Freitag, 30. Juni 2023

Originale

Ein Zitat

Strassenszene in Cluj-Napoca
Foto © Jörg Niederer
"Ich glaube, ich sterbe nicht mehr. Bei den Todesanzeigen gibt es kaum Menschen, die in meinem Alter noch sterben." Augenzwinkernde Aussage des im vergangenen Jahr über 100-jährig verstorbenen tschechischen Laienpredigers Vlasta Malac

Ein Bibelvers - Matthäus 16,2+3

"Aber Jesus antwortete: »Abends sagt ihr: 'Es gibt gutes Wetter, denn der Himmel ist rot.' Und morgens sagt ihr: 'Heute regnet es, denn der Himmel ist rot und trübe.' Das Aussehen des Himmels könnt ihr beurteilen. Wieso könnt ihr die Zeichen der Zeit nicht genauso gut beurteilen?"

Eine Anregung

An fremden Plätzen gehe ich aufmerksamer für das besondere Normale durch die Strassen. Ich sehe Dinge, die ich in meiner gewohnten Umgebung nicht mehr bemerke, weil ich dort nicht mehr so voller Neugier hinschaue.

Da sitzen zwei Persönlichkeiten auf einer Strassenbank. Eigentlich nichts besonderes. Die Strasse ist belebt, Autos fahren lärmend vorbei. Menschen eilen von hier nach dort. Doch die beiden haben ihren Platz für diesen Augenblick gefunden. Die Frau mit den rot gefärbten Rastalocken, der Tätowierung am Arm und den Lisa-Simpson-Strümpfen neben dem zeitungslesenden Herrn in fortgeschrittenen Alter mit Gehstock, Reportergillet und kurzen Hosen. In ihrem Erscheinungsbild passen sie nicht zusammen, kommen aus unterschiedlichen Welten. Auf der Strassenbank treffen sie sich, verweilen nebeneinander und doch je für sich.

Gesetzt des Falles, es würde zwischen ihnen zu einem Gespräch kommen, was würden sie einander erzählen? Würden sie über Haarmode sprechen, über kurze Hosen oder über Kopfbedeckungen? Würden sie über Jugend und Alter austauschen, über die Liebe und den Verlust? Wie Touristen sehen sie nicht aus. So könnten auch die Wohnverhältnisse Gesprächsthema sein, oder die Ausbildung, welche einer schon lange abgeschlossen hat während die Andere wohl mittendrin steht.

Aber sie sprechen ja nicht miteinander. Eigentlich schade. Ich hätte ihnen gerne zugehört. Selbst wenn sie nur über das Wetter ausgetauscht hätten, sie hätten miteinander gesprochen. Den mit Gesprächen über das Wetter wird das Eis gebrochen, Tauwetter zwischen zwei Menschen setzt ein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 29. Juni 2023

Transit-Reisetag

Ein Zitat

Frankfurts Skyline im Zwielicht der untergehenden Sonne
Foto © Jörg Niederer
"Sowohl Optimisten als auch Pessimisten tragen zu unserer Gesellschaft bei. Der Optimist erfindet das Flugzeug und der Pessimist den Fallschirm." Gil Stern

Ein Bibelvers - 1. Könige 19,4

"Er [Elia] selbst ging noch einen Tag lang weiter – tiefer in die Wüste hinein. Dann setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. 'Es ist genug!', sagte er."

Eine Anregung

Reisetage, wenn sie zum Erleben gehören, können faszinierend sein. Reisetage, um ein Ziel zu erreichen, sind dagegen ein notwendiges Übel. Genau das war meine Hinfahrt zur methodistischen Zentralkonferenz-Exekutivtagung im rumänischen Cluj-Napoca. Da eine Zugreise 24 Stunden gedauert hätte, entschied ich mich widerwillig für einen Flug. Begonnen hatte es ja ausgesprochen gut. In Zürich verlief alles reibungslos, bis wir im Flieger sassen. Dann ging erst einmal gar nichts mehr, bis wir mit den 40 Minuten Verspätung starteten, die in Frankfurt für das Umsteigen vorgesehen gewesen wären. Es kam, wie es kommen musste. Der Anschlussflug war weg, und ich stand, verschwitzt von einem Zweikilometerlauf durch das Flughafengelände, am Schalter einer netten Dame, die versuchte, mein Problem zu lösen.

Ich kam als Dritter auf die Warteliste einer vollbesetzten Maschine, die am späten Abend von Frankfurt nach Cluj fliegen würde. Dazu musste ich noch einmal durch die Sicherheitskontrolle, was mangels Logik im improvisierten Leitsystem etwas länger dauerte. Aber ich hatte ja Zeit. Viel Zeit. Sehr viel Zeit im Transitbereich, bei teuren Getränken, teurem Essen, unbequemen Wartesitzen. Und immer die Unsicherheit, was mir der Abend bringen würde. Diese Anspannung verhinderte jede Form von Erholung. Auch an ein sinnvolles Arbeiten war nicht zu denken. Denn würde es am Abend nicht klappen, würde ich andern Tags erst ganze 24 Stunden nach meiner Abreise am Zielort angekommen. Da hätte ich ja gleich den Zug nehmen können. 

Die Spannung stieg, als die ersten Reisenden im Warteraum beim Gate eintrafen. Es wurden mehr und mehr, und das Flugzeug draussen sah winzig aus. Ich begann meine Hoffnung zu begraben. Doch dann die Überraschung: Ich durfte mit. Dafür musste eine Flight Attendant in Zivil auf dem Schandbänkchen in der Bordküche Platz nehmen. Nun, mein Sitz neben einem schlafenden Koloss von Mann, der mir den Zugang zur Toilette wirkungsvoll versperrte, war auch nicht viel besser.

Um Mitternacht endlich kamen ich, und zu meiner freudigen Überraschung auch der aufgegebene Koffer am richtigen Ort an. Mit einem weiteren Flug sollten auch andere Delegierten aus der Schweiz bereits eingetroffen sein und auf mich warten. Doch da war niemand. Dann, nach ratlosen Minuten und hektischem Herumsuchen, entdeckte ich durch die Tür zur Gepäckausgabe bekannte Gesichter. Die Erlösung nahte in Gestalt eines Bischofs und seines Gefolges. Aufatmen. Ich war gerettet.

Fazit: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Oder: Wer in der Schweiz über die Bahn schimpft, den oder die sollte man mit Fliegen bestrafen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 28. Juni 2023

Happy Birthday John Wesley

Ein Zitat

John Wesleys in guter Gesellschaft. Die Superintendenten László Khaled (Ungarn) und Andrzej Malicki (Polen) lassen sich von Daniela Stoilkova neben John Wesleys Büste im Garten einer ungarischen Methodistenkirche verewigen.
Foto © Jörg Niederer

"O dass ich mit keinem Menschen Streit hätte! Aber wenn ich schon streiten muss, dann mit Menschen, die Verstand haben."
John Wesley (1703-1791)

Ein Bibelvers - Amos 4,11b

"Ihr seid der Vernichtung entkommen wie ein Stück Holz, das gerade noch aus dem Feuer gerissen wurde."

Eine Anregung

John Wesley wurde am 17. Juni 1703 in Epworth in Lincolnshire, England geboren. Und doch jährt sich genau heute sein Geburtstag zum 320igsten Mal. "Wie das?" Keine Angst, es geht alles mit rechten Dingen zu. John Wesley selbst würde der heutigen Feier seines Geburtstags nicht widersprechen. Denn ab dem Jahr 1752 zelebrierte er selbst seinen Wiegentag am 28. Juni. Grund war die Kalenderreform in England, bei der vom julianischen zum heutigen gregorianischen Kalender gewechselt wurde. John Wesley hat also, wie so viele Menschen seiner Zeit, zwei Geburtstage. Wir könnten folglich gleich zweimal pro Jahr den Tag seiner Geburt begehen.

Nun hatte sein Geburtstag wenig Einfluss auf sein Wirken. Mit anderen Worten: Dass er eine geistliche Erweckungsbewegung mit auslöste und Reformen anstrengte in seiner Kirche, der Anglikanischen, stand nicht in den Sternen, aber wohl in Gottes Plan. So sahen das auch seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, die auf sein Grab schrieben: "Dieses grosse Licht erschien / durch die einzigartige Vorsehung Gottes, / um die Nationen zu erleuchten / und die reine apostolische Lehre und die / Glaubenspraxis der Urgemeinde / wiederzubeleben, zu bekräftigen und zu verteidigen, / die er ein halbes Jahrhundert / durch seine Arbeit und seine Schriften / fortwährend verteidigte..."

Heute schauen wohl um die 80 Millionen Methodistinnen und Methodisten dankbar auf sein Wirken zurück. Lassen wir John Wesley an seinem Geburtstag doch selbst zu Wort kommen:

"Liebe darf bei dir nicht nur ein vorübergehender Gast sein, sondern sie soll immer deine Seele erfüllen. Achte darauf, dass dein Herz zu allen Zeiten und bei allen Gelegenheiten voll aufrichtiger Nächstenliebe ist - nicht nur zu denen, die dich lieb haben, sondern zu jedem Menschen. Lass dein Herz nach ihr dürsten, lass sie in deinen Augen funkeln. Sie soll sich in all deinem Tun widerspiegeln. Wann immer du deinen Mund auftust, lass es in Liebe geschehen, und gebrauche deine Zunge im Dienst der Freundlichkeit.

Lass dich in deiner Zuwendung nicht einschränken, sondern nimm dich jedes Menschen an. Jeder hat Anspruch auf dein Wohlwollen. Sei wie Augen für die Blinden, wie Füsse für die Lahmen, wie ein Ehemann für die Witwe und wie ein Vater für die Waisen."

(Über allem die Liebe - Ein John Wesley Brevier, S. 310)

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 27. Juni 2023

In einer kleinen Stadt

Ein Zitat

Autor Usama Al Shahmani, fotografiert nach seiner Joggingrunde.
Foto © Jörg Niederer
"Jeder Mensch wird mit einer verborgenen Krone auf dem Kopf geboren. Aber nur Menschen mit grossem Glück können ihre Krone entdecken." Arabische Weisheit

Ein Bibelvers - Sprüche 16,7

"Gefallen dem Herrn die Wege eines Menschen, dann versöhnt er auch seine Feinde mit ihm."

Eine Anregung

In einer kleinen Stadt wie Frauenfeld läuft man sich schon gelegentlich über den Weg. Das besonders dann, wenn man im Café, über dem der irakisch-thurgauische Schriftsteller wohnt, den frühen Morgen bei einem Frappé an der gleissenden Sonne ausklingen lässt. Auch mache ich nicht ungefragt Fotos von Prominenten und bin auch nur mit ganz wenigen von ihnen per Du. Doch bei Usama Al Shahmani ist das anders. Ich kenne ihn, seit er 2019 in der Methodistenkirche aus seinem Erstling vorgelesen hat.

Am vergangenen Samstagmorgen kam er gerade von einer Joggingrunde zurück, und als er meine Kamera auf dem Tischchen sah, bat er mich, ihn zu fotografieren. So kam zu den Aufnahmen von Reh, Hase, Fuchs und Eisvogel nun auch noch ein Autor dazu. Dann sprachen wir über Religion, über Bestattungsriten, über Bücher (wer hätte das gedacht!), über Familie, und schon ging jeder wieder für sich seine Wege.

Nun habe ich gelesen, dass Usama Al Shahmani am Mittwoch, 28. Juni wieder einmal in St Gallen lesen wird. Sein neustes Buch "Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt" wird im Mittelpunkt stehen, wenn er im Open-Art-Museum an der Davidstrasse 44 zu Gast sein wird. Um 19 Uhr beginnt der Anlass.

Auch in seinem neusten Werk bleibt der Autor, der als Flüchtling in die Schweiz kam, seiner Erfahrungswelt verpflichtet. Im Roman geht es - wie es in der Ausschreibung der Lesung heisst - um die "Verwüstungen einer Kindheit und Jugend in Diktatur und Krieg, vom Exil und dem Verschwinden einer Welt, die einst Heimat war."

Wäre ich am Mittwoch nicht selbst unterwegs in einer fremden Welt, würde ich bestimmt bei dieser Lesung vorbeischauen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 26. Juni 2023

Vom Leben gezeichnet

Ein Zitat

Feldhase mit Bissverletzung in der Allmend Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Wohl lässt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn, Doch nie wird das verletzte mehr gesunden." Friedrich von Schiller (1759 - 1805) in "Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder"

Ein Bibelvers - Galater 2,20

"Deshalb lebe ich also nicht mehr selbst, sondern Christus lebt in mir. Zwar lebe ich noch in dieser Welt, aber ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes. Er hat mir seine Liebe geschenkt und sein Leben für mich hingegeben."

Eine Anregung

Erst zuhause, als ich die Fotos auf dem Computerbildschirm betrachtete, entdeckte ich die Bisswunde auf dem Rücken des Feldhasen. Irgendeinmal vor nicht allzu langer Zeit musste sich bei Meister Lampe Dramatisches abgespielt haben. Dabei ist Mümmelmann wohl gerade noch so dem Tod von der Schippe gesprungen.

In einem Menschenleben tragen wir Verletzungen davon. Bei manchen bleiben Narben zurück. Andere Wunden verheilen oberflächlich so, dass man auf den ersten Blick nichts mehr sieht. Wieder andere schwären und bluten weiter. Was bleibt dann anderes zu tun, als das, was der Feldhase auch tat: Hinausgehen, die Hand an den Pflug legen, sein Brot weiteressen, hoffen, dass es gut geht, auch wenn niemand weiss, was noch kommen wird?

Gottvertrauen ist auch eine Mischung von Resignation und Zuversicht. Resignation: Ich zeichne nicht mehr selbst für mein Leben verantwortlich. Zuversicht: Ich muss nicht mehr selbst meine Hoffnung sein. Resignation und Zuversicht: Ich lebe (mit aller mir gegebenen Kraft), aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 25. Juni 2023

Der Fuchs und das Reh

Ein Zitat

Ein junger Fuchs beobachtet in der Allmend Frauenfeld ein Reh, das ihn beim Spielen aufgescheucht hatte.
Foto © Jörg Niederer
"An dem Füchslein siehst du schon, dass er eines Fuchses Sohn." Jüdische Weisheit

Ein Bibelvers - Matthäus 8,20

"Jesus antwortete ihm: 'Die Füchse haben ihren Bau, und die Vögel haben ihr Nest. Aber der Menschensohn hat keinen Ort, an dem er sich ausruhen kann.'"

Eine Anregung

Dass sich Fuchs und Reh in der Natur begegnen, wird öfters vorkommen. Dass der Moment aber beobachtet wird, ist wohl schon etwas seltener. Nun, gestern früh am Morgen durfte ich dabei sein, als zwei junge Füchse von einem Reh überrascht wurden. Ein Füchslein zog sich zurück, das andere aber blieb und beobachtete das Reh. Auf dem Foto sieht es fast so aus, als wolle der Jungfuchs nächstens das Reh von hinten anschleichen und anspringen. In Wirklichkeit muss der Fuchs sich vor dem Reh in Acht nehmen. Aber vielleicht ist das, was ich beobachtete, etwas ganz anderes: Der Anfang der Friedenszeit, in der Raubtier und Weidetier gemeinsam durch die Welt ziehen, als gutes Beispiel für die Menschheit.

An diesem Sonntag jedenfalls dürfen wir einmal mehr einen Ruhetag geniessen. Davon weiss Reh und Fuchs nichts. Das ist unser Vorteil, unser Segen, wenn wir ihn denn nutzen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 24. Juni 2023

Ungebetene Gäste

Ein Zitat

Fliege auf Unterlagen an der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika.
Foto © Jörg Niederer
"Eine Fliege in einem Glas Sekt ist ein Insekt." Stephan Sarek

Ein Bibelvers - 2. Mose 8,13+14

"Aaron streckte die Hand mit seinem Stab aus und schlug auf die Erde. Da kamen Mücken über Mensch und Vieh. Der ganze Staub wurde zu Mücken überall in Ägypten... Mückenschwärme bedeckten Mensch und Vieh."

Eine Anregung

Sie hatten sich nicht angemeldet, und wahren doch zu Hunderten da. Für sie gab es keine Menüs, und doch assen sie überall an den Tischen mit. Gelesen hatten sie die Unterlagen auch nicht und doch setzten sie sich in unverschämter Weise auf jedes Dokument. Selbst als es an der Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika um Missbrauch und Mobbing ging, griffen sie gleich mit allen verfügbaren Extremitäten zu. Ja nicht einmal auf dem Stillen Örtchen hatte man Ruhe vor ihnen; dort am allerwenigsten.

Ganz und gar ungebeten waren sie, aber dafür in Scharen da: Die Fliegen. Sie lösten hektische Armbewegungen aus, die als Wortmeldungen hätten interpretiert werden können. Und wurde geklatscht, dann auch manchmal nach diesen kleinen Plagegeistern. Als es um Statistik in der Kirche ging, hatte ich den Eindruck, als würde die Anzahl der Fliegen dem Trend bei den Mitgliedern entgegenlaufen. Mit anderen Worten: Es war noch nicht wie bei der 3. von zehn Plagen, die Mose im Namen Gottes über Ägypten brachte. Aber ein kleiner Vorgeschmack davon war es schon. Ein ganz kleiner Vorgeschmack. Ein klitzekleiner Vorgeschmack auf sechs Beinen. 

Doch eigentlich waren sie nicht der Rede wert. Wenigstens nicht bei der offiziellen Berichterstattung. Und auch sonst nicht. Darum dachte ich mir, schreibe ich von ihnen. In einer Zeit, in der es immer weniger Insekten gibt, ist es doch beruhigend, dass wenigsten die Fliegen bei allen kirchlichen Anlässen dabei sind. Sie sind da: Beruhigend nervenaufreibend!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 23. Juni 2023

Der christliche Glaube ist ein Eichhörnchen

Ein Zitat

Ein dunkel gefärbtes Eurasisches Eichhörnchen beim KUSPO an der Lenk.
Foto © Jörg Niederer
"Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert." Charles Darwin (1809-1882)

Ein Bibelvers - Kolosser 4,6

"Eure Rede sei stets freundlich und mit einer Prise Salz gewürzt. Denn ihr müsst wissen, wie ihr jedem eine angemessene Antwort geben könnt."

Eine Anregung

Schon am ersten Tag an der Lenk viel mir ein Eichhörnchen auf, das direkt vor dem Kurs- und Sportzentrum mit wenig Scheu seiner Arbeit nachging. Da die Tagung der Jährlichen Konferenz (Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika mehrere Tage dauerte, gelangen mir in einer Kaffeepause auch recht gute Aufnahmen des flinken Kletterkünstlers.

Bei den Eurasischen Eichhörnchen gibt es verschiedene Farbvarianten; dunkel gefärbte und rötlich gefärbte. Gelegentlich wird nun fälschlicherweise behauptet, die dunklen Eichhörnchen seien aus Nordamerika eingeschleppt worden und verdrängten die rötlich gefärbten, einheimischen. So stimmt das nicht. Aus den USA gelangten Grauhörnchen nach Europa und haben sich in Grossbritannien und Italien invasiv ausgebreitet. Dort verdrängen sie das Eurasische Eichhörnchen durch ihre robustere Art und eine Krankheit, welche die einheimischen Eichhörnchen befällt und tötet. 

Die Farbvarianten der bei uns heimischen Eurasischen Eichhörnchen sind Anpassungen an den Lebensraum. In den höheren Lagen der Schweiz haben die dunklen Schläge eine grössere Überlebenschance als die roten. Letztere sind für Habicht, Mäusebussard und Marder leichter zu entdecken. Sie werden in Fichtenwäldern häufiger von diesen Fressfeinden erwischt. In hellen Laubwäldern dagegen haben rötliche Eichhörnchen aufgrund ihrer Tarnung die grösseren Überlebenschancen.

Vielleicht sind die verschiedenen Ausprägungen - man könnte auch von Farbschlägen sprechen - des christlichen Glaubens auch so etwas wie Eichhörnchen. Nur die Variante überleben, welche sich besser an ihren Kontext anpasst. Gelingt es nicht mehr, den Glauben so zu vermitteln, dass er von der Gesellschaft als relevant und glaubwürdig verstanden wird, dann schwindet das Interesse daran. Das wäre dann wie ein rotes Eichhörnchen, weit sichtbar ausgestellt vor dem dunklen Hintergrund eines Tannenwalds. Exotisch, aber kaum überlebensfähig. 

Der christliche Glaube in bestimmter Ausprägung muss zur Welt passen, in der er gelebt wird. Er muss, wie Eichhörnchen für den Wald, nützlich sein für die menschliche Gesellschaft. Sonst wird er vielleicht noch einige Zeit als Kuriosum bestehen, aber früher oder später von überzeugenderen Glaubensvollzügen verdrängt werden.

Wie macht sich die Methodistenkirche in der Schweiz in dieser Hinsicht? Stefan Schnegg erinnerte daran, dass keine Frei- oder Landeskirche in den letzten 50 Jahren so viele Mitglieder verloren hat wie die Methodistenkirche. Sie ist in dieser Zeit auf 20% der einstigen Grösse geschrumpft. Da stellt sich die Frage: Sind wir noch bei den Sorgen und Erwartungen der Menschen. Oder sind wir schon wie ein "Rotes Eichhörnchen" im dunklen Tannenwald.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 22. Juni 2023

Die Schöpfung Gottes bewahren

Ein Zitat

Die Karstquelle 'Siebenbrünnen' auf der Rezlialp bei Lenk bildet den Auftakt der Simme.
Foto © Jörg Niederer
"Als Kirche wollen wir uns von Gott in die 'Haushaltspflicht' (Gen 1,28) nehmen lassen. Wir wollen unsere Verantwortung besser wahrnehmen und gemeinsam entdecken, wie wir Gott in Gottes Schöpfung staunend lieben und sie bewahren können." Aus dem Bericht vom Ausschuss "Kirche und Gesellschaft" an der Synode der Methodistenkirche in der Schweiz 2023

Ein Bibelvers - 1. Mose 2,15

"Gott der Herr nahm den Menschen und brachte ihn in den Garten Eden. Er sollte ihn bearbeiten und bewahren."

Eine Anregung

Lenk ist ein sauberes Dorf. Es liegt kein Abfall herum, da wo die Besucherinnen- und Besucherströme vorüberziehen. Ganz zu Schweigen von der wunderschönen Landschaft, den Bergen, der Simme, den Matten und Weiden. In Lenk käme man nicht auf die Idee, dass die biologische Vielfalt in der der Schweiz und weltweit rasant schwindet, und das Klima sich bedrohlich aufheizt. Und doch ist es so.

Am Samstag zogen einige der Konferenzteilnehmerinnen und Konferenzteilnehmer zur Simmenquelle, eine der ergiebigsten Karstquellen in der Schweiz. Aus der Bergwand auf der Rezlialp entspringt am Westfuss des Wildstrubels in sieben Hauptstrahlen Gletscherwasser aus einer Felsspalte. Gespeist wird die Quelle vom Rezligletscher, einem Eisausläufers des bekannteren Plaine-Morte-Gletschers. Dieser misst in der Länge noch 5 Kilometer. Von nicht mehr so ewigen Eis gespeist treten in der Sommerzeit rund 3000 Liter Gletscherwasser pro Sekunde aus der "Siebenbrünnen" genannten Quelle und bilden den Auftakt der 55 Kilometer langen Simme. Doch auch der Plaine-Morte-Gletscher schwindet. Innerhalb der letzten drei Jahre hat er 20 Meter seiner teilweise 200 Meter dicken Eisschicht eingebüsst. Damit ist nicht nur dieses Sommerskigebiet auf 2927 Metern Höhe in Gefahr. Es ist absehbar, wie lange es dauern wird, bis auch dieser Gletscher sich in Wasser aufgelöst hat. Spätestens dann wird die Karstquelle "Siebenbrünnen" an Attraktivität verloren haben.

Um das Schlimmste zu verhindern und einen echten Beitrag zur Eingrenzung des Klimawandels zu leisten, hat deshalb die Synode der Methodistenkirche in der Schweiz einen Antrag des Ausschusses "Kirche und Gesellschaft" angenommen. Dieser lautet: "Der Vorstand setzt eine Arbeitsgruppe ein, die systematisch verschiedene Aspekte des kirchlichen Lebens unter die Lupe nehmen und konkrete Schritte vorschlagen soll, wie Abläufe und Organisation umweltgerechter verändert werden können".

Wie dies geschehen soll, zeigen die Ausführungsvorschläge: "Sie [die Arbeitsgruppe] soll an der Tagung Teil Schweiz 2024 erste Zwischenergebnisse präsentieren und für die Tagung 2025 Anträge zur Umsetzung einer umweltgerechteren EMK [Evangelisch-methodistischen Kirche] Schweiz stellen. Dazu sollen entsprechende Zielsetzungen wie Netto Null, CO2-Neutralität, u.a. geprüft und allenfalls als Zielsetzungen für die EMK Schweiz beantragt werden." 

Bis es also konkret wird, werden wohl drei weitere Jahre ins Land ziehen, in denen der Plaine-Morte-Gletscher weitere 20 Meter seiner Eisdicke verlieren könnte. Es ist höchste Zeit, auch als Kirche die Schöpfung ganz konkret zu schützen und zu bewahren.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 21. Juni 2023

Ordinati-was?

Ein Zitat

Über Matthias Gertsch wird das Ordinationsgebet gesprochen, während ihm dabei die Hände aufgelegt werden.
Foto © Jörg Niederer
"Wir danken dir, Herr und Gott, dass du unter uns treue Diener und Dienerinnen für das Ältestenamt in deiner Kirche erweckt hast. Bekleide sie mit deiner Gerechtigkeit, und gewähre, dass wir mit ihnen dich verherrlichen mögen in der Hingabe unserer selbst an andere, durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dir lebt und regiert in der Einheit des Heiligen Geistes, jetzt und immerdar. Amen." Aus der Ordinationsliturgie der Evangelisch-methodistischen Kirche

Ein Bibelvers - Ezechiel 33,7a

"Und dich, du Mensch, habe ich für das Haus Israel als Wächter eingesetzt."

Eine Anregung

In einer Wiener Gasse entdeckte ich ein Schild mit der Aufschrift "Ordination". Das verwirrte mich als Schweizer etwas, war mir das Wort doch nur im kirchlichen Zusammenhang geläufig. Bei besagtem Schild war aber weit und breit keine Kirche zu entdecken. Das habe ich dort in der Gasse gelernt: Was in Österreich "Ordination" heissen kann, nennen wir in der Schweiz "Arztpraxis"

Die kirchliche Ordination ist etwas ganz anderes. Sie ist Amtseinsetzung, aber auch Eingliederung in eine jahrhundertelange Tradition. Weiter kann sie als Aufnahmeritual verstanden werden.

Der besondere Moment wird durch die besondere Szenerie auf der Bühne beton. Personen, die ordiniert werden, knien sich nieder. Das ist schon einmal bei den meisten Menschen eine eher selten eingenommene Körperhaltung. Dann wird jeder und jedem einzeln vom Bischof oder der Bischöfin die Hand aufgelegt. Assistiert wird er oder sie dabei vom zuständigen Distriktsvorsteher oder der Distriktsvorsteherin, von der Vorsitzenden des Bundes der Ordinierten und von einer weiteren Pfarrperson des Vertrauens.

Am vergangenen Sonntag liess sich an der Lenk im Konferenzgottesdienst der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika nebst Cyriane Rohner-Ouvry (Siehe Blogbeitrag vom 17. Juni) auch Matthias Gertsch feierlich in das Amt eines Ältesten und aufsichtsführenden Pfarrers einsetzen. Ein besonderer Moment, der bei der Handauflegung mit folgenden Worten begleitet wird: "Matthias Gertsch, empfange die Vollmacht, als ein Ältester/eine Älteste in der Kirche das Wort Gottes zu predigen und die heiligen Sakramente zu verwalten."

Zuvor haben die Pfarrpersonen, welche ordiniert wurden, sich öffentlich zu Christus bekannt, zur Heiligen Schrift und zu einer sorgsamen Begleitung aller Menschen in der kirchlichen Gemeinde, der sie zugewiesen sind. Zugleich werden auch alle Gemeindeglieder angehalten, für diese Pfarrpersonen zu beten.

Da die meisten Pfarrpersonen schon vor der Ordination in einem Gottesdienst eine Bibel erhalten haben, wird ihnen in dieser Feier ein Reise-Abendmahlsgeschirr überreicht.

Die Ordination kann auf Video angeschaut werden. Dieser besondere geistliche Moment beginnt im Video nach etwa einer Stunde und 45 Minuten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 20. Juni 2023

Lenk dänk!

Ein Zitat

Zwei in Gedanken versunkene Teilnehmerinnen an der methodistischen Tagung der Jährlichen Konferenz in der Lenk.
Foto © Jörg Niederer
"Vergiss nie, bei dem was du tust: Die Welt ist schon gerettet." Zitat, vermutlich aus dem Buch "Management for Your Church" von Alvin J. Lindgren und Norman Shawchuck

Ein Bibelvers - Psalm 139,1+2

"Herr, du hast mich erforscht und kennst mich genau. Ob ich sitze oder stehe: Du weißt es. Meine Absicht erkennst du von fern."

Eine Anregung

Ich weiss, von Slogan "Adelboden-Lenk dänk!" habe ich im Titel den Ski- und Urlaubsort Adelboden unterschlagen. Aber die methodistische Tagung der Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika fand eben auch nur an der Lenk statt. Auf diese Tagung will ich in den Mitteilungen der nächsten Tage zurückblicken.

Das Wort Denken hat eine unglaublich grosse Bedeutungsvielfalt. Der Werbeslogan "Adelboden-Lenk dänk!" suggeriert, dass Sporttreibende sowieso auf diese Sommer- und Winterdestination kommen, wenn sie sich durch all die vielen Angebote hindurchwühlt haben. Hier hat Denken mit Erinnern und Wiedererkennen zu tun.

An die Lenk hätten wohl die wenigsten gedacht, um eine Konferenz durchzuführen. Aber die Synode der Evangelisch-methodistischen Kirche hat genau dort stattgefunden, wo andere für gewöhnlich eine Denk- und Ruhepause einlegen, oder sich gedankenlos einen sportbedingten Beinbruch einhandeln.

Ein Ort des Denkens war die Konferenz bestimmt. Ob sie dadurch gleich eine Denkfabrik gewesen ist, also eine innovative Einrichtung, wage ich zu bezweifeln. Doch wie man anhand des Fotos gut sehen kann, war das Sinnieren durchaus Teil dieses Anlasses; für manche sogar sosehr, dass am Abend der Kopf brummte.

Da wurde also am Ferienort Denkarbeit geleistet. Manche versanken geradezu in Gedanken, aus denen sie nur mühsam wieder herausfanden. Wieder andere entzogen sich manchen Anlässen kategorisch. Sie "dachten nicht einmal daran", teilzunehmen. Insgesamt wurde aber durchaus gegrübelt und über Fragen gebrütet. Manchmal war es gut, dass einige schon "vorgedacht" und "angedacht" hatten. Das regte zum "nachdenken", "weiterdenken" und "umdenken" an. So richtig "durchdacht" schien aber nur wenig zu sein. Bei einigen Vorlagen konnte man sich nicht gegen den Gedanken wehren, dass da nur gerade von der "Nasenspitze bis zum Mund gedacht" worden ist. Aber insgesamt führte die geballte Denkleistung von 250 Menschen zu durchaus sinnigen Ergebnissen.

Und dann gab es an der Konferenz auch noch die Gedächtnisfeier, in der das Andenken an Menschen im Zentrum stand, die in guter Weise in dieser Gemeinschaft von Glaubenden gelebt und mitgedacht hatten.

Auch das ist eine Bedeutung von Denken. Zu sagen: "Ich denke" kann auch "ich glaube" bedeuten. Denken und Glauben treffen sich. Das gefällt mir!

Lust aufs Weiterdenken? Der DV-Bericht und die Liste der Dienstzuweisungen sind nun auf der Webseite aufgeschaltet.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 19. Juni 2023

Bischof Stefan Zürcher ist da

Ein Zitat

Der neue Bischof Stefan Zürcher der Evangelisch-methodistischen Kirche hält die Konferenzpredigt an der Tagung der Jährlichen Konferenz an der Lenk.
Foto © Jörg Niederer
"Kommt ihr mit auf diesen Weg?" Eine kurze, aus dem Zusammenhang gerissene Aufforderung des neuen Bischofs Stefan Zürcher, ausgesprochen in der Konferenzpredigt vom Sonntag, 18. Juni 2023

Ein Bibelvers - Offenbarung 21,3

"Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: 'Sieh her: Gottes Wohnung ist bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein. Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein.'"

Eine Anregung

Immer wenn eine Person in einer wichtigeren Funktion ein erstes Mal eine neue Aufgabe ausübt, fallen Kommentare wie die folgenden: "Er hat es gut gemacht" oder "Er hat es 'auch' gut gemacht." Sehr beliebt ist die folgende Einschätzung: "Ihm war die Aufregung gar nicht anzuspüren." Verräterisch sind Bemerkungen wie diese: "Es ist halt schon anders, als bei seinem Vorgänger", oder: "Man muss sich halt noch an ihn gewöhnen."

Auch das Beziehungsgeflecht um eine solche neue beauftragte Person ist anders. Die einen sagen: "Ich kenne ihn schon von früher gut, als er Pfarrer bei uns in der Gemeinde war." Wieder für andere ist - und um ihn handelt es sich in unserem Fall - der neue Bischof Stefan Zürcher noch unbekannt: "Ich werde mich schon noch an ihn gewöhnen!"

Dann gibt es die, welche noch so fixiert sind auf den alten Bischof, dass sie immer noch von Patrick Streiff sprechen, auch wenn sie Stefan Zürcher meinen.

Am vergangenen Samstag an der Tagung der Jährlichen Konferenz Schweiz übernahm Bischof Stefan Zürcher die Amtsführung für die letzte von sechs Jährlichen Konferenzen seines Amtsgebiets. Diesmal die JK Schweiz-Frankreich-Nordafrika. Am Sonntag hielt er die Konferenz- und Ordinationspredigt, und einige fragten sich, wieweit die kleinen Änderungen in der gottesdienstlichen Abfolge dem neuen Bischof zuzuschreiben sind oder nicht vielleicht eher dem Organisationsteam. 

Jedenfalls war die Predigt hörenswert, auch wenn in der vordersten Reihe eine junge Frau einen Jungen mit einem Kartenspiel bei Laune zu halten versuchte. Auf Youtube kann der Ordinationsgottesdienst mit der Konferenzpredigt des neuen Bischofs nachträglich miterlebt werden. Und danach könnte der Eindruck darüber in die Aussage münden: "Es war gar nicht so anders als beim Vorgänger von Bischof Stefan Zürcher."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 18. Juni 2023

Bischof Patrick Streiff geht

Ein Zitat

Die methodistische Konferenz nimmt anlässlich seiner Pensionierung Abschied von Bischof Patrick Streiff und seiner Frau Heidi.
Foto © Jörg Niederer
"Es gibt keine Zugabe mehr." Bischof Patrick Streiff zur Jährlichen Konferenz, als die Delegierten ihm zu seinem Dienstende stehend und langanhaltend applaudierten.

Ein Bibelvers - 2. Korinther 13,11

"Schließlich, liebe Brüder und Schwestern: Freut euch! Lasst euch erneuern! Nehmt euch meine Ermahnungen zu Herzen! Seid auf Einigkeit aus und lebt in Frieden miteinander. Dann wird der Gott, der Liebe und Frieden schenkt, mit euch sein."

Eine Anregung

Es waren die wohl emotionalsten Momente an der diesjährigen Jährlichen Konferenz (Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika. Am gestrigen Samstagmorgen wurde Bischof Patrick Streiff nach mehr als 17 Jahren im aktiven Dienst verabschieden. Zwei Jahre später als geplant - Corona lässt grüssen - übergab er die Aufgaben seinem Nachfolger Bischof Stefan Zürcher. 

Dabei wurde Bischof Patrick Streiff und seine Frau Heidi noch einmal ausgiebig und herzlich gefeiert und ihren Einsatz gewürdigt. (Siehe dazu auch den Beitrag auf der Webseite der EMK in der Schweiz.) Es begann gleich nach der Morgenandacht. Die Pfarrpersonen überraschten den Bischof mit einem eigens umgedichteten Lied. Darin heisst es etwa: "Du hast im Bischofsamt dich super ausgekannt; ordiniert und ausgesandt ins ganze Land! Das alles sind auch wir, das alles bist auch du; du bleibst ein Teil von uns, doch lassen wir dich jetzt in Ruh! Patrick wir danken dir!" Weiter wurde dem Paar auch ein Buch überreicht, in dem sich die Schweizer Pfarrpersonen noch einmal in Bild und Wort präsentieren.

Weiter ging es mit den Laiendelegierten der Konferenz, die dem Bischof - nun im Ruhestand - noch einmal alle symbolischen Konferenzgeschenke der letzten 17 oder 18 Tagungen der Jährlichen Konferenz überreichten. Und auch der Vorstand überhäufte Heidi und Patrick noch einmal mit Geschenken. All das ging nicht ohne Tränen ab und zeigte die Dankbarkeit der Methodistinnen und Methodisten für den grossen Dienst.

Zwar leitete Patrick Streiff anschliessend noch einmal die Sitzungen von Connexio Hope und Connexio Develop und wurde auch dort noch einmal gefeiert. Doch anders als an anderen Tagungen war damit seine Arbeit getan. Es eröffneten sich für ihn und Heidi ganz ungewohnte Freiräume. So konnte man die beiden am Nachmittag dann auch schon im Wandertenü bei den Simmenfällen und auf dem Weg zur Karstquelle Siebenbrünnen antreffen.

Noch gibt es jedoch einige Aufgaben für Bischof Patrick Streiff. So werden in den nächsten Tagen weitere Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Bischof Stefan Zürcher übergeben, und mit der Exekutivtagung der Zentralkonferenz steht auch noch einmal eine Geschäftsreise an.

Was bei Patrick und Heidi Streiff bestimmt bleiben wird, steht auch im Lied der Pfarrpersonen: "Du bist mit Christus unterwegs, den Menschen zugewandt. Von Gott bewegt gingst du den Weg, gereist durch manches Land."

In gut zwei Stunden um 10.00 Uhr beginnt heute Sonntag der Konferenzgottesdienst. Er kann auch per Livestream verfolgt werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Samstag, 17. Juni 2023

Dreissig, teils hitzige Sitzungen

Ein Zitat

Mitten in der angespannten Situation der Methodistenkirche in Frankreich ist Cyriane Rohner-Ouvry bereits, sich für den Dienst einer Pfarrerin in der Kirche in Frankreich ordinieren zu lassen.
Foto © Jörg Niederer
"Es hat Zeit gekostet, und manchmal hatten wir das Gefühl, einen Schritt nach vorne und zwei zurück zu machen. Doch genau die Treffen, die diesen Eindruck erweckten, waren oft diejenigen, bei denen wir am weitesten gekommen sind." Marc Berger im seinem Bericht über das Comité Directeur der Methodistenkirche in Frankreich.

Ein Bibelvers - Römer 8,38

"Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft."

Eine Anregung

Am Freitagvormittag hörten die Delegierten der Jährlichen Konferenz (Synode) der methodistischen Kirche an der Lenk Berichte aus der Arbeit in Frankreich.

Marc Berger, Präsident des Comité Directeur, dem französischen Kirchenvorstand, hielt im Bericht fest, dass in Frankreich die grossen Spannungen über die Haltung zur menschlichen Sexualität und dem Umgang mit der Homosexualität es nötig machten, dass sich das Comité Directeur im vergangenen Jahr dreissigmal zu teils hitzigen Sitzungen treffen musste.

Hintergrund sind die grossen Vorbehalte vieler Gemeinden vor einer Öffnung der weltweiten Methodistenkirche beim Umgang mit Homosexualität, und der Abkehr von den Verboten, Homosexuelle zu ordinieren oder gleichgeschlechtlich zu trauen.

Die Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa, zu der die Jährliche Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika gehört, hatte in diesem Frühjahr den Weg für alle Länder der Zentralkonferenz freigemacht, damit diese auch in Zukunft ihre je eigenen Haltung zur Homosexualität vertreten können. Aktuell gibt es dazu noch nicht die Möglichkeit, die Kirchenordnung entsprechend abzuändern. Jedoch wird erwartet, dass die Generalversammlung dies an ihrer nächsten Tagung im Mai 2024 so beschliessen wird.

Noch gilt die Kirchenordnung von 2016, welche die umstrittenen Verbote zur menschlichen Sexualität enthält. Falls diese an der Generalkonferenz gestrichen werden sollten, wäre es für Länder in der Zentralkonferenz immer noch möglich, im lokalen Kontext daran festzuhalten.

Die Jährliche Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika hat mit der "Kaleidoskop" genannten Übereinkunft die Möglichkeit geschaffen, dass in derselben Konferenz verschiedene Ansichten nebeneinander bestehen können und respektiert werden. Doch für viele Gemeinden in Frankreich ist dies keine praktikable Lösung.

Diese Situation führte dazu, dass an der Generalversammlung vom März 2023 in Frankreich der Antrag vorlag, als französische Methodistenkirche die weltweite methodistische Kirche zu verlassen. Eine andere Gruppe schlug eine etwas anderes Vorgehen vor, bei dem die Gemeinden und Pfarrpersonen je für sich entscheiden sollten, ob sie austreten wollten. Beide Anträge erhielten keine nötige 2/3-Mehrheit.

Nun sollen am 1. Oktober alle Gemeinde in Frankreich je für sich darüber abstimmen, ob sie bleiben oder gehen wollen. Auch bei diesen Abstimmungen braucht es eine 2/3-Mehrheit. Entsprechend der Resultate wird dann die nächste Generalversammlung der Kirche in Frankreich das weitere Vorgehen beschliessen. Sowohl verbleibende Gemeinden sollen in diesem Prozess unterstützt werden wie auch die, welche die Kirche verlassen wollen. Aktuell weiss niemand, was an diesem 1. Oktober herauskommen wird. Angesichts der grossen Spannungen bat Marc Berger um das Gebet.

Bischof Patrick Streiff bemerkte, dass es keine Lösung geben wird, die in Frankreich zu einem gemeinsamen Vorgehen führen würde. Es sei zu erwarten, dass es zu einer Abspaltung eines Teils der französischen Methodistengemeinden kommen wird. Das soll in gegenseitigem Respekt erfolgen können.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 16. Juni 2023

Vom Beten und Arbeiten

Ein Zitat

Thomas Matter hält die Morgenandacht an der Tagung Teil Schweiz der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Foto © Jörg Niederer
"Ist das Gebet ein Selbstgespräch - Notabene mit einer kompetenten Person?" Thomas Matter in der Morgenandacht des Konferenzdonnerstags.

Ein Bibelvers - Psalm 31,9

"Du [Gott] hast mir weiten Raum gegeben, wo ich mich frei bewegen kann."

Eine Anregung

Natürlich besteht die Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika wie so viele Hauptversammlungen von Vereinen auch aus Geschäftssitzungen. Rund 150 vollgeschriebene A4-Seiten gab es im Vorfeld für die Delegierten zu lesen, und all das will auch gewürdigt werden. Gestern etwa stellte man die Weichen für eine ökologischere und nachhaltigere Kirche. Auch der Bericht der Distriktsvorsteherin und der Distriktsvorsteher wurde behandelt und darüber ausgetauscht. Die Vereinsrechnung der Distriktstagung Schweiz wurde angenommen. Dabei erfuhr man, dass jeden Monat mehr als eine halbe Million Franken an Löhnen ausgezahlt wird. Andrea Roffler von der Zentralverwaltung liess allen Menschen in den Gemeinden einen herzlichen Dank ausrichten für die Bereitschaft und Verlässlichkeit, mir der diese dafür freiwillige Beträge und Kollekten übers Jahr zusammenlegen.

Doch ein grosser Teil der Konferenz besteht aus gottesdienstlichen Feiern. Immer wieder wird im Verhandlungsverlauf innegehalten und Jesus Christus ins Zentrum gestellt. Den Sonntag eingeschlossen verbringen die Tagungsteilnehmenden der Jährliche Konferenz rund 10 Stunden in Anbetung, bei Gedächtnisfeiern, und mit dem Singen von geistlichen Liedern. Das ist jedes Jahr inspirierend, wovon man sich auch von Zuhause aus ein Bild machen kann, indem man per Internet über Livestream daran teilnimmt (Siehe auch den gestrigen Beitrag).

Impressionen von dieser Tagung gibt es nun auch in Form von Fotografien. Weitere werden hinzukommen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 15. Juni 2023

Die Jährliche Konferenz 2023 der Evangelisch-methodistischen Kirche hat begonnen

Ein Zitat

Die Lobpreisband nimmt die Jährliche Konferenz an der Abendfeier mit in die Anbetung.
Foto © Jörg Niederer
"Da ist Gnade, weiter als der Himmel, / eine Liebe, so beharrlich und konstant." Aus einem Lobpreislied

Ein Bibelvers - Psalm 119,45

"Durch ein weites Land werde ich gehen. Denn ich habe deine Anweisungen gesucht."

Eine Anregung

Gestern Abend begann die Tagung der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika mit viel Raum für sich selbst, miteinander und mit Gott. Das Thema dieser - einer Synode ähnlichen - Versammlung "Räume entdecken – eröffnen – gestalten" wurde so schon einmal programmatisch aufgenommen.

Vorerst sind vor allem die Delegierten aus der Schweiz angekommen, da am heutigen Tag der sogenannte Distrikt Schweiz tagen wird. Am späteren Nachmittag kommen dann auch die Mitwirkenden aus Frankreich und Nordafrika dazu. Einige sind aber auch schon vor Ort und geniessen das schöne Umfeld an der Lenk. 

Besonders in musikalischer Hinsicht war der Eröffnungsabend voller Harmonien. Schon dieser Anlass wurde per Livestream übertragen. Weitere Teile der Konferenz können so auch von Zuhause aus mitverfolgt werden. Heute sind das um 09.30 Uhr der Sitzungsbeginn sowie ab 11.00 Uhr und ab 14.00 Uhr die Sitzungszeiten. Am Einfachsten informiert man sich über das Livestream-Programm auf der entsprechenden Internetseite. Auch auf Youtube werden bestimmt bald erste Clips der aktuellen Tagung zu finden sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 14. Juni 2023

Die gerechten Grünen

Ein Zitat

Hahnenfussblüten im Sonnenlicht
Foto © Jörg Niederer
"Beleb dein Werk, o Herr, / vertreib den Schlaf geschwind; / den glimmend' Docht fach an zur Flamm / durch deines Geistes Wind!" Fanny Jane Crosby (1820-1915)

Ein Bibelvers - Psalm 28,7

"Der Herr ist mein Schutz und mein Schild. Ihm vertraute ich in meinem Herzen – und mir wurde geholfen. Jetzt jubelt mein Herz vor Freude. Mit meinem Lied will ich ihm danken."

Eine Anregung

Meine Mutter hatte ein Repertoire von Liedern, welche sie jeweils bei der Arbeit im Haushalt sang. Eines davon ist von Fanny Jane Crosby (1820-1915). Der Refrain lautet: "Immer fröhlich, immer, immer fröhlich / alle Tage Sonnenschein. / Voller Schönheit ist der Weg des Lebens / fröhlich lasst uns immer sein." (Das englischsprachige Original lautet: "Always Cheerful". Hier kann es in deutscher Sprache angehört werden.)

Erstaunlich an dieser lebensbejahenden Weise und fröhlichen Musik ist, dass die Frau, die es verfasst hat, ab der sechsten Woche ihres Lebens durch eine Fehlbehandlung erblindete, und ihre einzige Tochter schon früh starb. Sie hätte folglich viel Grund gehabt, den eigenen Lebensweg zu beklagen. Doch die Methodistin Fanny Crosby schöpfte aus ihrem Glauben Lebenskraft und schenkte der Welt rund 8500 Erweckungslieder.

Zwei dieser Lieder haben es ins deutschsprachige Gesangbuch der Methodistenkirchen geschafft. Es sind die Lieder 398: "Beleb dein Werk o Herr..." und 564: "Christen, auf zu dem Werk in den Dienste des Herrn..." die den Veränderungen der letzten 150 Jahre getrotzt haben. Mich würde es nicht wundern, wenn wir diese beiden Lieder im Rahmen von gottesdienstlichen Feiern an der Tagung der Jährlichen Konferenz singen werden. Die "Synode" der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika beginnt heute Abend in der Lenk im Berner Oberland und dauert bis kommenden Sonntag.

Zurück zum Lied, das meine Mutter jeweils sang: Darin heisst es in der 4. Strophe: "Aber die Gerechten grünen / und ihr Pfad ist immer licht..." Als kleiner Junge habe ich mich jeweils gefragt, wer denn diese "gerechten Grünen" sind, von denen da meine Mutter sang. Nun verstehen kleine Kinder nicht alles, was Erwachsene so daherreden. Und die politische Bewegung der "Grünen" gab es in meiner Kindheit auch noch nicht. Aber damals verdichtete sich bei mir wohl der Wunsch, einer dieser "gerechten Grünen" zu werden. Wohl weil meine Mutter dieses Lied sang, wurde für mich "Grün" zu einer positiven Farbe und Einstellung, welche unlösbar verbunden ist mit dem Glauben an Jesus Christus. Schon erstaunlich, wie so Missverständnisse im positiven Sinn prägend sein können.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 13. Juni 2023

Von Falken und Tauben

Ein Zitat

Baumfalke beim Jagen über dem Ägelsee bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn das Wasser den Fels bewegt, ist dies wahre Kraft. Wenn der Falke seine Beute schlägt, so ist dies Präzision. Gleiches gilt für den erfolgreichen Krieger." Sunzi chinesischer General und Militärstratege (543-495 v.Chr)

Ein Bibelvers - Hiob 28,7-10

"Kein Raubvogel kennt den Weg dahin, nicht einmal das Auge des Falken hat ihn erspäht. Die stolzesten Tiere haben ihn nicht betreten, nicht einmal der Löwe schritt auf ihm dahin. Allein der Mensch legt Hand ans harte Gestein, gräbt sich tief durch die Berge. Er treibt Stollen hinein in den Fels und entdeckt dabei lauter kostbare Schätze."

Eine Anregung

Plötzlich war er da und versetzte die Rauchschwalben und Mauersegler, die über dem Ägelsee Insekten jagten, in helle Aufregung. Die Rede ist vom Falken.

Den Wanderfalken kennt fast jeder Mensch, weil er als schnellstes Tier der Welt gilt. Sehr oft kann man bei uns den Turmfalken antreffen oder ihn per Livestream sogar im Horst beobachten. Doch der Falke über dem Ägelsee war weder das eine noch das andere, es war ein Baumfalke. Baumfalken sehen im Flug ein bisschen so aus wie übergrosse Mauersegler und bewegt sich in der Luft auch so geschickt wie diese. In der Winterzeit ziehen sie mit ihrer Beute, den Schwalben, nach Afrika. Ihre Beute, das sind auch Ammern, Mauersegler und Finken, aber auch grosse Libellen.

Sehr lange verstand ich die Redensart von den Falken und Tauben nicht. Die Taube, klar, steht für Frieden und Sanftheit. Doch dass ein so zierlicher und schöner Vogel wie der Falke herhalten muss, um in der Politik Kriegstreiber und Hardliner zu bezeichnen, das wollte mir nicht einleuchten.

Dort wo Tiere bemüht werden, um Eigenschaften von Menschen zu beschreiben, wird das den Tieren ja selten gerecht. Da ist jemand mutig wie ein Löwe. Als gäbe es nicht auch feige Löwen. Sind Füchse wirklich listig? Geschickt sind sie, zweifellos. Allegorisch steht der Adler für Gerechtigkeit und zugleich für Hochmut, die Schlange wiederum für die Klugheit, und das Lamm für Sanftmut und Geduld. Dem Falken wird in der Allegorik auch die Völlerei zugewiesen. Ausgerechnet diesem schlanken und agilen Flugkünstler!

Nun sind Falken keine blindwütig agierende Kriegstreiber. Im Rahmen ihrer Bestimmung jagen sie, um sich von der Beute zu ernähren. Dadurch sorgen sie zugleich für eine gesunde Singvogelwelt. Mit Krieg haben sie aber nur in den Köpfen von Menschen etwas zu tun. 

Singvögel reagieren auf die Baumfalken zurecht äusserst vorsichtig und warnen einander. Aber auch von unseren allseits beliebten Hauskatzen müssen sich die Vögel in acht nehmen. Doch niemand käme auf die Idee, Hardliner als Hauskatzen zu bezeichnen. Kriegstreiber sind Kriegstreiber, Falken sind Falken, Katzen sind Katzen. Kriegstreiber sollen aussterben. Falken aber darf es durchaus noch mehr geben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 12. Juni 2023

Sommerliches Aufleuchten

Ein Zitat

Klatschmohn färbt die Wiesen und Felder bei Huzenwil orange und rot.
Foto © Jörg Niederer
"Vergnügungen sind wie Mohnblumen; gepflückt welken sie schnell." Robert Burns (1759 - 1796), schottischer Nationalbarde

Ein Bibelvers - 1. Petrus 1,24+25

"Denn es heißt: 'Alle Menschen sind wie Gras. Und ihre ganze Herrlichkeit ist wie eine Wiesenblume. Das Gras verdorrt und die Blume verwelkt. Aber das Wort des Herrn bleibt für alle Zeit.' Es ist dieses Wort, das euch als Gute Nachricht verkündet worden ist."

Eine Anregung

Aus seinen Blättern wurde rote Tinte hergestellt. Die Ägypter verwendeten ihn als Grabschmuck oder legten ihn zu den Mumien in die Gruft. Bei den Römern wurde ein Gebräu daraus gegen Liebeskummer verabreicht. Die Rede ist vom Klatschmohn. Er bringt Farbe auf die Felder und Wiesen. Wohl weil nach Schlachten, an Orten an denen viele Kriegstote auf den Feldern lagen, Klatschmohn erblühte, brachte man die Blume mit dem Krieg in Verbindung. 

Inspiriert vom Gedicht John McCraes (1872-1918) "In Flanders Fields" (Deutschsprachige Übersetzung) machte die US-amerikanische Moina Belle Michael (1869-1944), Mitarbeiterin im "Christlichen Verein junger Mädchen", die Klatschmohnblüte zu einem Symbol der Unterstützung von Kriegsveteranen und der Erinnerung an die Gefallenen des 1. Weltkriegs. Von Moina Michael gibt es eine Briefmarke aus dem Jahr 1948, welche sie mit dem Klatschmohn zeigt.

Schnell entwickelte sich die Klatschmohn-Blüte - sie wurden früh schon von verwundeten Veteranen als Erwerbsarbeit gefertigt - zu einem internationalen Symbol, das in angelsächsischen Ländern aber auch in Frankreich Verwendung fand. Auch heute wird mit handgefertigten künstlichen Mohnblumen an Kriegsopfer erinnert.

Mit Tod assoziiert wurde der Klatschmohn auch in der christlichen Kunst des Mittelalters. Er stand als Symbol für Leib und Blut Christi. 

In diesen Tagen geniesse ich, dass es am Wegrand immer wieder rot aufleuchtet. Und ich mache mir jeweils bewusst, dass der Klatschmohn, angelehnt an einen Text aus dem 1. Kapitel des 1. Petrusbriefs, auch für Leben und Glück steht.

Das wünsche ich uns allen: Leben und Glück!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 11. Juni 2023

Wider den Tod an den Grenzen

Ein Zitat

Wasser kann Leben und Tod bedeuten.
Foto © Jörg Niederer
"Jeder einzelne der vielen Toten ist ein unverwechselbarer, einmaliger Mensch, von seinen Eltern beweint, von seinen Kindern vermisst, von seinen Lieben geliebt." Annette Kurschus, Schirmherrin von "Beim Namen nennen" in Deutschland

Ein Bibelvers - 2. Mose 3,7+8

"Der Herr sprach: 'Ich habe die Not meines Volks in Ägypten gesehen. Die Klage über ihre Unterdrücker habe ich gehört. Ich weiß, was sie erdulden müssen. Deshalb bin ich herabgekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu befreien. Ich will mein Volk aus diesem Land führen.'"

Eine Anregung

Am 21. März 2021 starb das zweijährige Mädchen Nabody aus Mali an einem Herzstillstand im Spital auf Lanzarote. Zuvor war es 5 Tage lang auf einem Boot von Dhaka (Mauretanien) unterwegs gewesen. Sie war nur eine von vielzuvielen Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben um genau dieses Leben gekommen sind. 

Heute Sonntag denken wir an sie und weiter Unglückliche, die an den Grenzen der Europäischen Union ihr Leben liessen. Der Gottesdienst um 10.15 Uhr in der Methodistenkirche an der Kapellenstrasse 6 in St. Gallen steht ganz im Zeichen der Aktion "Beim Namen nennen" (Siehe Beitrag vom 9. Juni 2023!). Wasser kann Leben bedeuten. Wasser ist das Element der Taufe. Wasser bedeutet aber auch Tod und Untergang. So wie bei Nabody, die den Weg über das Wasser nicht überlebte.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen