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Freitag, 27. Oktober 2023

Vom Wind bewegt, von Gott getragen

Ein Zitat

Samenpaar des Eschen-Ahorns auf einem Kiesweg.
Foto © Jörg Niederer
"Brauche mich für dich oder stelle mich für dich auf die Seite. Erhöhe mich für dich, erniedrige mich für dich." Aus dem Bundeserneuerungsgebet von John Wesley

Ein Bibelvers - Markus 4,8

"Aber ein anderer Teil [der Samen] fiel auf guten Boden. Die Körner gingen auf, wuchsen heran und brachten Ertrag: manche dreißigfach, andere sechzigfach, andere sogar hundertfach."

Eine Anregung

Ein Samenpropeller des Eschen-Ahorns liegt auf einem Kiesweg. Kein guter Landeplatz für den Start ins Leben. Zudem sieht er schon ziemlich ramponiert aus, in den Staub getreten.

Jesus erzählte so eine Geschichte, bei der ein Teil des Samens in den Dornen landet, ein anderer Teil auf felsigem Grund, ein dritter Teil auf den Wegen und ein vierter Teil auf fruchtbarem Boden. Die Dornen ersticken jedes Wachstum im Keim. Auf felsigem Grund geht dem Keimling schnell die Nahrung aus. Auf dem Weg wird der Samen von den Vögeln gefressen. Doch auf dem fruchtbaren Boden geht er auf und wird zu einem stattlichen Baum. Gut, bei Jesus ist es Getreide. Aber was er sagt, gilt natürlich auch für einen Baum.

Wo bin ich gelandet in meinem Leben? Wohin wurde ich gesät? Wer oder was hat mich zu dem gemacht, was ich bin?

Gute Gott, noch ist nicht das letzte Wort gesprochen, noch kann alles geschehen in meinem Leben, Gutes oder Schlechtes, Fruchtbares oder Verlorenes. Ich überlasse mich dir, während ich mich drehe, treiben lasse, Richtung einschlage, Halt suche und schlussendlich still stehe. Dir Gott vertraue ich mich auch an diesem Tag an. Amen

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Dienstag, 6. September 2022

Fehlender Überblick

Ein Zitat

Durch eine Wohnsiedlung in Frauenfeld hindurch dem Abendrot entgegen.
Foto © Jörg Niederer
"Wer mit dir tratscht, wird auch über dich tratschen." Redensart aus Spanien

Ein Bibelvers - Psalm 141,3

"Herr, stelle eine Wache vor meinen Mund, einen Posten an die Türe meiner Lippen!"

Ein Anregung

Die Wohnüberbauung umfasst etwa 140 Wohnungen in vier freistehenden Gebäuden. Wege führen zwischen den Blocks hindurch, entlang von grosszügig angelegten Grünflächen, die nach ökologischen Kriterien gepflegt werden.

Mein Heimweg führt da hindurch. Wer weiss wie oft ich den Anwohnerinnen und Anwohnern schon aufgefallen bin. Die einen sehen mich, wenn ich von der Strasse her in die Überbauung einbiege, und denken sich wohl, dass der da irgendwo auf der anderen Seite in einer Wohnung lebt und nun nach Hause kommt. Und Mieterinnen und Mieter, welche beobachten, wie ich auf der anderen Seite die Überbauung verlasse, denken ihrerseits, dass der Passant vermutlich da irgendwo drüben im Block bei der Strasse wohnen müsse und nun zur Nachschicht aufbricht. Ich aber weiss, dass ich nur Durchzügler bin, ein Passant auf dem Heimweg; behaust an einem anderen Ort.

So ist es doch im Leben: Nie sehen wir voneinander alles. Immer ist das, was wir von einer Person wissen, nur Stückwerk. Was wir erkennen, mag schön und gut sein. Also denken wir, dieser Mensch ist schön und gut. Vielleicht sehen wir aber auch seine Macken und denken: Was für ein seltsamer, ja mühsamer Kerl. Wir machen uns ein Bild von Menschen, die wir doch nie ganz verstehen können. Nie sind wir den genau gleichen Weg gegangen, kennen nie das ganze Leben einer Person. Und so verorten wir diese Personen oft nicht da, wo sie in sich zu Hause sind.

Am besten kenne ich mich selbst. Allein schon das  müsste mich davor bewahren, andere Menschen vorschnell einzuordnen. Denn so wie ich ist jeder Mensch auf einem Weg, der länger ist als das Teilstück, das andere einsehen können.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 12. August 2022

Federleichte Liebesbotin

Ein Zitat

Weisse Vogelfeder mit einem dunklen Fleck in Herzform
Foto © Jörg Niederer
"Unterwegs: / den Augenblick geniessen, /ganz da sein, wo ich gerade bin / In mich hineinhorchen / Meine Umgebung wahrnehmen / Im Fluss des Lebens gehen."

Ein Bibelvers - Prediger 4,9+10

"Zwei sind besser dran als einer allein! Denn zu zweit geht die Arbeit leichter von der Hand. Und wenn einer von beiden hinfällt, hilft ihm der andere wieder auf die Beine."

Ein Anregung

Just gestern, als sich unsere kirchliche Trauung zum 38. Mal jährte, findet meine Frau auf einer kleinen Jubiläumswanderung eine weisse Feder, geschmückt mit einem schwarzen kleinen Herzchen. Sozusagen eine federleichte Liebesbotin.

An diesem Tag bewegten wir uns auf dem Seeblick-Bänkliweg in Rorschach/Rorschacherberg. Das ist kein lockerer Spaziergang; es geht gut 450 Meter teilweise steil hinauf und wieder runter, und das über eine Distanz von 9 Kilometern. Schön, dass es da immer wieder diese Bänkchen gibt. Die einen wippen und schaukeln; es gibt zwei Strandhäuschen, wie sie an der Ostsee zu finden sind; auf manchen Bänkchen kann man bequem liegen; andere fordern das Gleichgewicht. Und natürlich könnte man da und dort auch grillieren, wenn es denn wegen der Trockenheit nicht verboten wäre.

Ein Weg also wie eine Ehe. Auch da geht es rauf und runter, es gibt mühsame und leichte Wegabschnitte, und immer wieder einmal findet sich ein Platz, an dem ein Paar auf einem Bänkli zusammenrückt, Zeit hat zum Sinnieren, auf Vergangenes zu schauen, aber auch auf das, was wohl noch kommen könnte.

Auf dem Bänkliweg schweift der Blick meist weit über den Bodensee. Ein schöner Ausblick. So wünsche ich mir die weitere gemeinsame Zeit mit der Frau an meiner Seite. Ich bin guten Mutes.

An der einen oder andern Stelle kreuzt der Seeblick-Bänkliweg den Bildstöckliweg. An einem Ort findet sich auf der beschreibenden Tafel zu einem Bildstock das Zitat ganz zu Beginn des Blogbeitrags. Ein passendes Wort für ein weiteres Ehejahr, aber auch ein anregendes Wort für alle, die allein unterwegs sind.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 2. Juni 2022

Fehlende Bodenhaftung

Ein Zitat

Ein Fussweg ohne Haftung führt durch das Sacktobel
Foto © Jörg Niederer
"Die Wandernden... müssen vielmehr darauf vertrauen, dass Geländer, Brücken, Leitern etc. ihrer Bestimmung entsprechend benutzt werden können." Leitfaden "Gefahrenprävention und Verantwortlichkeit auf Wanderwegen"

Ein Bibelvers - Psalm 23,4

"Und muss ich durch ein finsteres Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist an meiner Seite! Dein Stock und dein Stab schützen und trösten mich."

Ein Anregung

Sacktobel gibt es in der Schweiz in Eggersriet SG, in Furna, Grüsch und Luzein GR, in Lütisburg, Oberuzwil und Waldkirch SG, in Pfäffikon und Wetzikon ZH, sowie im Safiental GR.

Dasjenige "Sacktobel ohne Haftung" befindet sich bei Auslikon am Pfäffikersee, und ist tatsächlich nicht ganz ohne. Der privat von Emil Rutz und Reinhold Bär 1988 erstellte Weg ist nicht mehr im besten Zustand. Zuletzt wurden 2019 Instandstellungsarbeiten durchgeführt. 

Bei einem Sacktobel handelt es sich um einen "Geländeeinschnitt von sackartiger Form". Wir kämpften uns über steile Wegabschnitte mit Winterschäden hinunter zum namenlosen Bach in der kleinen Schlucht, fanden uns auf einem Wiesenweg in mannshohem Gras, überquerten fussbreite Profilblechbrücken und landeten schlussendlich vor dem Wegweiser mit dem Hinweis auf die fehlende, beziehungsweise abgelehnte Haftung. Ob die mehrdeutige Anschrift gewollt ist? An diesem relativ trockenen Tag war die Bodenhaftung gut, die Gefahr auszugleiten klein. 

Mit der rechtlichen Haftung sieht es da schon viel komplizierter aus. In der Schweiz gibt es vom Bundesamt für Strassen ASTRA den fast 100 seitigen Leitfaden "Gefahrenprävention und Verantwortlichkeit auf Wanderwegen". Bezugnehmend auf das Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG) wird darin grundsätzlich festgehalten: "Wanderwege sollen 'möglichst gefahrlos' begangen werden können (Art. 6 Abs. 1 Bst. b FWG)". Jedoch heisst es dann in dieser Wegleitung: "Die Eigenverantwortung der Wandernden hat... traditionell einen hohen Stellenwert." Dies gilt ausdrücklich für die sorgfältige Planung, die an die eigenen Fähigkeiten angepasste Routenwahl, die passende Ausrüstung und die Beachtung der Wetterverhältnisse. Und weiter steht da geschrieben: "Ein umfassender Schutz kann auf keinem Weg erwartet werden." 

Ob aber mit einem Hinweis auf dem Wegweiser jede Haftung der Wegerbauer abgelehnt werden kann? Ich zweifle daran.

Wie die Haftungsfrage auf den "Glaubens- und Lebenswegen" aussieht, was man an Verantwortung auf Gott abschieben kann und wofür man selbst verantwortlich ist, ist eine andere, nachdenkenswerte Frage? Auch da habe ich den Eindruck, dass die Eigenverantwortung gross geschrieben ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 5. Juli 2021

Sentimentale Pfade

Ein Gedanke

Bifangschulhaus Olten, von der Unterführung aus gesehen.
Foto © Jörg Niederer
"Sentimentalität ist, wenn es dir unter die Haut, den anderen aber auf den Geist geht." Fritz-J. Schaarschuh (*1935), deutscher Philologe und Aphoristiker

Ein Bibelvers - 2. Mose 16,3

"Die Israeliten sagten zu ihnen [Mose und Aaron]: 'Hätte der Herr uns doch in Ägypten sterben lassen! Dort saßen wir an den Fleischtöpfen und konnten uns satt essen...'"

Eine Anregung

"sentir, sentier" - im Französischen macht nur ein Buchstaben den Unterschied zwischen dem Wort für "fühlen, empfinden" und dem für "Pfad".

Am Samstag bin ich voller Sentimentalität einen Weg gegangen, den ich - in Olten aufgewachsen - mit vielen Erinnerungen verbinde. Auslöser ist der bevorstehende Verkauf des Elternhauses. Mit einem meiner beiden Brüdern sichtete ich das Wenige, was noch von meinen Eltern da ist.

Ich nahm vom Bahnhof den Weg, den ich als Sonntagschüler wöchentlich in Begleitung meiner Geschwister, Cousins und Cousinen gegangen bin. Da ist immer noch die hässliche Unterführung, die zum Bifangschulhaus führt, der Ort meiner ersten drei Schuljahre. Gewundert habe ich mich, dass es manche Läden und Restaurants noch gibt, und andere, wie die kleine Metzgerei mit ihren Fleischabfällen in den Tonnen am Strassenrand nicht mehr, die Tierhandlung ebenso, in der wir die Fische für unser Aquarium gekauft hatten. Aber diese schäbige, heruntergekommene Quartiergarage, die ist erstaunlicher Weise immer noch da, und davor zwei Stretchlimousinen neben frisch errichteten Bauprofilen. In der Elternwohnung dann die Tapeten und Küchenfliesen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Voll Vintage, und doch jünger, als ich es bin.

Aussen an der Hausmauer ist das altbekannte Strassenschild angebracht. "Friedensstrasse" lautet der Spielplatz unserer kindlichen Cowboy- und Indianerkämpfe.

Später dann sind meine Frau und ich noch über den Engelberg gewandert. Auch hier wählte ich den steilen Gratweg meiner Kindheit, hinauf zur Engelbergweid, und sah seit Jahren wieder einmal diesen markanten Geländebruch zuoberst, sah in meinen Gedanken meinen Hund durch den tiefen Schnee tollen. Und später dann, wie wir Schulabgänger*innen an unserem letzten Sekundarschultag vom Gasthaus beim Fernsehturm - ich sah von meinem Fester zuhause, wie er aus dem Wald emporwuchs - im Dunkel der Nacht hinunterschlenderten und Zukunftspläne schmiedeten. Tempi passati.

Ja, das war einmal. Wie sähe dein sentimentaler Weg aus? Und woran erinnerst du dich wehmütig zurück, wenn du deinen Glaubensweg in Gedanken noch einmal gehst?

Zu so viel Sentimentalitäten passt doch perfekt Doris Days "A Sentimental Journey".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde