Ein Zitat
|
Foto © Jörg Niederer |
"Eines der besten Mittel gegen das Altwerden ist das Dösen am Steuer eines fahrenden Autos." Robert Lembke (1913-1989)
Ein Bibelvers - Jesaja 42,17
"Ganz anders geht es denen, die auf Götzenbilder vertrauen und zu gegossenen Bildern sagen: 'Ihr seid unsere Götter.' Sie müssen klein beigeben und stehen beschämt da."
Eine Anregung
Ich weiss, ich mache mich jetzt bei einigen Menschen unbeliebt, besonders bei Autofahrerinnen und Autofahrern. Aber ich brauche nun einmal diese "Chropfleerete".
Gestern sah ich eine kurze Reportage über die Leute, die sich auf der Strasse festkleben, weil es in Fragen der Klimakrise nicht sinnvoll und schnell genug weiter geht. Wie haben mir diese Leute leid getan bei all der Anfeindung die sie erleben, und wie hat es mir gut getan, dass sie sich so für eine Sache exponieren, die mir sehr am Herzen liegt.
Ich erhoffe mir, dass nebst der Flugscham endlich auch eine Autofahrscham Kreise zieht.
Zunehmend empfinde ich den aktuellen Individual-Strassenverkehr als Körperverletzung. Die Autofahrenden schränken meine Freiheit und mein Bedürfnis auf eine weniger strassenverschandelte Umwelt massiv ein, genauso wie auch mein Ruhebedürfnis. Ununterbrochen brummt vor meinem Bürofenster in Frauenfeld der Strassenverkehr, an einem Ort, an dem es noch keine Staus gibt.
Wenn ich gesunde Menschen sehe, die mit dem Auto ein Brötchen beim Bäcker holen, bekomme ich Herzkrämpfe. Wohlgemerkt, ich habe nichts dagegen, wenn Grossfamilien mit vollem Auto in die Ferien fahren. Auch nichts, wenn Menschen mit Behinderung ein Fahrzeug nutzen. Schon gar nichts habe ich gegen den Berufstransportverkehr (LKWs) auf der letzten Meile. Und auch nichts gegen Frauen und Männer, die sich Autos teilen, oder die in abgelegenen Regionen wohnen und arbeiten und folglich ein Auto brauchen.
Was ich nicht ertrage, sind die geschätzten 40% Autofahrten, die schlicht nicht sein müssten, nicht sein dürften. Den Tagesausflug mit Auto zur Bergbahn. Den Freizeitverkehr, der locker auch mit Bahn und Bus oder (Elektro-)Fahrrad bewältigt werden könnte. Die Kurzstreckenfahrten, die meist allein im Auto zurückgelegt werden. Die Berufspendlerei per Auto in Regionen, in denen man locker auf den öffentlichen Verkehr umsteigen könnte. Ich ertrage es nicht, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren.
Es braucht auch nicht mehr Strassen, im Gegenteil. Generell 30 km/h innerorts ist überfällig. Kurzzeitparkerinnen und -parker vor Einkaufsläden sollte man den Parkpreis für eine ganze Woche einziehen, damit sie endlich ihr Mobilitätsverhalten anpassen an die Dringlichkeit durch die Klimakrise.
Klimaanlagen in Privatfahrzeugen einzubauen sollte verboten werden.
Das allerwenigste Verständnis habe ich für Menschen, welche den Motor ihrer Fahrzeuge im Stillstand laufen lassen. Nicht selten parken sie dann auch noch halb auf den Gehsteigen, und werfen ihre Kippen aus den Fenstern.
Auch brauche ich diese plastifizierten Kreditkarten-Wurfsendungen nicht, in denen der Ankauf von Altautos angeboten wird, und die regelmässig den Weg in und neben meinen Briefkasten finden.
Wie wäre es, wenn auf jedem Neuwagen stehen muss: "Autos besitzen und damit herumfahren gefährdet die Gesundheit und das Überleben der gesamten Menschheit."
Und wenn jetzt jemand "Elektroauto" als Lösung ruft, dann gebe ich zu: Bei diesen Fahrzeugen ist das Problem etwas kleiner. Lärm (durch die Reibung der Autoräder), Flächenverbrauch und Null Veränderung beim Mobilitätsverhalten bleiben, in einer Zeit, in der wir die Alternativenergien nicht zusätzlich für unnötige Autofahrten verbrauchen sollten.
In die Politik und die Vernunft der Mehrheit der Autofahrenden habe ich wenig vertrauen. Also bleibt wohl nur noch das folgende tägliche Stossgebet zu Gott: "Lieber Gott, bitte mach, dass jedes Autos nur dann anspringen, wenn es wirklich auch Sinn macht. Amen."
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen