Dienstag, 31. Januar 2023

Kommt zu Tisch und feiert!

Ein Zitat

Für eine gute Tischgemeinschaft braucht es nicht viel. Und teuer muss es auch nicht sein. Mittagessen während einer Schulung in der Methodistenkirche Weinfelden.
Foto © Jörg Niederer
"Kommt zu Tisch! Feiert, lacht, freut euch! Gott ist mit uns!" Markus Jung, Methodistischer Superintendent vom Distrikt Nürnberg

Ein Bibelvers - Matthäus 9,13

Jesus: "Überlegt doch einmal, was es bedeutet, wenn Gott sagt: 'Barmherzigkeit will ich und keine Opfer!' Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder."

Eine Anregung

Die Evangelisch-methodistische Kirche Deutschland veröffentlicht jeweils einen "Impuls zur Woche". In diesen Tagen kommt der Impuls von einem Mann, mit dem ich schon auf den Jakobsweg war. Nun, zusammen sind wir nicht weit gekommen. Gerade einmal von St. Gallen nach Herisau. Markus Jung, Superintendent vom Distrikt Nürnberg und seine Partnerin sind dann noch weitergezogen. Auch ich bin später den gleichen Weg auch noch weitergepilgert.

Markus Jung schreibt über die Tischgemeinschaft, und wie sie uns Jesus vorlebte. Das war immer wieder eine offene Runde, an der Menschen ohne Ansehen der Person teilnehmen konnten. Ich finde seine Gedanken lesenswert. Und auch die Gebetsanliegen werden mich diesen Tag begleiten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 30. Januar 2023

Entsorgungseinrichtungen

Ein Zitat

In einer Kirche liegen der Gebetstraum und die Toilette direkt nebeneinander. Entsorgungsstellen auf die eine oder andere Weise.
Foto © Jörg Niederer
"Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt." Lehrgrundlage der orthodoxen, der katholischen, der anglikanischen und der protestantischen Kirchen seit dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451.

Ein Bibelvers - Lukas 2,7

"Maria brachte ihren ersten Sohn zur Welt. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe. Denn sie hatten in der Herberge keinen Platz gefunden."

Eine Anregung

Die Raumzuordnung ist gelegentlich Inspiration für Fantasie und philosophische Gedanken. So, wenn der Gebetsraum in einer Kirche direkt neben der Toilette zu finden ist. Beides auf die eine oder andere Art Entsorgungseinrichtungen. Am einem Ort sitzt man vor dem Thron des Höchsten, am andern auf dem "Thron" des kleine Mannes, der kleinen Frau. Das eine mal entledigt man sich materieller Sorgen, das andere Mal bringt man Sorgen im Gespräch vor Gott. Erleichterung ist in beiden Fällen zu erwarten. Unterschiedlich gehandhabt werden sollte eine Mehrfachnutzung der Räume. Während Gebete auf dem stillen Örtchen keine Probleme verursacht – im Gegenteil, sollte im Raum der Stille diese Doppelnutzung möglichst vermieden werden.

Während im einen Raum mit Jesu Anwesenheit gerechnet wird, bringt man das Klo nicht in Verbindung mit Gottes Sohn (abgesehen davon, dass in Letzterem in christlichen Familie oft religiöse Sprüche und Zeitschriften zu finden sind). Bei Dorothee Sölle las ich von den frühen Kirchenvätern, dass einige von ihnen die Meinung vertraten, dass Jesus, der Sohn Gottes, nicht von menschlichen Gefühlen wie Leiden geplagt worden sei, entgegen dem, was die Evangelien über ihn an menschlichen Regungen wie Hunger, Durst, Angst, Liebe und Zorn aufzählen. Klemens von Alexandrien (ca. 150-215) war sogar der Meinung, dass Jesus keine Verdauung und Ausscheidung der Speisen kannte.

Das göttliche Kind, "in Windeln gewickelt" (Lukas 2,12) mag als romantische Weihnachtsvorstellung angehen, doch über den periodisch anfallenden Inhalt von göttlichen Windeln will man nicht zu sehr nachdenken. Bis heute fällt es vielen Menschen schwer, die "Zwei-Naturen-Lehre", also die Lehre, dass Jesus "wahrer Mensch und wahrer Gott" ist (festgeschrieben 451 auf dem Konzil von Chalcedon), so zu verstehen, dass Jesus beides war: ganz menschlich und ganz göttlich. Etwa banal gesagt: Viele können sich Jesus Christus gut auf dem Thron Gottes vorstellen, aber nur schwerlich auf der Toilette.

Wie geht es dir mit der Vorstellung, dass Jesus all die körperlichen Regungen gehabt hat, die du peinlichst vor der Öffentlichkeit verbirgst? Oder anders gefragt: Glaubst du, dass Gott in Jesus Christus ganz Mensch geworden ist?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 29. Januar 2023

Corona lässt grüssen

Ein Zitat

Der Abendmahlstisch an der Distriktstagung der Evangelisch-methodistischen Kirchen Nordostschweiz in Klingenberg.
Foto © Jörg Niederer
Normalität ist, wenn du beim Wort "Corona" an ein Bier denkst.

Ein Bibelvers - Lukas 24,30+31

"Später ließ er [Jesus] sich mit ihnen [zwei Jüngern] zum Essen nieder. Er nahm das Brot, dankte Gott, brach das Brot in Stücke und gab es ihnen. Da fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen, und sie erkannten ihn."

Eine Anregung

In diesen Tagen höre ich immer wieder eine ganz bestimmten Einleitung: "Nach drei Jahren zum ersten Mal wieder...", heisst es dann, könne der Anlass XY wieder stattfinden. Corona lässt grüssen. Gestern am der Distriktstagung der Methodistinnen und Methodisten aus der Nordostschweiz forderte der Distriktsvorsteher Serge Frutiger die Anwesenden auf, sich beim Segen an den Händen zu halten. "Das darf man ja jetzt wieder..." meinte er. Corona lässt grüssen. In Weinfelden haben die Verantwortlichen gerade entschieden, Abendmahl wieder so durchzuführen wie vor der Pandemie. Corona lässt grüssen. Kaum ein Anlass, an dem nicht in der einen oder andern Art an die vergangene Zeit der Pandemiebekämpfung erinnert wird. Damit zeigt sich deutlich, dass wir noch nicht in der Normalität angekommen sind. Corona ist nicht mehr die alles bestimmende Krankheit, aber sie lebt immer noch weiter in unseren Köpfen und bestimmt weiterhin unser Denken. 

Ich freue mich schon auf die Zeit, in der Corona auch weitgehend aus unserer Rhetorik verschwunden sein wird, und das Selbstverständliche wieder ganz selbstverständlich ist. Ob dann die Sonntagsgottesdienste, die in der Pandemiezeit selbst dann stattfinden konnte, als viele anderen Freizeitaktivitäten ruhen mussten..., ob dann diese Sonntagsgottesdienste wieder zu den exotischen Nischenprogrammen einiger weniger Frommen werden? 

Heute wird es in der Methodistenkirche St. Gallen keine Youtube-Übertragung des Gottesdienstes geben. Ein bisschen so, wie noch vor der Coronazeit. Wer also dabei sein möchte, sollte um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6 vorbeischauen. Es geht um die Tischgemeinschaft, also um "Gemeinschaft", und nicht um Isolation. Corona lässt grüssen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 28. Januar 2023

Lachen über Tiere

Ein Zitat

Graugänse dösen auf einem Bein im Wasser vor sich hin.
Foto © Jörg Niederer
Wer blau ist, steckt meist tief in der Tinte.

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 20,9+10

"In der Fensteröffnung saß ein junger Mann namens Eutychus. Als Paulus so lange sprach, wurde er vom Schlaf übermannt. Er stürzte im Schlaf aus dem dritten Stock hinunter. Als man ihn aufhob, war er tot. Paulus ging hinab. Er warf sich über ihn, nahm ihn in die Arme und sagte: 'Beruhigt euch – er lebt noch!'"

Eine Anregung

Die Graugänse haben sich zum Schlafen an einen sicheren Ort neben dem Aarekanal am Neuenburgersee zurückgezogen. Für Betrachtende sieht es lustig aus, wie sie auf einem Bein im Wasser stehend vor sich hindösen. Ob es bei den Gänsen Rechtsfüssler und Linksfüsser gibt? Indem sie ein Bein anziehen und den kälteempfindlichen Kopf unter das Gefieder stecken, halten sie sich warm. 

Aus Sicht von uns Menschen können Tiere recht komisch und lustig wirken. Jährlich beteiligen sich daher Naturfotografinnen und Naturfotografen an einem Wettbewerb: der Comedy Wildlife Photography Awards ist immer wieder Quelle für Freude und Glück. Zu entdecken gibt es Kurioses aus der Tierwelt. 

Mir scheint, eines der stärksten Argumente für einen Schöpfergott ist dessen Schalk, den wir in diese wunderbaren Geschöpfe entdecken können. 

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 27. Januar 2023

Von der Dummheit und dem Verrat

Ein Zitat

Turm des Verrats (ganz rechts) in der Stadtmauer von Estavayer-le-Lac.
Foto © Jörg Niederer
Heere verheeren verheerend.

Ein Bibelvers - 1. Samuel 24,2+3

"Als Saul von der Verfolgung der Philister zurückkam, erreichte ihn die Nachricht: 'Pass auf, David ist jetzt in der Gegend von En-Gedi!' Da nahm Saul 3000 Mann mit sich, es waren die besten Soldaten aus ganz Israel. Mit ihnen machte er sich auf die Suche nach David, der mit seinen Leuten bei den Steinbock-Felsen war."

Eine Anregung

Die Geschichte wiederholt sich. In frühen Zeiten der Eidgenossenschaft verstand man sich gut mit den Burgundern und bezog das lebenswichtige Salz aus deren Salinen von Salins. (Da denke ich doch gleich an das russische Gas!). Noch am am 22. Mai 1467 besiegelten die Eidgenossen mit Herzog Philipp dem Guten und Karl dem Kühnen einen Freundschaftsvertrag. Doch dann verbündete sich der Burgunderherzog Karl am 9. Mai 1469 im Vertrag von Saint-Omer (Da kam ich auf meiner Reise zu Fuss von Frauenfeld nach London vorbei) mit den Österreichern gegen die Eidgenossen. Darauf schlossen die Eidgenossen 1470 mit dem Hauptgegner der Burgunder, dem französischen König Ludwig XI., einen Neutralitätspakt.

Durch die Hinrichtung eines burgundischen Landvogts brach 1474 der Burgunderkrieg im Elsass aus. 1476 belagerten die Burgunder die Stadt Murten. Doch die vereinten Streitkräfte der Eidgenossen bezwangen in der Schlacht zu Murten am 22. Juni 1476 das feindliche Heer. Ein Jahr später endeten dann die Burgunderkriege mit kompromissreichen Friedensschlüssen und Landabtretungen.

In Estavayer-le-Lac am Neuenburgersee erinnert der "Turm des Verrats" an diese Wirren. Auf der Fotografie ist er ganz rechts zu sehen. Jedoch ist es nicht mehr der originale Turm aus dem Jahr 1475, als die Eidgenossen die Stadt eroberten. Dass der Turm so heisst, ist mit einer sagenhaften Überlieferung verbunden. So sollen die Wächter auf dem Turm, mutlos geworden unter den Angriffen der Eidgenossen, panikartig den Turm verlassen haben. Dabei vergassen sie die zur Flucht benutzte Strickleiter einzuholen. Nun hatten die Eidgenossen ein leichtes Spiel, drangen über diesen Turm in die Stadt ein, plünderten sie und besetzten das Schloss. 

Verrat spielt in den biblischen Texten oft eine Rolle. Der berühmteste Verrat ist dabei zweifellos der von Judas Iskariot, der Jesus den jüdischen Behörden auslieferte.

Unser Verständnis von Verrat beinhaltet bewusstes Handeln gegen die Interessen der befreundeten oder verbündeten Menschen. So gesehen war der Verrat von Estavayer-le-Lac wohl eher ein Akt der Feigheit oder Dummheit. 

Nun frage ich mich: Was kommt in meinem Leben und Handeln öfters vor: Feigheit, Dummheit oder Verrat?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 26. Januar 2023

Fernsehkrimis unter Beobachtung

Ein Zitat

Polizeikotrolle 2011 in Balzers
Foto © Jörg Niederer
"Die schlimmste Kriminalstatistik gab es zu Kains Zeiten; auf einen Schlag löschte der Bursche ein Viertel der Menschheit aus." Gabriel Laub (1928-1998)

Ein Bibelvers - 2. Samuel 12,9+10

Natan zu König David: "Warum hast du das Wort des Herrn verachtet? Warum hast du getan, was er verurteilt: Den Hetiter Urija hast du mit dem Schwert getötet und dann seine Frau geheiratet. Ja, du hast ihn durch das Schwert der Ammoniter aus dem Weg geräumt. So soll jetzt das Schwert für alle Zeit gegen dein Haus gerichtet sein..."

Eine Anregung

Das ganze Fernsehprogramm ist eine nicht enden wollende Abfolge von Krimis. Dabei geht es um Gerechtigkeit und Spannung, um ein sofagestütztes Schaudern vor den menschlichen Abgründen, und der etwas naiven Litanei, dass schon alles gut kommt, selbst wenn am Ende alle tot sind. 

Nach jahrelangem Krimikonsum sind mir einige Dinge aufgefallen, die in diesem Chambre immer wieder vorkommen. Hier eine ungeordnete Auswahl: 

  1. In jedem Krimi sagt eine Fahnderin oder ein Polizist den Satz: "Wir stellen hier die Fragen."
  2. Kein Fahnder fühlt sich in seiner Arbeit befangen, selbst wenn der eigene Sohn oder die Mutter verdächtigt wird.
  3. Wird ein Polizist suspendiert, macht er privat trotzdem weiter.
  4. Kommissare entlassen sich nach Verletzungen immer vorzeitig und immer gegen den Willen der Ärzte aus dem Spital.
  5. Ein Wachmann vor dem Spitalzimmer ist kein Hindernis.
  6. Die lokale Kriminalpolizei und das Sondereinsatzkommando harmonieren nie gut zusammen.
  7. Bedroht eine Täterin eine Geisel, legen die Polizisten jeweils die Waffen auf den Boden, um die Situation zu beruhigen.
  8. Bei Entführungen gehen Angehörigen nie von sich aus zu Polizei.
  9. Ist Gift im Spiel, riecht es immer nach Bittermandeln.
  10. Ein von Fahndern zu Fuss Verfolgter rennt jeweils so davon, dass er einem gemütlich wartenden Polizei in die Arme läuft.
  11. Die Polizisten dringen mit der Begründung "Gefahr in Verzug" und ohne Durchsuchungsbefehl in jeder Gebäude ein.
  12. Jede Polizistin und jeder Polizist kann ganz locker jedes Haustürschloss mit zwei Sicherheitsnadeln aufbrechen.
  13. Ist der Täter noch im Haus, wird der ihn suchende Polizist über kurz oder lang niedergeschlagen.
  14. Wenn ein Fall zu einfach gelöst wurde, ist der Krimi wohl noch nicht zu Ende. 
  15. Irgendeinmal fällt in jedem Krimi der Satz: "Wir müssen noch irgendetwas übersehen haben."
  16. Spielt ein Pfarrer eine Hauptrolle, ist er immer der Täter. 
  17. Am Ende ist garantiert die unverdächtigste Person die Täterin oder der Täter.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 25. Januar 2023

Für gute Vorsätze ist es nie zu spät

Ein Zitat

Die Allmend von Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
"Aber ich habe gehört, dass diese Methodisten durch nichts zu halten sind, wenn sie die Grille erst mal im Kopf haben - viele werden ganz und gar verrückt von ihrer Religion." Gasthauswirt Cassons Person in George Eliots Roman "Adam Bede"

Ein Bibelvers - Markus 12,12

"Die führenden Priester, Schriftgelehrten und Ratsältesten hätten Jesus am liebsten verhaften lassen. Aber sie fürchteten sich vor der Menge. Sie hatten verstanden, dass er in dem Gleichnis von ihnen gesprochen hatte. Sie ließen ihn in Ruhe und gingen weg."

Eine Anregung

Gerade sind mir wieder gute Vorsätze in die Hände gekommen, und da das neue Jahr noch jung ist, und eine Sinnes- und Lebensänderung allezeit erfolgen kann, will ich sie gerne hier aus dem Amerikanischen übersetzt wiedergeben: 

"In diesem Jahr werde ich mich bemühen, mehr wie Jesus Christus zu werden. Darum werde ich...  

  • mit Sündern abhängen. 
  • fromme Menschen in Aufregung versetzen. 
  • Geschichten erzählen, die zum Nachdenken anregen. 
  • mich mit unbeliebten Menschen befreunden. 
  • freundlich, liebevoll und barmherzig sein. 
  • kleine Nickerchen auf Booten halten."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde 

Dienstag, 24. Januar 2023

Kein Dichtestress

Ein Zitat

Ein Schwarm Erlenzeisige bedienen sich dichtgedrängt an den Früchten einer Erle.
Foto © Jörg Niederer
Ist "Mensch" ein Schimpfwort unter Tieren?

Ein Bibelvers - Matthäus 12,33

Jesus: "Entweder ein Baum ist gut, dann sind auch seine Früchte gut. Oder ein Baum ist schlecht, dann sind auch seine Früchte schlecht. Denn an seinen Früchten könnt ihr einen Baum erkennen."

Eine Anregung

Im "Gasthaus Erle" sind alle Tische besetzt. Es geht geschäftig zu und her unter den versammelten Erlenzeisigen. Dicht an dicht, in allen Lagen, mitunter kopfüber, bedienen sie sich an den winterlich braun gewordenen Früchten dieses Birkengewächses. Wo den sonst, wenn man doch nach dem Charakterbaum des Sumpfs, der Erle, benannt ist.

Erlenzeisige treten gerade im Winter scharenweise auf. So kommt es schon einmal vor, dass gut 200 Vögelchen über einen Baum herfallen. Dichtestress gibt es bei den Erlenzeisigen also nicht. Die lieben es, in Grösstfamilie zu leben. Sie ernähren sich übrigens sehr gesund und überwiegend vegetarisch. Nur gelegentlich vergreifen sie sich an Insekten. Vielleicht haben sie damals im Nest von den Eltern zu viele Blattläuse und Raupen vorgesetzt bekommen und sich folglich in der Pubertät zu Körnerpickern entwickelt.

Ich weiss, ich interpretiere allzu Menschliches in diese farbige hübsche Schar hinein.

Ab wann es Erlenzeisigen zu bunt wird, weiss ich nicht. Wann es mir zu eng und zu laut wird, das weiss ich dagegen sehr wohl. Ab wann bekommst du Dichtestress? Hat es für dich in der Kirche eher zu viele oder zu wenige Menschen? Stören dich im Gasthaus die Essgeräusche der andern? Kannst du noch den Kopfstand? Wie viele Erlenzeisige sind auf dem Bild zu diesem Beitrag zu sehen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 23. Januar 2023

Schräge Vögel

Ein Zitat

Ein Gänsesäger-Weibchen posiert für ein spezielles Portrait.
Foto © Jörg Niederer
"Der Teufel ist ein Pflanzenfresser, er hat Hufe und Hörner." Georges Léopold Chrétien Frédéric Dagobert, Baron de Cuvier (1769-1832)

Ein Bibelvers - 1. Mose 27,21+22

"Da sagte Isaak zu Jakob: 'Komm doch näher, mein Sohn, damit ich dich betasten kann. Bist du mein Sohn Esau oder nicht?' Jakob trat an seinen Vater Isaak heran. Der betastete ihn und sagte: 'Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.'"

Eine Anregung

Ist sie nicht eine ganz besondere Dame? Das Gänsesäger-Weibchen zeigt sich von der schönen Seite. Man beachte die frisch geputzte Schwingen, den strubbeligen Kopf und die feinen Sägezähne, die dem Vogel zu seinem deutschsprachigen Namen verholfen haben. Bei uns sind die Gänsesäger die grössten Entenvögel. Es gibt etwa 600-800 Brutpaare, und doch ist dieser schöne Fischjäger und Tauchvogel potentiell gefährdet.

Ein anderer schräger Vogel ist mir gestern begegnet. Es begann damit, dass ich in der Morgendämmerung beim Bahnhof St.Gallen einen Storch klappern hörte. Verwundert schaute ich hoch in die Richtung, aus welcher das Geräusch kam. Da war aber weit und breit kein Adebar zu sehen. Später dann klapperte der Storch wieder, diesmal direkt vor meinem Bürofenster. Draussen sass lediglich eine Rabenkrähe zuoberst auf der Eiche und schaute zu mir herunter. Dann öffnete sie den Schnabel und krächzte nicht etwa, sondern klapperte, wie es die Störche tun. Das intelligente Tier (Rabenkrähen verwenden Werkzeuge) ahmte das Begrüssungsritual der Störche perfekt nach: Selbst das Anschwellen und Abschwellen des Klapperns war deutlich zu hören. Ich war fasziniert.

Ob die Rabenkrähe einfach Spass daran hat, andere Vogellaute nachzumachen? Ob sie sich dadurch einen Vorteil verschaffen kann? Haben wir es mit einem Fan des Storchs zu tun?

Auch Menschen geben sich immer einmal wieder für etwas anderes aus, als sie sind. Oder sie eifern äusserlich und in der Sprache ihren Idolen nach. Da frage ich mich, ob ich nicht auch ab und zu jemand anderes sein möchte, unzufrieden bin mit mir selbst? Oder bin ich gar ein schräger Vogel, und sollte alles tun, um genau das zu bleiben: ein schräger Vogel?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 22. Januar 2023

Salz für die Welt

Ein Zitat

Das Salz im Saldome der Saline Ryburg wird als Reserve für den Streudienst auf winterlich eisigen Strassen verwendet.
Foto © Jörg Niederer
"Salz ist nicht zuerst eine Frage des guten Geschmacks, sondern des Überlebens." (Ein zentraler Satz aus der Predigt von heute Sonntag)

Ein Bibelvers - Matthäus 5,13

Jesus spricht: "Ihr seid das Salz der Erde: Aber wenn das Salz nicht mehr salzt, wie kann es wieder salzig werden? Es ist nutzlos! Also wird es weggeworfen und von den Menschen zertreten."

Eine Anregung

Der Saldom der Saline Ryburg hat einen Durchmesser von 93 Metern und eine Höhe von 31 Metern. Das erfährt man auf der Webseite. Er wurde ab April 2004 errichtet und im August 2005 nach einjähriger Bauzeit in Betrieb genommen. Die Halle hat mit 80'000 Tonnen Salz eine rund doppelt so hohe Kapazität wie eine normale Lagerhalle, verbrauchte durch ihre an die Kugelform angenäherte Bauart jedoch nur halb so viel an Baumaterialien. Das dort gelagerte Salz wird vorwiegend für den winterlichen Streudienst verwendet.

Salz ist lebensnotwendig. So lebensnotwendig wie die Erfahrung von Gottes Liebe. In diesem Zusammenhang bezeichnet Jesus seine Nachfolgerinnen und Nachfolger als "Salz der Erde".

Wie das gemeint ist, das ist Inhalt der heutigen Predigt in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen. Vor Ort beginnt der Gottesdienst um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6. Auf Youtube kann die Predigt ab 10.30 Uhr angehört werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 21. Januar 2023

Orgel und Wort

Ein Zitat

In der St.Galler Kirche St. Laurenzen wird gerade die Orgel ausgebaut, um sie quadrofonisch zu erweitern.
Foto © Jörg Niederer
"Dene wos guet geit, giengs besser / Giengs dene besser wos weniger guet geit / Was aber nid geit, ohni dass′s dene / Weniger guet geit wos guet geit" Mani Matter (1936-1972)

Ein Bibelvers - Jesaja 1,17

"Lernt, Gutes zu tun, sucht das Recht! Weist den Unterdrücker in die Schranken! Verhelft dem Waisenkind zum Recht! Zieht für die Witwe vor Gericht!"

Eine Anregung

Heute Abend um 19.15 Uhr gibt es in der Kirche St. Laurenzen und der Kathedrale in St. Gallen eine Premiere. Erstmals begehen die Römisch-katholische Kirche, die Evangelisch-reformierte Kirche, die Christkatholische Kirche und die Evangelisch-methodistische Kirche die Gebetswoche für die Einheit der Christinnen und Christen mit einem OrgelWort.

Der musikalische Schwerpunkt beginnt in der Kirche St. Laurenzen aber ohne Orgel. Diese wird zurzeit abgebaut und im Lauf des Jahres zu einer Weltneuheit ausgebaut; eine quadrofonischen Orgel. Folglich wird in diesem Jahr Kirchenmusiker Bernhard Ruchti die Anwesenden auf dem Flügel verzaubern. Nach einer haben Stunde wird das OrgelWort in der Kathedrale fortgesetzt, in der dann Domorganist Willibald Guggenmos sein grosses Können an der Orgel zeigen wird. 

Mit der Musik kontrastieren Texte aus der Bibel, aus Liedern und aus der Dichtung zeitgenössischer Künstler. Zentral ist dabei ein Text aus dem Buch Jesaja: "Tut Gutes, sucht das Recht!". Diese Worte werden in verschiedenen Kombinationen zu hören sein. Die Texte lesen die Pfarrerin Kathrin Bolt, Dompfarrer Beat Grögli, der neue Pfarrer der Christkatholische Kirche Peter Grüter und Pfarrer Jörg Niederer. 

Gegenüber dem St. Galler Tagblatt erklärte Kathrin Bolt den Wechsel vom gemeinsamen Gottesdienst zum OrgelWort wie folgt: "Das Besondere an diesem neuen Projekt ist, dass die beiden Kirchen keine Einheit vortäuschen, die es nicht gibt, sondern dass sie auf Augenhöhe etwas Neues entstehen lassen... Wir wollen die Musik ökumenisch verbinden." 

Du bist herzlich zu diesem besonderen Anlass eingeladen: Er beginnt um 19.15 Uhr in der Kirche St. Laurenzen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 20. Januar 2023

Der Rabbiner im Dom zu St.Gallen

Ein Zitat

Eine gut aufgelegte Schar begleitete den neuen Rabbiner Shlomo Tikochinsky (auf dem Foto ganz links) auf einem Rundgang durch die beiden bedeutendsten christlichen Gotteshäuser von St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"In Kohelet [Prediger] 1,3 heisst es: 'Welcher Nutzen bleibt dem Menschen bei all seiner Mühe...'
Der Midrasch [Auslegung religiöser Texte im Judentum] antwortet u.a.:
'Nach der Meinung des Rabbi Benjamin wollten die Weisen das Buch Kohelet verbergen, weil sie Worte darin fanden, welche leicht zur Sektiererei verleiten könnten. Sie sprachen nämlich: Soll die ganze Weisheit Salomos darin bestanden haben, dass er sprach: Was für einen Nutzen hat der Mensch von all seiner Mühe? Vielleicht auch von der Mühe des Gesetzesstudiums? Nein, sprachen sie, es handelt sich hier nur um die Mühe, die er sich um sein zeitliches Wohl gibt.'" Zitiert nach www.reformiert-info.de

Ein Bibelvers - Prediger 3,12+13

"So habe ich erkannt: Es gibt kein größeres Glück bei den Menschen, als sich zu freuen und sich’s gut gehen zu lassen. Jeder Mensch soll essen, trinken und glücklich sein als Ausgleich für seine ganze Arbeit. Denn auch dies ist eine Gabe Gottes."

Eine Anregung

Um den neuen St. Galler Rabbiner Shlomo Tikochinsky besser kennenzulernen und um die Arbeit der Kirchen in der Innenstadt vorzustellen trafen sich am vergangenen Montag Gemeindeglieder der jüdischen Kultusgemeinde und Verantwortliche aus der Reformierten, Römisch-katholischen, Christkatholischen und Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen zu einer Führung durch den Dom und die Kirche St. Laurenzen.

Im Dom wurde selbstverständlich die St. Galluskrypta besucht, aber auch die beiden Sakristeien. So war ich erstmals auch in der oberen Sakristei, in der die Kostbarkeiten der Abtei aufbewahrt werden, darunter auch der Kelch, der als Wahlurne bei der Bischofswahl Verwendung findet. St. Laurenzen dagegen steht ganz im Zeichen des Umbaus. Dort entsteht als Weltpremiere eine quadrofonische Orgel. 

Später dann bei Kaffee und Kuchen entdeckten der Rabbiner Shlomo Tikochinsky, die St. Laurenzen-Pfarrerin Kathrin Bolt und ich die gemeinsame Liebe zum biblischen Buch Kohelet. 

Eine Gegeneinladung in die Synagoge ist auch schon ausgesprochen. Das christlich-jüdische Gespräch bricht also auch mit dem neuen Rabbiner in St. Gallen nicht ab. Das ist gut so.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 19. Januar 2023

Altpapier auf Bahnhöfen

Ein Zitat

In Vierfach-Mülleimern auf Bahnhöfen im Kanton Thurgau wird seit einigen Jahren kein Papier mehr separat gesammelt.
Foto © Jörg Niederer
Eva hatte keine Wahl. Im Paradies gab es nur Adam.

Ein Bibelvers - Johannes 14,2

"Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: 'Ich gehe dorthin, um für euch einen Platz vorzubereiten'?"

Eine Anregung

Mülltrennung hat schon seit einigen Jahren auf den Bahnhöfen der Schweiz Einzug gehalten. Seither werfen Reisende PET, Aluminium, Papier und Zeitungen sowie den Restmüll in je eigene Bereiche der Vierfach-Mülleimer. Zumindest auf den Bahnhöfen der Kantone Zürich und St. Gallen ist das so. Doch nicht auf den Bahnhöfen des Thurgaus. Hier landen Papier und Zeitungen im Restmüll. Die Vierfach-Mülleimer wurden entsprechend modifiziert. Es gibt nun zwei Restmüllabteile.

Warum schafft es die SBB im Kanton Thurgau nicht, Papier separat zu sammeln? Das Frage ich mich nun schon seit einigen Jahren. Oder ist für die Abfuhr des Mülls der Kanton zuständig? Dann geht die Frage an ihn. 

Vielleicht will man so die Kehrichtverbrennungsanlagen besser mit Brennbarem "füttern". Seit es Mülltrennung gibt, sind die Anlagen ja nicht mehr ausgelastet, habe ich vor einiger Zeit gelesen. Vielleicht sind die Thurgauerinnen und Thurgauer zu unbedarft, und haben zu wenig sorgfältig Papier vom übrigen Müll getrennt. Vielleicht müsste die SBB oder der Kanton all das Papier nun auch noch sauber bündeln, bevor es der Wiederverwertung zugeführt werden könnte. In der Stadt St.Gallen jedenfalls ist das nicht nötig. Dort kann der Papierabfall vom Bahnhof ungebündelt auf Paletten abtransportiert werden. 

Aber vielleicht ist man im Kanton Thurgau einfach auch ehrlich, und will den Reisenden nicht vormachen, man trenne Papier vom Restmüll, während in anderen Kantonen zwar alles getrennt gesammelt wird, aber dann schlussendlich doch wieder zusammen in der Kehrichtverbrennung landet. Unter diesen Umständen würde ich mir ziemlich blöd vorkommen, wenn ich meine Zeitungslektüre im Zug so anpasse, dass ich diese im Kanton St.Gallen oder Zürich auf dem Bahnhof entsorgen kann, und nicht im Kanton Thurgau. 

Zuletzt: Weil dies ein christlicher Blog ist, noch drei andere Fragen: Wie sieht die Mülltrennung dereinst im Himmel aus? Wird dort mit Fernwärme geheizt? Und gibt es überhaupt noch Zeitungen, wenn Krieg, Verbrechen und Zoff der Vergangenheit angehören?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 18. Januar 2023

Der Tanz über das Leopardenfell

Ein Zitat

Bei eisigen Temparaturen bildet sich ein Leopardenfell-Muster auf dem Gehsteig.
Foto © Jörg Niederer

Gestern vor drei Jahren wurde das Virus Covid19 entdeckt. Sebastian Niedlich schrieb dazu auf Twitter: "Bis gestern offiziell 6.612.527 Tote! Also rund 6033 pro Tag! Also knapp 16 vollbesetzte Jumbo-Jet-Abstürze pro Tag, bei denen alle Passagiere starben."

Ein Bibelvers - Jeremia 13,23a

"Kann etwa ein schwarzer Mensch seine Hautfarbe ändern oder ein Leopard die Flecken auf seinem Fell?"

Eine Anregung

Gestern am Morgen war es wieder einmal soweit. Auf meinem Arbeitsweg bildete sich auf dem Trottoir ein Muster, das mich an ein Leopardenfell erinnerte. In solchen Momenten ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Denn diese Musterungen werden durch Eiskristalle gebildet, die sich auf geheimnisvolle Weise zu einem Netzwerk anordnen. Es besteht die Gefahr, auszugleiten und zu stürzen.

Warum das Wasser beim Gefrieren oder Auftauen solche Muster bildet, ist mir nicht ganz klar. Werden hier schon vorhandene Strukturen des Asphalts sichtbar? Oder erfolgt eine Selbstorganisation von Eiskristallen? Jedenfalls erstaunlich, dass sich ein solches Design ergibt.

Auch erstaunlich, dass ein gleiches Netzwerk auf dem Fell eines Leoparden oder Panthers entstehen konnte. Bei Hauskatzen haben die Forscher das Gen DKK4 als Ursache für die Fellmusterung identifiziert. Es ist also wahrscheinlich, dass auch bei Leoparden oder Panther eine genetische Ursache vorliegt. Aber bei der Eisstrukturierung auf Gehwegen kann ja keine Vererbung im Spiel sein.

Nun stelle ich mir vor, wie ein Leopard in seinem schönen Fellmuster über einen eisigkalten, leopardenfellgemusterten Gehweg schleicht. So anmutig wie er schaffe ich das nie. Meine Schritte auf Eis sind unsicher, vorsichtig, ja widerwillig. Ich wittere Gefahr und freue mich doch an der Schönheit unter meinen Füssen. Schönes kann eben auch gefährlich sein. Das sieht man ja gerade auch am Leoparden oder Panther.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 17. Januar 2023

Der Knick in der Vollkommenheit

Ein Zitat

Die Westwand in der Sakristei des Doms St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
Wer ein Brett vor dem Kopf hat, ist wohl auf dem Holzweg.

Ein Bibelvers - Römer 12,2

"Und passt euch nicht dieser Zeit an. Gebraucht vielmehr euren Verstand in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln. Dann könnt ihr beurteilen, was dem Willen Gottes entspricht: Was gut ist, was Gott gefällt und was vollkommen ist."

Eine Anregung

Der Dom in St. Gallen ersetzte bei seinem Bau zwei Vorgängerkirchen, die in gleicher West-Ost-Ausrichtung zusammengebaut waren und erstreckt sich in gerader Linie von der Krypta des Heiligen Othmars bis zur Krypta des Heiligen Gallus.

Doch so ganz stimmt diese Aussage nicht. Der Dom enthält einen leichten Knick nach Norden. Das sieht man gut auf dem Foto der Westwand in der Sakristei. Dort ist der Kasten an der Wand auf der präzisen Symmetrielinie der Kathedrale zu finden, während die Uhr genau in der Mitte des Chores angeordnet ist. Diese Abweichung von der Mitte wurde vorgenommen, weil sonst beim Neubau der eine Kirchenturm in die Wohnung des Fürstabts zu stehen gekommen wäre.

Damit weisst die Kathedrale einen kleinen Makel auf, der aber von blossem Auge kaum zu erkennen ist. Auf dieser Erde ist eben nichts ganz perfekt, auch nicht ein Gotteshaus von der "himmlischen" Schönheit einer St. Galler Kathedrale.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 16. Januar 2023

Hart auf hart

Ein Zitat

Zoff auf der Ziegenkoppel beim Kloster Wurmsbach.
Foto © Jörg Niederer
"Vergleiche ich mich in Interlaken mit der Stadt, dann bin ich ganz klein. Aber sehe ich vom Niesen auf Interlaken herab, dann ist die Stadt ganz klein. Es ist eine Frage der Perspektive." Anna Shammas an der Schulung "Missionaler Lebensstil" in Weinfelden.

Ein Bibelvers - Judas 1,2

"Ich wünsche euch Barmherzigkeit, Frieden und Liebe in immer größerem Mass!"

Eine Anregung

Es ging hoch her in der kleinen Zwergziegenkoppel beim Kloster Wurmsbach. Aus irgendeinem Grund war Zank angesagt. Ziegen versuchten einander auf die Hörner zu nehmen, stiessen einander in die Seiten, knurrten sich auf Ziegenart an und immer wieder ging es hart auf hart, prallten Horn auf Horn.

"Hart auf hart", ist eine Redensart, die aus der Zeit stammt, als harte Stahlklingen sich mit harten Stahlklingen kreuzten. Doch sie passt ganz gut auch zu den Hörnern, die dort im Stall mit dumpfem Knall aufeinander trafen.

Auf einer Webseite erklärt ein Ziegenhalter, wie man mit aggressiven Ziegen umgehen soll. So schreibt er: "Einen Bock bei den Hörnern zu packen macht ihn nur noch wilder und Schläge sind für Ziege Kommunikation und nicht per se eine Bestrafung." Mehr Sinn mache ein anderes Vorgehen: Noch einmal der Ziegenhalter: "Sei beim verteidigen deiner Grenzen immer fair. Eine Ziege zu schlagen macht keinen Sinn. Das ist für sie bloss eine Spielaufforderung. Ein Wasserspray, ein Klopfen mit dem Stock auf die Hörner, anblasen oder auf die Nase / Ohren schnippen sind feine aber effektive Methoden, mit denen du deinen persönlichen Raum abgrenzen kannst."

Nun frage ich mich, was wohl ein kluges Vorgehen ist, wenn es zu Konflikten unter Menschen kommt. Wasserspray hilft wohl wenig. Anblasen kann falsch verstanden werden. Hörner haben wir Menschen nicht, um mit einem Stock darauf zu klopfen. Vermutlich ist es auch sinnvoller, beim Herzen anzuklopfen, an die gute Seele zu appellieren. Und noch vorher kann man sich überlegen, ob die Streitsache wirklich so gross ist, wie sie scheint, oder doch eher so, wie Interlaken vom Niesen herunter aussieht: nämlich klein und kaum der Rede wert.

Wie sang doch schon Reinhard Mey: "Über den Wolken / Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein / Alle Ängste, alle Sorgen / Sagt man / Blieben darunter verborgen / Und dann / Würde was uns gross und wichtig erscheint / Plötzlich nichtig und klein".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 15. Januar 2023

Sonntagsmöglichkeiten

Ein Zitat

St. Meinrads-Kapelle im Hörnli am Zürichsee.
Foto © Jörg Niederer
"Schönes liebe, Gutes ehre, Schweres übe, Böses wehre" Hausanschrift unweit vom Kloster Wurmsbach am Zürichsee

Ein Bibelvers - Psalm 4,4

"Seht es doch ein: Wer zum Herrn gehört, dem hilft er wunderbar. Wenn ich zu ihm rufe, hört mich der Herr!"

Eine Anregung

Sonntage sind ganz besondere Tage.

Da ist Zeit für die Stille, zum Beispiel in einer kleinen Kapelle, wie die St. Meinrads-Kapelle im Hörnli nahe von Schmerikon am oberen Zürichsee.

An Sonntagen dürfen auch musikalische Gebete erklingen, wie das Lied "Hier bin ich!" von Anja Lehmann.

Und selbst das Fernsehprogramm bietet die Möglichkeit, den Sonntag bewusst zu begehen. Heut um 19.15 Uhr zeigt SRF 1 den "miteinand"-Beitrag zur Lechería de la Solidaridad, einem Projekt in Argentinien, das von Connexio, dem Hilfswerk der Evangelisch-methodistischen Kirche in der Schweiz, seit vielen Jahren unterstützt wird. Im Internet kann die Sendung jederzeit angeschaut werden.

Wir wünschen einen gesegneten Sonntag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 14. Januar 2023

Angestanden und Aufgehalten

Ein Zitat

Der Übergang über den Alten Rhein beim Grenzsee von St. Margrethen ist nicht für Fussgänger geeignet.
Foto © Jörg Niederer
Wenn der Schädel brummt, läuft es noch lange nicht wie geschmiert.

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 16,7+8

"Als sie [Paulus und seine Begleiter] schon fast in Mysien waren, wollten sie nach Bithynien weiterreisen. Doch der Geist, durch den Jesus sie führte, ließ das nicht zu. Also zogen sie durch Mysien und kamen zum Meer hinab nach Troas."

Eine Anregung

Meine Touren in der Schweiz plane ich auf SchweizMobil. Nur selten kommt es vor, dass mich das dort ausgewiesene Wegnetz an der Nase herumführt. Am vergangenen Samstag war es wieder einmal soweit. Wir waren bei St. Margrethen hart an der Landesgrenze unterwegs. Vom Grenzweiher herkommend wollten wir die kleine Brücke auf der Nordwestseite des Sees über den Alten Rhein nehmen. Es ging nicht. Es ist schon ein Brücke, gebaut wohl für irgendwelche Leitungen. Wandernden ist dieser Übergang aber verwehrt. Vermutlich käme man schon hinüber, aber nur unter Missachtung aller Sicherheitsvorkehrungen.

Auch im Leben stehen wir immer einmal wieder vor einer Wand, in einer Sackgasse, vor Verboten. Es fällt mir heute leichter, dies als Zeichen zu verstehen. Ich renne nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand. Das hat ja sowieso meist nur Kopfschmerzen eingebracht. Ich gehe den Umweg und nehme ihn als Möglichkeit für neue Erfahrungen und Beobachtungen.

Auch heute werde ich wieder unterwegs sein. Es sieht alles gut aus auf der Karte. Mal schauen, welche überraschenden Wendungen der Weg in Wirklichkeit für mich bereithält.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Freitag, 13. Januar 2023

Dummheit oder Bosheit

Ein Zitat

Feierabendverkehr in Rapperswil
Foto © Jörg Niederer
Die Zahl derer, die Grosses tun, ist geringer als die Zahl derer, die "gross tun".

Ein Bibelvers - Lukas 23,34

"Aber Jesus sagte: 'Vater, vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.'"

Eine Anregung

Scherzeshalber soll ein gewisser Robert J. Hanlon den folgenden Satz formuliert haben, der als Hanlons Rasiermesser in die Philosophiegeschichte einging: "Schreibe niemals der Bosheit das zu, was durch Dummheit angemessen erklärt werden kann." In gewisser Weise handelte Jesus nach diesem Grundsatz, als er am Kreuz Gott bat, die Unwissenheit seiner Henker zu vergeben.

Stellt sich die Frage: Möchtest du lieber dumm sein oder böse? Das ist schwierig zu beantworten, sind doch Dummheit und Bosheit beides nicht sehr schmeichelhafte Eigenschaften.

Manchmal höre ich: "Also dumm ist er bestimmt nicht!". Dabei schwingt unausgesprochen mit: Folglich muss er wohl berechnend ja vielleicht sogar boshaft gehandelt haben. So gesehen ist der Ausruf: "Bin ich dumm!" im Moment eines Missgeschicks als Selbstrechtfertigung zu verstehen, oder als Entschuldigung. Gemeint sein könnte: "Es geschah nicht mit Absicht, es war kein böser Wille".

Bereits Goethe schrieb im Buch "Die Leiden des jungen Werthers": "Und ich habe gefunden, dass Missverständnisse und Trägheit vielleicht mehr Irrungen in der Welt machen als List und Bosheit. Wenigstens sind die beiden letzteren gewiss seltener."

Was ist nun seltener in dieser Welt: Dummheit oder Bosheit? 

Und gilt auch folgender Satz: "Schreibe niemals der Güte das zu, was durch Dummheit angemessen erklärt werden kann"?

Was kommt in deinem Leben häufiger vor: Dummheit oder Güte?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 12. Januar 2023

Schlagergottesdienst und Schlagerfamilie im österreichischen Fernsehen

Ein Zitat

Ingrid von der Schlagerfamilie bei Aufnahmen für einen Schlagergottesdienst.
Foto © Jörg Niederer
Niemand muss ganz auf der Höhe sein, um tiefgründig zu leben.

Ein Bibelvers - Psalm 9,3

"Ich will mich freuen und über dich jubeln. Ich will deinen Namen preisen, du Höchster."

Eine Anregung

"Studio 2" ist wohl das österreichische Pendant zur Schweizer Fernsehsendung G&G (Glanz und Gloria). Wobei, bei Studio 2 geht es nicht nur um Promis und Menschen. Da kann auch einmal über Haie, Weihnachtsgeschenke oder Hunde aus Tierheimen geplaudert werden. ORF beschreibt das Format so: "'Studio 2' ist DIE TV-Illustrierte. Sie beleuchtet Hintergründe zu aktuellen Ereignissen und blickt hinter die Kulissen von Kultur und Society. Täglich mit den besten Tipps für Mode, Kulinarik, Lifestyle, Medizin und für ein nachhaltiges Leben." 

Was bedeutet es nun, wenn heute ab 17.30 Uhr auf ORF 2 in der Sendung Studio 2 über die Schlagerfamilie und die Schlager-Gottesdienste berichtet wird? Ist das der Ritterschlag für dieses Angebot auf Musig24.tv, wenn selbst das österreichische Staatsfernsehen darüber berichtet? Oder ist die Vorstellung eines Schlagergottesdienstes so exotisch, dass er zur allgemeinen Belustigung in dieses wenig religiöse Programm aufgenommen wurde? Wir werden es heute erfahren. 

Hinter der Schlagerfamilie steht die Evangelisch-methodistische Kirche in der Schweiz in Zusammenarbeit mit Musig24.tv.

In Österreich ist die Methodistenkirche gut ökumenisch vernetzt und zeichnet sich durch ausgezeichnete Sozialprogramme aus. Sieben Gemeinde mit insgesamt 633 Mitglieder werden von 8 Pfarrerinnen und Pfarrern in ihrem Glauben und Leben unterstützt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 11. Januar 2023

Freude weitergeben

Ein Zitat

Spitzbuben-Gebäck mit Smiley-Gesicht.
Foto © Jörg Niederer
Kleinkinder sind meist auch Grosskinder.

Ein Bibelvers - Psalm 4,8

"Doch mein Herz hast du mit Freude beschenkt. Ich freue mich mehr als die Leute, die Korn und Most in Fülle hatten."

Eine Anregung

Im Anschluss an den Gottesdienst der Evangelischen Allianz vom vergangenen Sonntag in der Reformierten Kirche Linsebühl erhielten alle zwei Spitzbuben in der Gestalt von lachenden Gesichtern. Getreu dem Gottesdienstthema "Joy" sollte das Gebäck Freude  verbreiten, und zwar einmal bei sich selbst und dann noch einmal bei einer Person irgendwo in der Stadt.

Also machte ich mich zu Fuss auf den Heimweg durch die Altstadt von St. Gallen. Ich schaute mir die entgegenkommenden Menschen an; auch die, an denen ich vorbeizog. Wem könnte ich den zweiten Spitzbuben geben? Der Familie mit den zwei Kindern? Nein, dass könnte zu Verteilkämpfen und nicht zu Freude führen. Dem mürrisch dreinblickenden Mann? Dem Polizisten vor dem Auto?

Es beginnt ganz leicht zu regnen. Vor einem Schaufenster sitzt eine junge Frau mit Stöpseln in den Ohren auf dem kleinen Mäuerchen und beisst in ein Sandwich. Ich ziehe den Spitzbuben hervor, beuge mich zur Frau nieder. Diese befreit schnell ein Ohr von der Musik. "Ich hätte ihnen noch einen Dessert", sage ich. Da strahlt die Frau übers ganze Gesicht, nimmt den Kecks und bedankt sich überschwänglich. Wir lachen beide, dann eile ich weiter. Es hat Freude gemacht, jemanden mit "Joy" zu beschenken. Wäre der andere Spitzbuben-Smiley nicht schon zerbrochen, ich würde es gleich noch einmal versuchen.

Um Freude weiterzugeben braucht es zwei Personen. Zum Beispiel einen junger Afrikaner und einen Reggae-Musiker. Vielleicht bereite ich mit dem Video von The Kiffness und Rushawn jetzt auch einigen eine Freude. Der Song heisst "Beautiful Day" (das Original ist von Jermain Edwards).

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 10. Januar 2023

Eine frühe methodistische Predigerin, verewigt in einem englischen Bestseller

Ein Zitat

Der Galgen von Olten steht nicht mehr am Originalstandort.
Foto © Jörg Niederer
"Ich will gar nicht bestreiten, dass die Frauen töricht sind. Der Allmächtige hat sie halt auf uns Männer zugeschnitten." George Eliot (1819-1880), eigentlich Mary Ann Evans, englische Schriftstellerin

Ein Bibelvers - Lukas 15,7

Jesus "Das sage ich euch: Genauso freut sich Gott im Himmel über einen Sünder, der sein Leben ändert. Er freut sich mehr als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern."

Eine Anregung

Im Methodismus gab es schon früh auch Frauen, die predigten. Eine von ihnen war Elizabeth Ann Evans (1775-1849). Geboren als Elizabeth Tomlinson bekehrte sie sich 1797 in einer methodistischen Versammlung in Nottingham, England. Sie überlebte eine Typhuserkrankung. Bald begann sie zu predigen. Samuel Evans, der sie 1804 hörte, war davon so begeistert, dass er ihr einen Heiratsantrag machte.

Verheiratet predigten beide innerhalb ihrer methodistischen Kirche. Doch bald schon bekam Elizabeth Ann Evans und eine weitere Predigerin, Mary Taft, Probleme durch konservative Gemeindegliedern. Der daraufhin auch offizielle Widerstand gegen ihren Verkündigungsdienst führte dazu, dass ihre Namen in der Predigerliste durch Sternchen ersetzt wurden. Darauf wechselte das Ehepaar Evans in die Arminianische Methodistenkirche, in der es Frauen erlaubt war zu predigen. Diese Kirche existierte lediglich wenige Jahre und zählte in der besten Zeit gerade einmal 1600 Gläubige.

Mit der Heirat in die Evans-Familie wurde Elizabeth Ann Evans die Tante von Mary Ann Evans. Diese schrieb etliche Bücher und Romane unter dem Pseudonym George Eliot. In ihrem Erstlingswerk verarbeitete die Autorin eine traurige Geschichte über einen Kindermord. Als Vorbild diente ihr dabei die Geschichte von Mary Taft (1778-1802), welche ihre Tochter vergiftet hatte, und dafür mit dem Tod bestraft wurde. 

Drei Tage vor deren Hinrichtung besagter Mary Taft besuchten die Methodistinnen Elizabeth Tomlinson (die spätere Elizabeth Evans), Miss Richards und der Methodist John Clark die Kindsmörderin, mit der Absicht, sie vor der ewigen Verdammnis zu retten. Im Folgenden zitiere ich Adrian Gray in einem Beitrag auf Facebook:

"'...Unter ihrer Obhut beichtete Voce und vertraute auf Jesus. Wie verstockt sie auch während der Haft erscheinen mochte... innerhalb der kurzen Zeitspanne von drei Tagen wurde sie ein neues Geschöpf, erkannte ihre Schuld an und flehte Gott um Vergebung an', heißt es im Nottingham Date Book.
Am Tag der Hinrichtung, dem 16. März 1802, 'sangen über hundert Stimmen auf dem ganzen Weg zum Galgen und am Galgen Bussgesänge, und drei oder vier Personen (aus der Verbindung Halifax [Place]) fuhren freiwillig im Hinrichtungswagen mit'. Auf dem Schafott sagte Mary Voce: 'Das ist der schönste Tag, den ich je erlebt habe. Ich bin sehr glücklich. Ich würde lieber sterben als leben'. Als man ihr die Mütze aufsetzte, sagte sie: 'Ehre sei Jesus. Ich werde bald in der Herrlichkeit sein. Die Herrlichkeit hat in der Tat schon in meiner Seele begonnen, und die Engel Gottes sind um mich herum.'"  

Elizabeth Ann Evans wurde durch George Eliot im Buch "Adam Bede" als Dinah Morris verewigt. Das Buch wurde ein Bestseller, und George Eliot zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Viktorianischen Zeit. Den Roman "Adam Bede" gibt es auch heute, 170 Jahre nach Veröffentlichung, immer noch im Buchhandel, sogar in deutscher Sprache, herausgegeben vom Reclam-Verlag.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde