudeln in vielen Fällen nicht gelungen ist. Sogar Leitwölfe scheinen den Jägern entgangen zu sein. Auch mit dem Reden von "Leitwölfen" wird etwas verschleiert, nämlich dass es sich dabei um die Elterntiere handelt, die mit dem eigenen Nachwuchs ein Rudel bilden. Übrigens bedeutet "proaktiv" auch: Man kann uns wenigstens keine Untätigkeit vorwerfen.

Bei der Kreuzigung von Jesus – wir befinden uns ja in der Karwoche – war das wohl auch so. Auch da wurde "proaktiv" gehandelt, bevor "grösserer Schaden" hätte am ganzen Volk entstehen können. Auch da wurde ein "Opfer" gebracht, damit die Welt nicht "untergeht". Damit sind wir bei einem weiteren Merkmal der Verschleierung angekommen. Zum euphemistischen Reden hinzu tritt das Schwarzmalen. Die möglichen Folgen aus einer Untätigkeit werden dramatischer dargestellt, als sie zu erwarten sind. Dieses Gegenteil eines Euphemismus nennt man Dysphemismus.

Eine euphemistische Wirkung hat aber auch die tausendfache Wiederholung. Die unzähligen Kruzifixe und Kreuze im christlichen Umfeld führen in einen Gewöhnungsprozess, stumpfen ab. Der Schrecken der Kreuzigung, dieser sehr brutalen römischen Hinrichtungsart, dritt in den Hintergrund, wird gar zu einer Devotionalie, einem Gegenstand der Anbetung. Oder die Kruzifixe und Kreuzigungsbilder werden zu schönen Werken, werden ästhetische Kunst oder kitschige Karikatur, werden vergoldet und versilbert. Auch das ist eine Form des Ausweichsens, des Übertünchens, des Verschleierns.

Da stellt sich die Frage: Gelingt es mir, die Kreuzigung von Jesus als das zu sehen, was sie wirklich war? Gelingt es mir, diese von all der Weichwascherei zu befreien und ihr auf den kaum auszuhaltenden Grund zu gehen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 25. März 2024

Wechselbad

Ein Zitat

Blühender Higankirschbaum
Foto © Jörg Niederer
"Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war." Mark Twain (1835-1910)

Ein Bibelvers - Prediger 11,3+4

"'Wenn die Wolken voll sind, fällt Regen aufs Land!' Und wenn ein Baum nach Süden oder nach Norden fällt, dann bleibt er dort liegen, wohin er fällt. 'Wer immer nur den Wind beobachtet, kommt nicht zum Säen. Und wer immer nur den Wolken nachschaut, kommt nicht zum Ernten.'"

Eine Anregung

Der April ist im März angekommen. Gerade noch war es 20 Grad Celsius warm, schon folgt Schneefall auf frühblühende Bäume und Kräuter. Wind und Regen und Sonne und Schnee an einem Tag. Aprilwetter würde man sagen. Da blüht es also auf, und mit den Blüten steigt die Frostgefahr für die empfindlichen Kulturen, die Magnolien und die Kirschbäume.

Dieses wechselhafte Wetter ist wie ein Gleichnis für die Karwoche, in der mit dem Palmsonntag etwas von der überschwänglichen Freude sichtbar wird. Doch nur kurze Zeit, und es folgt der "Frost", schlägt Wunden, erstickt Gottes Botschaft am Kreuz.

In dieser Zeit wird mir bewusst: Die Natur zeichnet es vor. Ohne Qualen kommt Christus nicht davon, können Christen nicht glauben und leben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen


Sonntag, 24. März 2024

Friedensprovokation

Ein Zitat

Eselin mit Folen auf einer Weide in Nordfrankreich.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis und tanzt." Martin Luther (1483-1546)

Ein Bibelvers - Lukas 19,29+30

"Kurz vor Betfage und Betanien kam Jesus zum Ölberg. Von dort schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte: 'Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Wenn ihr hineinkommt, findet ihr einen jungen Esel angebunden. Auf ihm ist noch nie ein Mensch geritten. Bindet ihn los und bringt ihn her.'"

Eine Anregung

Ein Eselfohlen spielt eine nicht geringe Rolle an Palmsonntag. Auf so einem Tier ritt Jesus in einem inszenierten Triumphzug nach Jerusalem. So manches, was uns Lukas darüber berichtet, klingt nach Provokation. Eine Provokation des Friedens.

Heute Sonntag um 10.15 Uhr werde ich darüber eine Predigt in der Methodistenkirche St. Gallen halten. Für Kinder gibt es ein eigenes Programm. Alle sind herzlich willkommen an der Kapellenstrasse 6. 

Wer nicht vor Ort sein kann, kann via Youtube wenigstens reinhören und reinschauen. Ab 10.30 Uhr geht es in dieser Weise los.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 23. März 2024

Magnolien, weil sie schön sind

Ein Zitat

Blühender Purpurmagnolienbaum in Weinfelden.
Foto © Jörg Niederer
"Großmäulig stehst du wieder da / In deiner rosa Blütenpracht, / Du hast dich kitschig schön gemacht, / Denn deine Blätter sind noch rar.
Musst stets eine der ersten sein, / Du trauriges Theaterstück, / Doch allzu kurz nur währt das Glück, / Zu schnell vorbei, der schöne Schein." Gedicht von Peddagog

Ein Bibelvers - Psalm 72,7

"Die Gerechtigkeit soll aufblühen in seinen Tagen. Und Frieden soll herrschen weit und breit, so lange, bis es den Mond nicht mehr gibt."

Eine Anregung

Auf "Threads" schrieb jemand als Begleittext zu einigen Fotos von Magnolien: "Das wievielte Magnolienbild soll hier noch gepostet werden?". Eine berechtigte Frage in diesen Tagen der Magnolienblüte. Ich finde, mein Foto von einer Purpurmagnolie gehört gezeigt. Einfach, weil die Pflanze schön ist. Sie stammt ursprünglich aus China und ist ein Elternteil der bekannten Tulpenmagnolie. Das muss man nicht wissen, um sich an der kurzen Prachtzeit zu erfreuen. Nicht lange, und die farbigen Blütenblätter bedecken den Boden und werden vom Wind in den Sommer hinein verweht. Dann wird der Magnolienbaum wohl nicht mehr besonders beachtet unter all den anderen grünblättrigen Gartengewächsen. So ist das Leben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 22. März 2024

Wien und das jüdische Erbe

Ein Zitat

Ein erleuchteter Davidstern auf einem Mast erinnert in Wien an die einstige jüdische Gesellschaft und Kultur.
Foto © Jörg Niederer
"Antisemitismus ist keine Meinung. Er ist eine Perversion. Eine Perversion, die tötet." Jacques Chirac (1932-2019) anlässlich einer Rede zur Einweihung des Holocaust-Mahnmals in Paris am 25. Januar 2005

Ein Bibelvers - Esther 3,6

"Man hatte Haman gesagt, zu welchem Volk Mordechai gehörte. Nun wollte Haman alle Juden vernichten, die irgendwo im Reich von König Xerxes wohnten. Denn sie waren das Volk, zu dem Mordechai gehörte."

Eine Anregung

Erst als mich mein Wiener Kollege Stefan Schröckenfuchs auf sie aufmerksam gemacht hatte, sind sie mir aufgefallen. Die Mahnmale bei einstigen jüdischen Einrichtungen. Am Tag und aus seitlicher Distanz sehen sie wie wirre, an verwelkende Blumen erinnernde Stahlrohrrosetten auf einem Mast aus. Erst wenn man darunter steht und nach oben schaut, formt sich aus dem Rohrgewirr ein Davidsstern. In der Nacht leuchtet er wie eine Lampe die Umgebung aus. Jeden Tag bin ich vom Hotel zur Kirche an einem dieser Sterne vorbeigekommen, da wo einst der Storchentempel in die Häuserzeile integriert war. Wie viele andere wurde er 1938 durch die Nationalsozialisten zerstört.

Die Evangelisch-methodistische Kirche Wien Fünfhaus befindet sich in einer einst stark jüdisch geprägten Gegend. Auf dem Weg in die Innenstadt kamen wir auch einmal an der 2011 künstlerisch gestalteten Gedenkstätte für den ebenfalls 1938 mit Handgranaten in Brand gesetzten Turnertempel vorbei, die überhaupt dritte, in Wien gebaute Synagoge. Bei Wikipedia lese ich: "Im Jahr 1935 gab es in Wien 6 Tempel, 89 Bethäuser, 55 zeitweilige Beträume, 55 Sprach- und Bibelschulen, 18 Seelsorger, 73 Religionslehrer und 117 religiöse Vereine... Insgesamt verfügte Wien in den Jahren vor 1938 bei einer Gesamtbevölkerung von knapp zwei Millionen über einen jüdischen Bevölkerungsanteil von rund 10 % bzw. rund 200.000 Personen. Nach 1945 zählte Wien etwa 5.000 jüdische Einwohner, bei der letzten Volkszählung 2001 waren es rund 7.000, das sind weniger als 0,5 %." 

1938 steht für den Auftakt einer beispiellosen Zerstörung jüdischen Lebens in Europe durch die Nationalsozialisten. In Wien und an vielen Orten ist es augenfällig.

Heute werden die Stimmen wieder lauter, die auf irreale Weise den Juden die Schuld am Elend in der Welt geben. In vielerlei Hinsicht ist dies eine Täter-Opfer-Umkehr. Am selben Tag, an dem wir den Platz beim einstigen Turnertempel passierten, begegneten wir bei der Hofburg einem kleinen, aber lautstarken Umzug von systemkritischen Menschen und Verschwörungsgläubigen. Allen voran drei, vier Freiheitstrychler, die vielleicht extra dafür aus der Schweiz angereist waren. Diese zusammengewürfelten Menschengruppen sind ein fruchtbarer Nährboden für den Antisemitismus.

Als christliche Kirchen ist es gut, wenn wir an den Seiten all der Menschen stehen, die allein ihres Glaubens und ihrer Herkunft wegen verleumdet und verfolgt werden. Dazu gehören nebst den Christinnen und Christen in vielen Ländern bei uns immer auch die jüdischen und muslimischen Menschen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 21. März 2024

Safe oder Impro

Ein Zitat

Handwerker auf Rollkoffer in einer Wiener U-Bahn-Unterführung.
Foto © Jörg Niederer
"Improvisation ist zu gut, um sie dem Zufall zu überlassen." Paul Simon (*1941), Musiker

Ein Bibelvers - 2. Korinther 1,21-22

"Gott selbst ist es, der uns gemeinsam mit euch im Glauben an Christus festigt. Er hat uns gesalbt und uns sein Siegel aufgedrückt."

Eine Anregung

Das ist wohl nicht ganz Suva-konform, wie hier der Arbeiter seinen Rollkoffer nutzt. Aber in Wien ist ja auch nicht die Suva zuständig. Improvisationstalent jedenfalls hat der Mann.

Das ganze Leben ist doch immer wieder ein Abwägen zwischen Sicherheit und Wagnis, zwischen Improvisation und Regelkonformität. Manche wählen meist den sicheren Weg, aber nicht immer. Waghalsige versuchen die Grenzen auszuloten, aber nicht immer. Kein Mensch macht immer alles richtig und gut, und kein Mensch ist nur verkehrt unterwegs.

Wieviel Sicherheit brauchst du in Glaubensfragen? Wie beweglich und situativ bist du, weil du an Gott glaubst? Ist ein Mensch, der glaubt, risikofreudiger oder sicherheitsorientierter? Anders gefragt: Gibt dir der Glauben an Gott Halt, oder verunsichert er dich?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 20. März 2024

Bäcker unter Wasser

Ein Zitat

Zweierlei Ellenmasse und eine als Brotmass bekannte, kreisförmige Anomalie finden sich auf der linken Seite des Hauptportals in den Stephansdom von Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Bäckerlein, Bäckerlein, / Lass dein Brot gewichtig sein! / Sonst zieh'n wir dich bei Schnee und Wind / Zur Donaulände hin geschwind." Aus einem Spottlied beim Bäckerschupfen

Ein Bibelvers - 1. Mose 40,16+17

"Als der Hofbäcker die erfreuliche Deutung hörte, sagte er zu Josef: 'Auch ich hatte einen Traum. Ich trug drei Körbe mit feinem Gebäck übereinander auf dem Kopf. Im obersten Korb lagen Backwaren für den Pharao. Doch die Vögel fraßen sie auf – aus dem Korb auf meinem Kopf heraus.'"

Eine Anregung

Gleich links vom Haupteingang in den Wiener Stephansdom sind zwei Gusseisenstangen waagrecht in die Mauer eingelassen. Dabei handelt es sich um früher übliche Längenmasse. Oben findet sich die kleine Tuchelle (776 mm) oder Wiener Elle (777,6 mmm), unten die grosse Leinenelle oder Brabanter Elle (896 mm). Dass die Tuchelle um 1,6 mm von der Wiener Elle abweicht, ist auffällig. Die Brabanter Elle hängt wohl mit flandrischen Tuchhändlern zusammen, welche um 1200 ein Handelsprivileg in Wien erhielten. Letzteres Mass war später nicht mehr in Gebrauch. Händler und Kunden konnten also hier öffentlich ihre Stoffe abmessen und kontrollieren.

Über den Ellen findet sich ein Kreis, der unter den Wienern als "Brotmass" bekannt ist, in Wirklichkeit aber nichts mit Brot zu tun hat. Dieser Kreis soll die Normgrösse des Brotes darstellen, an die sich ein Bäcker zu halten hatte. Tatsächlich sind es Einritzungen eines beweglichen Hackens, mit dem auf beiden Seiten des Haupteingangs das Eisentor, das es früher hier gab, befestigt wurde. Durch die Verwendung des Hackens zeichneten sich dessen Spuren eben kreisrund auf dem Sandstein ab.

Eine andere Sache aber gab es zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Jahr 1773 in Wien wirklich: Das Bäckerschupfen. Bäcker, die beim Brotmass oder Brotgewicht betrogen, wurden in einem Käfig mehrfach in der Donau untergetaucht. Für den Bäcker war das gar nicht lustig. Beim Untertauchen wurde er mit Spott der Zuschauenden belegt. Auch historisch gesichert ist, dass es beim Bäckerschupfen in Wien mindestens einmal zu einem tödlichen Unfall gekommen war. Diese Strafe war folglich in der Bäckerzunft noch gefürchteter als Geldstrafen, Schandmasken und Pranger.

Dass es Bäcker auch schon zu Pharaos Zeiten schwer hatten, davon zeugt die biblische Josefsgeschichte. Darin wird einem inhaftierten Bäcker, der beim Pharao in Ungnade gefallen war, durch Josef ein Traum gedeutet mit dem Ergebnis: Todesstrafe durch Erhängen. So kam es dann auch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 19. März 2024

Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt...

Ein Zitat

Der Friedhof von Wien Meidling grenzt unmittelbar an den dortigen Bahnhof.
Foto © Jörg Niederer
"Oh, du lieber Augustin, Augustin, Augustin, / Oh, du lieber Augustin, alles ist hin. / Und selbst das reiche Wien, / Hin ist's wie Augustin; / Weint mit mir im gleichen Sinn, / Alles ist hin!" Wiener Volkslied

Ein Bibelvers - 1. Thessalonicher 4,16-17

"Der Herr selbst wird vom Himmel herabsteigen – wenn der Befehl ergeht, die Stimme des Erzengels erklingt und die Trompete Gottes ertönt. Dann werden zuerst die Toten auferweckt, die zu Christus gehören. Und danach werden wir, die dann noch am Leben sind, zusammen mit ihnen weggeführt. Wir werden auf Wolken in die Höhe emporgetragen, um dem Herrn zu begegnen. Dann werden wir für immer beim Herrn bleiben."

Eine Anregung

Unten Zugreisende, oben Gräber: Der Bahnhof Wien Meidling grenzt unmittelbar an den dortigen Friedhof. Und wieder zeigt sich in Österreichs Hauptstadt dieser vertraute Umgang der Lebenden mit den Toten. "Wien hat etwas Morbides", hat mir am Abend zuvor ein einheimischer Pfarrkollege gesagt. Hier wird es einmal mehr sichtbar. 

Da ist auch noch das Fahrstuhlsymbol auf Friedhofshöhe. Mir kommt das Lied vom Hazy Osterwalder Sextett in den Sinn: "Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt, wir müssen warten". Zweifellos müssen sie warten, die Verstorbenen. Warten auf den Tag, an dem es - wie wir so sagen - nach oben geht, Gott und dem Himmel entgegen.

Eine Liftsymbol wird so an einem Wiener Bahnhof zu einem modernen Andachtsbild für Ostern, für die Auferstehung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 18. März 2024

Bischof Stefan und die Kinder

Ein Zitat

Bischof Stefan Zürcher wird bei den Methodisten in Wien im Rahmen des Kinderteils im Gottesdienst von einer frechen Puppe befragt.
Foto © Jörg Niederer
"Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) in Österreich ist in Österreich seit 1871 tätig und hat heute ca. 1500 Mitglieder in neun Gemeinden. Es gibt derzeit sechs hauptamtliche Pastorinnen und Pastoren." Info auf der Webseite

Ein Bibelvers - Johannes 12,20+21

"Es befanden sich auch einige Griechen unter denen, die zum Fest nach Jerusalem gekommen waren, um Gott anzubeten. Die gingen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und baten ihn: 'Herr, wir wollen Jesus sehen!'"

Eine Anregung

Anlässlich der Tagung der Exekutive der Evangelisch-methodistischen Kirche von Mittel- und Südeuropa in Wien feierte die English-Speaking United Methodist Church of Vienna und die Evangelisch-methodische Kirche Wien Fünfhaus den Gottesdienst vom 17. März gemeinsam. Dabei wirkte Bischof Stefan Zürcher als Verkündiger mit, aber auch als Interview-Partner im Kinderteil des Gottesdienstes. Bischof Stefan erwies sich im Verlauf dieser Befragung als durchaus kindertauglich. 

Kinder waren später, nach den biblischen Lesungen, einer afrikanischen Choreinlage und der Predigt des Bischofs, beim Abendmahl auch mit dabei. Denn in der Methodistenkirche sind Kinder und alle Erwachsenen beim Abendmahl herzlich willkommen. Entsprechend fröhlich und zugleich ernsthaft ging es dabei zu.

Der Gottesdienst mündete in ein Essen von Fingerfood, vielfältig wie die Menschen der beiden Gemeinden, die sich die Räume an der Sechshauserstrasse 56 teilen. Wer über die beiden Gemeinde mehr wissen möchte, findet alle Hinweise auf der Webseite.

Mitarbeitende von beiden Gemeinden bieten in der Winterzeit eine Wärmestube in den eigenen kirchlichen Räumen an. In dieser Saison wird wohl morgen Dienstag die tausendfünfhundertste Person dieses Angebot in Anspruch nehmen, das von der Caritas koordiniert wird. "Die zahlreichen Wärmestuben von Pfarren bieten Menschen, egal welcher Herkunft, Religion oder Aufenthaltsstatus im kalten Winter einen schützenden Zufluchtsort", schreibt Caritas. Bei den Methodisten in Wien sind jeweils um die 45 Menschen im Einsatz, um diesen Raum der Annahme mit ihrer Herzlichkeit, dem Essen und Wärme zu erfüllen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 17. März 2024

Jugendmitarbeitende und zwölf Apostel

Ein Zitat

Gruppenbild der Exekutiv-Delegierten und Jugendmitarbeitenden der Evangelisch-methodistischen Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa.
Foto © Jörg Niederer
"Weil Helfen keine langen Sätze braucht - Pomagamy, Wij helpen, Noi ajutam, Segítünk, Wir helfen..." Werbeplakat der Caritas in Wien.

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 1,13

"In Jerusalem gingen die Apostel in den Raum im oberen Stockwerk ihres Hauses, wo sie von nun an immer wieder zusammenkamen. Es waren: Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Simon der Zelot und Judas, der Sohn des Jakobus."

Eine Anregung

Beim heutigen Feiern der Exekutivmitglieder der Evangelisch-methodistischen Kirche vom Mittel und Südeuropa mit den drei Gemeinden in Wien und der Gemeinde in Linz, begleiten mich Eindrücke des gestrigen Samstags, als Kinder- und Jugendarbeit im thematischen Zentrum der Verhandlungen und Gespräche stand. Aus den verschiedenen Ländern angereist für diesen Tag waren die verantwortlichen Jugendmitarbeitenden. Sie gestalteten denn auch gleich das Programm. Dabei wurden eine Fülle an Anregungen zusammengetragen, aber auch ganz konkret ein internationales Jugendtreffen in Rumänien angeregt und fixiert.

Der Samstag klang aus mit einer Stadtführung, vorbei an jüdischen Denkmälern vergangener Schreckenszeiten, vorbei an der Hofburg und dem Stephansdom hinunter in den Zwölf-Apostelkeller zu einem feinen Essen mit ausgewählten österreichischen Spezialitäten.

Einige Angereiste und weiterer Personen - es sind die Delegierten an die Generalkonferenz - werden sich heute und morgen noch mit den Inhalten dieses alle vier Jahre stattfindenden Treffens beschäftigen. Die Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche legt die wesentlichen Rahmenbedingungen der weltweiten Kirche fest. Sie findet vom 23. April - 3. Mai 2024 in Charlotte, North Carolina statt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 16. März 2024

Dem gemeinsam Methodistischen auf der Spur

Ein Zitat

An der Exekutivtagung der Evangelisch-methodistischen Kirche von Mittel- und Südeuropa wird intensive diskutiert über die Aufgaben der verschiedenen Arbeitsgruppen.
Foto © Jörg Niederer
"Ist mein Christentum stärker als mein Pass?" Aus dem Bericht von Lilla Kardosné Lakatos über den Europäischen Rat methodistischer Kirchen

Ein Bibelvers - Jesaja 11,10-12

"Zu der Zeit erhebt der Herr erneut seine Hand, um den Rest seines Volkes zu befreien. Was davon übrig geblieben ist, holt er aus Assyrien und Ägypten, Patros und Kusch. Aus Elam, Schinar und Hamat kommen sie herbei und auch von den Inseln des Meeres. Er richtet ein Feldzeichen unter den Völkern auf und sammelt die aus Israel Vertriebenen. Auch die Zerstreuten aus Juda bringt er zusammen von den vier Enden der Erde."

Eine Anregung

Noch bis Sonntag tagt die Exekutive der Evangelisch-methodistischen Kirche von Mittel- und Südeuropa unter der Leitung von Bischof Stefan Zürcher in Wien. Zur Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa gehört die Kirche in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Nordafrika, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Polen, Serbien, Nordmazedonien und Albanien. Konferenzsprache ist Englisch.

In diesem Jahr geht es darum, die Aufgaben der Arbeitsgruppen zu klären und entsprechende Aufträge zu erteilen. In einem dynamischen Prozess gelang es bis gestern Abend, wesentliche Arbeitsschwerpunkte zu definieren. 

An diesem Samstag kommt es zu einer Begegnung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den verschiedenen Ländern und den Delegierten. Nach einigen Jahren ohne klare Beauftragung und Führung dieser Arbeit fand im vergangenen Jahr erstmals wieder ein internationales Jugendtreffen in Ungarn statt. Solche Jugendreffen sind besonders wertvoll, weil sie dazu beitragen, Vorurteile und Ängste abzubauen auf der Basis des Glaubens an Jesus Christus. Ganz im Sinn einer Frage aus einem Bericht über die Tagung des Europäischen Rats der methodistischen Kirchen: "Ist mein Christentum stärker als mein Pass?".

Eindrücklich waren bisher auch die Andachten, welche durch die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Liturgie, durch Erika Stalcup gestaltet und geleitet wurden. Dabei bewegten sich die Delegierten in Gedanken in alle Himmelsrichtungen und sangen Lieder in den Sprachen der verschiedenen Ländern.

Die Exekutivtagung wird am Sonntag nach den Gottesdiensten in Wien und Linz enden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufe

Freitag, 15. März 2024

Sterblich sein in Wien

Ein Zitat

Ausschnitt aus der Werbung für eine Kunstausstellung in Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Die Ausstellung befasst sich mit dem unausweichlichsten Bestandteil jeder Existenz: 'Sterblich sein' spürt mittels Gegenüberstellung von Kunstwerken, die einen kulturhistorischen Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart spannen, der tiefen Bedeutung von Tod nicht nur im individuellen, sondern auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext nach." Quelle: Webseite vom Dom Museum Wien

Ein Bibelvers - 2. Korinther 5,1+2

"Wir wissen ja: Unser Zelt in dieser Welt wird abgebrochen werden. Dann erhalten wir von Gott ein neues Zuhause. Dieses Bauwerk ist nicht von Menschenhand gemacht und wird für immer im Himmel bleiben. Darum seufzen wir und sehnen uns danach, von dieser himmlischen Behausung gewissermaßen umhüllt zu werden."

Eine Anregung

Wien ist nicht gerade die ewige Stadt. Dafür wird den Wienerinnen und Wienern einen morbiden Scharm nachgesagt. Das ist besonders auch im Umfeld des Stephansdom sichtbar.

Dass ich aber genau in der Zeit in dieser bemerkenswerten Stadt bin, in der Wien "sterblich" ist, ist schon etwas besonderes. Wie es mit den Wienerinnen und Wienern nach dem 25. August weitergehen soll, weiss ich nicht. Wird dann die österreichische Metropole unsterblich? 

Bei einer Führung durch die Katakomben unter dem Dom und der Stadt durfte ich nicht fotografieren. Dabei ist mir aber bewusst geworden, wie nahe sich die Verstorbenen und Lebenden an diesem Ort in räumlicher Hinsicht sind. Selbst Pesttote wurden unter dem Stephansplatz in unterirdischen Kammern notfallmässig beigesetzt. 

Um den morbiden Charme von Wien zu demonstrieren dient mir nun halt dieser Bild-Ausschnitt der Werbung für eine Ausstellung im "Dom Museum Wien".

Doch nun wende ich mich in der Exekutivsitzung der Evangelisch-methodistischen Kirche von Mittel- und Südeuropa wieder den Lebenden zu und freue mich an der vitalen internationalen Vielfalt in unserer Kirche.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufe

Donnerstag, 14. März 2024

Es geht noch schneller

Ein Zitat

Anzeige im Railjet Express auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke vor Wien.
Foto © Jörg Niederer
"Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist." Robert Lembke (1913-1989)

Ein Bibelvers - Psalm 90,4

"Denn tausend Jahre vergehen vor deinen [Gottes] Augen, als wäre es gestern gewesen. Sie gehen so schnell vorbei wie eine Nachtwache."

Eine Anregung

Da rase ich mit 240 Sachen auf Wien zu, und kein Mensch im Zug nimmt davon gross Notiz. Natürlich weiss ich, dass es auf Schiene und Strasse noch viel schneller geht. Aber auf Schiene scheint es mir, als wären 240 Stundenkilometer noch gar nichts, während es mir früher auf der Autobahn mit dem Mini Cooper meiner Mutter schon bei 150 Angst und Bange wurde. Geschwindigkeit ist relativ. Geschwindigkeit ergibt sich aus der Bewegung, die über eine genau definierte Zeit erfolgt. Sobald ich mich aber in gleicher Geschwindigkeit parallel zum Zug oder sogar innerhalb desselben bewege, erscheint es, als gäbe es keine Geschwindigkeit und kaum Bewegung. Ich darf dabei einfach nicht aus dem Fenster schauen, da dann wird das Tempo doch wieder sichtbar, wenn auch noch immer nicht gross spürbar.

Von der Relativität der Zeitwahrnehmung wusste man schon, als die biblischen Psalmen geschrieben wurden. Dabei wurde allein Gott die Möglichkeit zugesprochen, etwas zu tun, was viele Menschen möchten, nämlich die Zeit vor- und eben auch zurückspulen zu können.

Bis ich dann von Wien aus wieder mit 240 Stundenkilometern Richtung Schweiz rattern werde, bewege ich mich etwas gemächlicher in der Zeit und mit der Zeit. Mal schauen, ob der Stephansdom noch immer am selben Ort steht und was die Zeit an ihm mit welcher Geschwindigkeit und Intensität weitergenagt hat (als würde die Zeit nagen).

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufe

Mittwoch, 13. März 2024

Shoes off

Ein Zitat

Flanell-Sonntagschulbild zur Geschichte von der biblischen Ruth.
Foto © Jörg Niederer
"Das Team ist Spitze, sehr professionell und doch kommt der Spass nie zu kurz. Ich kann es kaum erwarten, unsere harte Arbeit auf der Bühne zu präsentieren." Natascha Osterwalder, Schauspielerin

Ein Bibelvers - Ruth 4,7+8

"Eine solche Lösung, verbunden mit einem Besitzwechsel, wurde damals in Israel so bestätigt: Einer der Partner zog seine Sandale aus und gab sie dem anderen. Damit war der Handel in Israel rechtskräftig. Der andere Löser sagte also zu Boas: 'Kauf du das Land für dich!' Dann zog er seine Sandale aus."

Eine Anregung

Weit zurück, etwa vor 3400 Jahren, da fand ein Handel statt, der mit einem Schuh bestätigt wurde. Es ging um Ruth, eine moabitische Witwe, welche auf eigenartige Weise zur Ahnfrau vom König David und Jesus wurde.

Ausgehend von dieser archaischen Geschichte entstand ein Musical, das an den letzten beiden Wochenenden vor ausverkauftem Haus in St. Gallen aufgeführt wurde. Für die Aufführungen zeichnet die Evangelische Allianz St. Gallen verantwortlich. "Shoes off" spielt in den 30er Jahren mitten in der grossen Wirtschaftskrise Amerikas. Die Familie Brown verliert dabei ihr Hab und Gut. Deshalb verlassen sie La Crosse in Wisconsin am Mississippi-River. Ein Schicksalsschlag zwingt die Familie jedoch zur Rückkehr in ihre Heimat.

Wer das eindrückliche Theatererlebnis verpasst hat, kann es jetzt auf Youtube anschauen. Es lohnt sich.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufe

Dienstag, 12. März 2024

Wohin geht die Reise?

Ein Zitat

Alle sind ausgestiegen. Nun kann der Zug in Wil weggestellt werden.
Foto © Jörg Niederer
"Bitte alle aussteigen. Dieser Zug endet hier." Zugsdurchsage in der Schweiz

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 9,3

"Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor der Stadt, umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel."

Eine Anregung

Wenn im Zug die Durchsage kommt: "Bitte alle aussteigen. Dieser Zug wird weggestellt", frage ich mich jeweils: Wohin geht die Reise, wenn die Reise zu Ende ist. Dann hätte ich Lust, einfach einmal sitzen zu bleiben, oder mich zu verstecken, falls der Zugbegleiter oder die Zugbegleiterin noch einen Kontrollgang macht. Ich stelle mir vor, wie sich der Zug langsam in Bewegung setzt und mit mir eine Reise ins Ungewisse antritt. Besonders abenteuerlich mag das sein, wenn dies spätabends geschieht, im sogenannt letzten Zug des Tages. Dann könnte es ja sein, dass die Komposition noch an den Ausgangsbahnhof gefahren wird, oder zur Reinigung in die Zugwaschstrasse. Dort allerdings würde es für den "blinden Passagier" eine echte Herausforderung, nicht entdeckt zu werden. (Nebenbei, warum heisst das eigentlich "Blinder Passagier"? Müsste es nicht "Unsichtbarer Passagier" heissen?)

Wohin geht die Reise, wenn die Reise zu Ende ist? Wir schliessen immer wieder Stationen des Lebens ab. Wohin geht die Reise, wenn die Primarschulzeit zu Ende ist? Wohin, wenn die Matura bestanden ist? Wie geht es weiter, nach dem Berufsabschluss, dem Unistudium, dem Singledasein? Wohin geht die Reise, wenn die Kinder ausgeflogen sind? Wohin nach einer Kündigung?

Wohin geht die Reise, wenn die Reise zu Ende ist? Besonders am Ende des Erwerbslebens stellt sich angesichts des Ruhestands diese Frage. Heisst es dann: "Bitte alle aussteigen. Dieser Lebenszug wird weggestellt?" Wenn es soweit sein wird, dann werde ich nicht aussteigen, sondern weiter mitfahren, selbst auf ein Abstellgeleise. Ich will sehen, wohin die Reise geht, wenn die Reise zu Ende ist. Das wird bestimmt noch einmal spannend.

Allen, die in diesen Tagen eine neue Reise antreten, wünsche ich, dass euch Neugier und Hoffnung begleite, und dass ihr getragen seid von Gottes nie endender Zuwendung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufe


Montag, 11. März 2024

Menhir oder Hinkelstein?

Ein Zitat

Drei erratische Blöcke bilden den Erdmannlistein im Wald bei Bremgarten.
Foto © Jörg Niederer
"Vielleicht schaut hinter der nächsten Biegung doch noch ein Erdmännli hervor?" Ulrike Matter in Natura Helvetica Nr. 59

Ein Bibelvers - 1. Mose 31,45+46

"Da nahm Jakob einen Stein und stellte ihn als Kultstein auf. Dann sagte er zu den Männern aus seiner Familie: Sammelt Steine!' Sie hoben Steine auf und errichteten daraus einen Hügel. Dann assen sie auf dem Steinhügel."

Eine Anregung

Gerade habe ich gelesen, warum man bei uns und bei Obelix die länglichen Steine, die der Gallier so bei sich herumträgt und herstellt, also die Menhire, auch "Hinkelstein" nennt. Die Erklärung dazu ist mir in einem Artikel zum Erdmannlistein bei Wohlen und der dortigen, von Eiszeitgletschern massgeblich gebildeten Landschaft, begegnet. Da heisst es im Artikel "Dichtung und Wahrheit - der Erdmannlistein zwischen Bremgarten und Wohlen" in der Zeitschrift Natura Helvetica Nr. 59: "Das Wort 'Menhir' stammt aus dem Bretonischen und bedeutet so viel wie 'langer Stein'. Im Original der Asterix Saga trägt Obelix demnach Menhire. Dass er auf Deutsch Hinkelsteine austrägt, hat mutmasslich etwas mit mündlichen Überlieferungen zu tun. da wurde wohl aus einem Hühnenstein ein Hühnerstein und da das Huhn im Mittelhochdeutschen und hie und da auch heute noch in deutschen Dialekten Hinkel heisst, hiess der 'lange Stein' eben irgendwann Hinkelstein."

Warum aber heisst Obelix 'Obelix'? Ein Obelisk hat Ähnlichkeiten mit einem Hinkelstein, ist er doch auch ein länglicher, aufgerichteter Felsklotz, der aber in Speerform bearbeitet ist. Bratspiesse wurden bei den alten Griechen so bezeichnet. Da denkt man doch sofort an den Heisshunger von Obelix auf am Spiess gebratenen Wildschweinen. Aber vielleicht ist auch die Verwandtschaft des aufrecht stehenden Obelisken mit dem ebenfalls von Menschen aufgerichteten Menhir Grund für Obelix' Benennung. Jedenfalls gleicht er in seiner Körperform eher einem Hinkelstein denn einem schlanken Speerspiess.

Was aus christlich-jüdischer Sicht gesagt werden kann: Als das Volk Israel in Ägypten war, lernte es bestimmt die Obelisken kennen. Und noch früher begegneten Abraham, Sarah, Jakob und Rebekka auch den Menhiren. Jakob selbst soll sogar mehrere Hinkelsteine aufgerichtet haben. Und wer weiss, vielleicht mussten seine Nachkommen in Ägypten auch Obeliske für den Pharao zuhauen, transportieren und aufrichten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 10. März 2024

Hektik oder Gelassenheit

Ein Zitat

Osterglocken in einem Garten in Ossingen.
Foto © Jörg Niederer
"Ich rede von Martin Luthers Satz: 'Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt, und arbeite, als ob alles Beten nichts nützt.' Eigentlich soll dieser Satz ja motivieren – zu Gebet und Arbeit gleichermaßen. Aber für mich liest er sich, je länger desto mehr, wie das Lebenskonzept einer frommen schwäbischen Hausfrau auf dem direkten Weg in den Burnout." Elisabeth Vollmer, Religionspädagogin

Ein Bibelvers - Lukas 10,41

"Aber der Herr antwortete: 'Marta, Marta! Du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles.'"

Eine Anregung

Gerade noch war der internationale Frauentag. Da ist es üblich, dass auch in den Gottesdiensten Frauen im Zentrum stehen. In der heutigen Predigt sind es Martha und Maria. Kann ein "alter, weisser Mann" darüber nachdenken, ohne eine Klischee-Schleuder zu werden? Versuchen werde ich es. Ob es gelingen wird, kann ich nicht selbst entscheiden.

Der Gottesdienst dazu findet in der Methodistenkirche St. Gallen an der Kapellenstrasse 6 statt. Wer dabei sein will, ist um 10.15 vor Ort herzlich eingeladen. Die Predigt kann ab ca. 10.30 Uhr auch via Youtube mitverfolgt werden. Reaktionen sind erwünscht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 9. März 2024

Ende Logik

Ein Zitat

Auf der kurzen, knapp 200m lange Quartier-Stichstrasse darf wieder mit 50 Stundenkilometer gefahren werden.
Foto © Jörg Niederer
"Ich glaube, dass jeder Autorennfahrer einmal zur Vernunft kommen muss, um mit diesem pubertären Sport aufzuhören." Niki Lauda (1949-2019)

Ein Bibelvers - 1. Samuel 25,3a

"Der Mann hieß Nabal und seine Frau Abigajil. Sie war eine kluge und sehr gut aussehende Frau."

Eine Anregung

Zwei grössere Baustellen führen aktuell dazu, dass der Verkehr auf der Strasse vor unserer Wohnung um das drei- bis vierfache zugenommen hat. Seit dieser Woche gilt nun zwischen den Wohnhäusern statt 50 km/h innerorts Tempo-30 auf dieser relativ gut ausgebauten Strasse. Das macht Sinn, ist sie doch auch der Schulweg zum Schulhaus Oberwiesen.

Nun kommt es zur paradoxen Situation, dass sowohl auf den von der Baustellenumfahrungsstrasse abzweigenden Strassen am Schulhaus vorbei und in den kurzen Sackgassen-Stichstrassen zu den Wohngebäuden Tempo 30 wieder aufgehoben ist. Auf einer knapp 200 Meter lange und dafür nicht geeigneten Sackgasse könnte man also wieder auf 50 km/h beschleunigen, genauso wie am Schulhaus vorbei.

Dass man mich nicht falsch verstehe: Tempo 30 auf der aktuellen Baustellenumfahrung vor unserer Wohnung macht durchaus Sinn. Aber warum soll man auf den viel stärker von Fussgängerinnen und Kinder begangenen, deutlich schmaleren Quartierstrassen deutlich schneller fahren dürfen? Diese Logik hat sich mir noch nie erschlossen.

Die Fähigkeit zu vernünftigem Denken wird immer wieder als typisch menschliche Eigenschaft beschrieben. Meine Vernunft sagt mir: Daran darf gezweifelt werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen