Ein Zitat
|
Foto © Jörg Niederer |
"Alles übrige Hirtenamt in der Kirche Jesu Christi setzt nicht neben den guten Hirten einen zweiten und dritten, sondern lässt allein Jesus den guten Hirten der Gemeinde sein. Er ist der 'Erzhirte' (1 Petrus 5, 4), es ist sein Hirtenamt, an dem die 'Pastoren' teilnehmen, oder sie verderben das Amt und die Herde." Dietrich Bonhoeffer
Ein Bibelvers - Johannes 10,11
Jesus: "Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte setzt sein Leben ein für die Schafe."
Eine Anregung
Das Bild vom guten Hirten ist eines der eingängigsten der Bibel, und das, obwohl Schafhirtin oder Schafhirte in der Schweiz ein sehr seltener Beruf ist, der meist durch Expads ausgeübt wird, also Fachkräfte aus dem Ausland. Auch die Schäferhunde und die Herdenschutzhunde sind meist fremdländische Errungenschaften. Wenigsten die Schafe sind mehrheitlich einheimische Zuchten.
So kommt es bei Schafherden zu einer Analogie mit der Wirtschaft. Ein einheimischer Wirtschaftszweig wird durch ausländische Chefs geleitet. Der Verdienst mag im Schafbusiness allerdings eher bescheidener ausfallen als bei einer Grossbank oder im Rohstoffhandeln.
Wo verorte ich mich im Bild von der Schäferei? Gehöre ich zu den Tieren, welche die Stimme des Hirten kennen und ihr vertrauen? Als Pfarrer werde ich oft auch in der Rolle eines Hirten (lat. Pastor = Seelenhirt) gedrängt, der sich aufopfernd um seine "Gemeindeschäfchen" kümmert. Da aber Jesus selbst sich nach dem Evangelium des Johannes als der gute Hirte bezeichnet, fällt mir wohl eher die Rolle des Hirtenhundes zu. Solche Hütehunde bei ihrer Arbeit zu beobachten ist überaus faszinierend. Kaum wahrnehmbare Signale des Hirten lassen sie komplexe Aufgaben erledigen. Sie halten die Herde unermüdlich zusammen, sorgen für ein kompaktes und geordnetes Vorangehen, und auf Wunsch nehmen sie sich schon auch einmal einzelner Tiere an. Geht es mit der Herde über eine Strasse, sichern sie den Weg, indem sie so lange dort stehenbleiben, bis auch das letzte Schaf aus der Gefahrenzone ist. Zudem sind sie treu der Hirtin oder dem Hirten ergeben und lieben ihre Arbeit. Müssiggang kennen sie nicht.
Ein Schatten jedoch fällt auf diesen Vergleich zwischen Hirtenhunden und Pfarrpersonen. Als Papst Gregor in den Jahren 1231-1233 den Dominikanerorden beauftragte, die Häresien zu bekämpfen, waren diese als Inquisitoren überaus erfolgreich (wenn man dem so sagen will). Auch stammt das im Mittelalter am weitesten verbreitete antijüdische Werk aus der Feder eines Dominikaners. Diese Verwicklungen in die Verfolgung religiöser Minderheiten brachten den Dominikaner den Titel "Domini canes" ein, "Gottes Hunde". Hinter dieser Verfolgung von Glaubensabtrünnigen steht der Versuch, eine reine christliche Herde zu bewahren oder zu schaffen. Die Abweichler galt es zurückzuholen in den Schoss von Mutter Kirche, was sie oft nicht vor dem Scheiterhaufen bewahrte, wohl aber, nach der Lehre der Kirche, vor der Ewigen Verdammnis.
In dieser Tradition sehe ich mich gar nicht. Mein Ziel ist nicht dir reine Gemeinde. Schwarze Schafe gilt es zu integrieren und nicht auszusondern. Verlorene Schafe verdienen laut Gleichnis von Jesus (Lukas 15) gar eine Vorzugsbehandlung.
Vielleicht bin ich in diesem Bild einer idyllischen Pastorale ein Leithammel. Johann Christoph Adelung schreibt in seinem Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart vom 1811 zum Leithammel: "...in der Landwirthschaft, ein abgerichteter, gemeiniglich mit einer Glocke versehener Hammel, welcher vor der ganzen Herde hergehet, dem Schäfer oder dessen Hunde auf den ersten Wink folget, und dadurch die ganze Herde leitet". Darin finde ich mich als Pfarrer nun auch wieder nicht so recht, vor allem wegen der Glocke um den Hals!
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen