Mittwoch, 31. August 2022

Christliche Werte auf Argentinisch

Ein Zitat

Eine junge, am Bein tätowierte Frau wartet auf die Ankunft der Bahn.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn du fliegen willst, musst du die Sachen loslassen, die dich runterziehen." Toni Morrison (1931-2019), Schriftstellerin

Ein Bibelvers - 3. Mose 19,18

"Du sollst dich nicht rächen und deinen Brüdern und Schwestern nichts nachtragen. Stattdessen sollst du deinen Mitmenschen lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr."

Ein Anregung

Was sind christliche Werte, und wie kann man sie Kindern vermitteln? Ein Team aus der Methodistenkirche in Argentinien hat dazu vier Animationsfilme geschaffen. Das Besondere daran: Sie kommen ohne Gesprochenes aus und sind so auch ausserhalb der lateinischen Welt einsetzbar.

Ein Beitrag thematisiert die Fürsorge für die Schöpfung, ein zweiter das Verhältnis zwischen Jung und Alt, ein drittes Filmchen beschreibt, wie man in echten Kontakt mit anderen Menschen kommt, und zuletzt geht es noch um die Selbstannahme

Es sind Filmchen, die sich an Kinder ab etwa 4-6 Jahre wenden. Aber sie regen auch Erwachsene an, über Werte nachzudenken. Ich habe sie mit grosser Freude und Gewinn angeschaut. Hoffentlich findet die Serie ein Fortsetzung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Dienstag, 30. August 2022

Die Rückeroberung

Ein Zitat

Eine Mauereidechse in einer Wohnüberbauung in Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
"Der heutige Mensch ist der Natur gefährlicher geworden, als sie ihm jemals war." Hans Jonas, Philosoph (1993-1993)

Ein Bibelvers - 1. Mose 1,24+25

"Gott sprach: 'Die Erde soll Lebewesen aller Art hervorbringen: Vieh, Kriechtiere und wilde Tiere!' Und so geschah es. Gott machte die wilden Tiere und das Vieh und alle Kriechtiere auf dem Boden. Er machte sie alle nach ihrer eigenen Art. Und Gott sah, dass es gut war."

Ein Anregung

Ich mag Reptilien. Mir gefiel es, dass in Indonesien die Geckos überall in den Häusern zu finden waren. Meinen Bruder habe ich beneidet, weil in seinem Garten in Olten Eidechsen leben.

Auf dem Weg zum und vom Bahnhof Frauenfeld beobachte ich seit einiger Zeit eine zunehmende Population von Mauereidechsen. Anfänglich waren sie nur an einer Stelle beim Bahndamm zu finden. Dann entdeckte ich sie an immer mehr Orten, seit etwa einem Jahr auch bei einem Schulhaus und den Einfamilienhäusern unweit davon. Jüngst lief mir das fotografierte Tierchen vor dem Eingang zu einer Wohnüberbauung über den Weg. Und seit gestern wissen wir von mindestens einer Mauereidechse, die es auf unsern Balkon im dritten Stock eines Wohnblock geschafft hat.

Die Natur kehrt zurück, erobert sich Schritt für Schritt die Zivilisation zurück. Das gilt natürlich nicht generell und für alle Tiere. Im Gegenteil: In der Schweiz steht es nicht gut um die Biodiversität. In den uns umgebenden Ländern wird mehr getan für die Artenvielfalt und den Schutz von Naturlandschaften.

Wir Menschen werden nur eine Zukunft haben, wenn wir die Natur sorgsam behandeln. Warum wohl fanden sich in der Arche des Noahs eine Vielzahl von Tieren und nur wenige Menschen? Wahrscheinlich, weil ohne diese Vielfalt an Leben auch die Familie Noah nicht überlebt hätten. Oder wie siehst du das?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 29. August 2022

Kultureller Reichtum

Ein Zitat

Ein junges Paar in serbischer Tracht bietet am Essenstand des Kulturenfests in Weinfelden Getränke an.
Foto © Jörg Niederer
"Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie dir an." Kurt Tucholsky (1890-1935)

Ein Bibelvers - Lukas 14,23

"Da sagte der Herr zu ihm: 'Geh hinaus aus der Stadt auf die Landstraßen und an die Zäune. Dränge die Leute dort herzukommen, damit mein Haus voll wird!'"

Ein Anregung

In kaum einen anderen Bereich findet kulturelle Vielfalt eine so positive Resonanz wie beim Essen. Das zeigte sich gestern Sonntag auch wieder am ausgezeichnet besuchten Kulturenfest in Weinfelden. Vor den Essensständen bildeten sich teils lange Schlangen. Die ganze Welt war auf dem Marktplatz zusammen und ass an einem Tisch. Darbietungen aus verschiedenen Ländern bereicherten das Programm. Der kulturelle Reichtum tat gut, führte zusammen und erweiterte gleichzeitig den Horizont. Für mich war es auch eine Begegnung mit typischem Essen, das ich bei kirchlichen Tagungen zum Beispiel in Serbien oder Ungarn aufgetischt erhielt. 

Essen hat schon immer Menschen in ihrer Vielfalt zusammengeführt, weit über den eigenen Tellerrand hinaus. Ich halte das für ein Geschenk des Himmels.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Sonntag, 28. August 2022

Einander Gutes tun

Ein Zitat

Ein Katze an einem sonnenbeschienenen Platz auf einer Steinmauer geniesst Streicheleinheiten.
Foto © Jörg Niederer
"Nicht alle Engel haben Flügel, manche haben Schnurrhaare." Herkunft unbekannt

Ein Bibelvers - Psalm 16,11

"[Gott,] du zeigst mir den Weg zum Leben. Große Freude finde ich in deiner Gegenwart und Glück an deiner Seite für immer."

Ein Anregung

Auf der Steinmauer geniesst die Katze die wärmenden Sonnenstrahlen und das Kraulen einer Passantin. Und wohl auch die Passantin geniesst das Vertrauen des Büsis, die Vibrationen seines Schnurrens.

Der Sonntag ist so ein Tag voller Streicheleinheiten. Er ist wie ein Sonnenstrahl in der Schattenzeit. Wie Wärme in kalten Augenblicken. Wie ein sanftes Streicheln zwischen all den Schicksalsschlägen. 

Der Sonntag, das ist der Tag, an dem wir einander zuerst und vor allem Gutes tun können. Damit die Sonne aufgeht. Damit es warm wird in unseren Herzen. Damit die sanfte Gegenwart Gottes sich in Vibrationen des Glück manifestiert.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Samstag, 27. August 2022

Ascheblume

Ein Zitat

Der angekohlte Baumstumpf hat seine ganz eigene Ästhetik.
Foto © Jörg Niederer
"Der beste Weihrauch kommt von alten Bäumen." Redensart aus Deutschland

Ein Bibelvers - Jesaja 61,2c+3

"Ich soll alle Trauernden trösten und den Klagenden in Zion Freude bringen. Dann tragen sie einen Kopfschmuck, statt sich Asche aufs Haupt zu streuen. Sie salben sich mit duftenden Ölen, statt Trauergewänder anzulegen. Wo Verzweiflung herrschte, erklingen Loblieder. Dann nennt man sie 'Eichen der Gerechtigkeit', 'Garten des Herrn, der seine Herrlichkeit zeigt'."

Ein Anregung

Ist es Verwitterung oder war es ein Feuer, das den Baumstupf in ein Kunstwerk verwandelte? Die Jahrringe sind zu sehen, unterbrochen von radialen Rissen. Das Zentrum des Baumstumpfs gleicht einer fünfblättrigen Blüte. Die Ascheblume hebt sich ab vom Zerfall, und ist Zerfall.

Die Vergänglichkeit hat ihre Ästhetik. Die Narben loben Gott genauso wie die feinste Säuglingshaut. Die Gesichtsfalten des Alters erzählen Geschichten. Das Leid zeichnet Spuren, aber auch die Freude. Wer kann am Ende schon Lachfalten von Sorgenfalten unterscheiden? Wer Tränen der Freude von Tränen des Leids?

Die Ascheblume richtet sich, wie einst der Baum, dem Himmel entgegen. Immer dem Himmel entgegen möchte ich leben und vergehen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 26. August 2022

Der Turmfalke und die Wachsamkeit

Ein Zitat

Ein Turmfalke jagt im Rüttelflug am Pfäffikersee
Foto © Jörg Niederer
"Ständig diese Hoffnung, dass ein Falke auf meiner Hand landet, wenn ich den Backofenhandschuh anziehe."

Ein Bibelvers – Hiob 39,26

"Geschieht es durch deine Einsicht, dass der Falke sich in die Lüfte erhebt? Liegt’s an dir, dass er seine Flügel ausbreitet und sich vom Südwind davontragen lässt?"

Ein Anregung

Es ist die häufigste Falkenart in der Schweiz. Der Turmfalke oder Rüttelfalke, wie man ihm auch sagt, weil er mit den Flügeln rüttelnd in der Luft "stillstehen" kann. Dem Raubvogel gelingt es dabei, den Kopf ganz ruhig zu halten und jede Bewegung auszugleichen. Das hilft ihm bei der Jagd auf kleine Vögel, Echsen, Mäuse und Käfer. 

Einmal wurde ich Zeuge, wie ein Falke ein vorbeiziehendes Vögelchen aus der Luft griff. Und immer, wenn ich in der Bahn von Frauenfeld nach Weinfelden unterwegs bin, fliegen Turmfalken vom herannahenden Zug aufgescheucht von den Stromleitungen auf und davon.

Ob es sich bei den in der Bibel erwähnten Raubvögeln und Falken handelt, ist unsicher. Für den wichtigsten Gott der alten Ägypter, für Horus, stand dann wohl auch eher der Wanderfalke Pate. Dieser wurde schon von den Assyrern zur Jagd auf Krähen abgerichtet. Die Pharaonen Ägyptens verstanden sich als Inkarnation des Horus ("Lebender Horus") und verwendeten den Falken in ihrem Königstitel. 

Da die Wurzeln der Israeliten eng verbunden sind mit Ägypten – man denke an Mose und die Pharaonentochter – war ihnen die Verehrung des Horusfalken als Hauptgott der Ägypter gut bekannt. Hier könnte der Grund liegen, dass Falken bei den Juden als unreine Tiere gelten, die man nicht essen darf. In Ägypten soll sogar die Todesstrafe auf das (zufällige) Töten eines Falken gestanden haben.

Im Mittelalter wurde der Falke mit der Wachsamkeit in Verbindung gebracht und allegorisch umgedeutet als christliche Wachsamkeit vor den Versuchungen der Sünde. Heute stehen Falken für eine unberechenbare Gefährlichkeit. Wenn jemand zu den Falken und nicht zu den Tauben gehört, dann geht es diesem Menschen nicht um den Frieden, dann muss man vor dieser Person auf der Hut sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 25. August 2022

Nahrungsmittelüberfluss oder Food Waste?

Ein Zitat

Abgeerntetes Gemüse bei Iznang, Deutschland auf der Hörihalbinsel
Foto © Jörg Niederer
"Food Waste ist eine Begleiterscheinung von Wohlstand. Nur wer Hunger nicht kennt, wirft Lebensmittel weg. In unserem Essen steckt viel Arbeit und Energie. Wir sollten ihm deshalb alle mehr Sorge tragen." Jacques Bourgeois, Ehemaliger Direktor des Schweizerischen Bauernverband

Ein Bibelvers - 2. Mose 16,15c+16

Mose über das Manna: "Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt. Der Herr hat geboten: Sammelt davon so viel, wie jeder zu essen braucht. Einen Krug pro Kopf sollt ihr holen, jeder so viel wie Personen zu seinem Zelt gehören."

Ein Anregung

Herbst ist Erntezeit. Nach dem trockenen Frühjahr und Sommer sind schon viele Felder abgeerntet. Bei den Trauben und dem Getreide rechnet man mit 30% weniger Ertrag. Die Essiggurkenbauern dagegen haben das Problem, dass die Gurken zu schnell wachsen. Über Nacht sind sie zu gross und passen nicht mehr in die Einmachgläser. Vielleicht sind auch die Zucchettis auf dem Foto zu schnell gewachsen. Bei der Ernte wurden sie auf dem Feld zurückgelassen, und werden wohl bald mit den zu unförmigen Tomaten und Peperoni untergepflügt. 

In den Läden gibt es Normgemüse, auf den Feldern Food Waste. Ich habe gelesen, dass Im Schnitt jedes dritte Lebensmittel zwischen Feld und Teller verloren geht oder verschwendet wird. 

Wir leisten uns einen Nahrungsmittelüberfluss. Das ist auch jetzt nicht anders, wo das Klima die Lebensbedingungen stark beeinflusst. Bleibt nun der Dank im Hals stecken oder als unverkäufliches Gemüse auf dem Feld liegen?

Wenn in der Bibel aufgezeigt werden soll, wie gut Gott für uns sorgt, dann zeichnen die dortigen Geschichten ein Bild des Überflusses. Da wird ein Land beschworen, in dem "Milch und Honig" (3. Mose 20,24) fliessen. Das "Brot der Wüste" das Manna (2. Mose 16), ist jeden Tag neu in ausreichender Menge vorhanden. Die wunderbare Brotvermehrung, die mit fünf Broten und zwei Fischen begann, endete damit, dass alle 5000 Männer und ihre Familien satt wurden und immer noch 12 Körbe voller Essen übrigblieben (Markus 6,30-44). Und in Epheser 1,7c+8 heisst es: "So reich ist seine [Gottes] Gnade. Er gewährt sie uns über jedes Maß hinaus und schenkt uns alle Weisheit und Einsicht."

Nicht der Überfluss ist das Problem. Das Problem ist, dass es noch immer Menschen gibt, die nicht genug haben, während andere im Überfluss leben. Dabei ist in Gottes Schöpfung alles darauf ausgelegt, dass sie uns genug, ja mehr als genug zum Leben wachsen und werden lässt.

Es ist so: Zum Erntedank gehört zwingend das Teilen, bis jeder Mensch Grund zur Dankbarkeit hat.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 24. August 2022

Schweizer Wasserbauer und polnischer Staatspräsident

Ein Zitat

Der Gübsensee ist ein Werk des Wasserbauers Gabriel Narutowicz
Foto © Jörg Niederer
"Ein Ingenieur ist wie Gott." Gabriel Narutowicz

Ein Bibelvers - 2. Korinther 5,19

"Ja, in Christus war Gott selbst am Werk, um die Welt mit sich zu versöhnen. Er hat den Menschen ihre Verfehlungen nicht angerechnet. Und uns hat er sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt."

Ein Anregung

Der erste Staatspräsident der 2. Polnischen Republik war ein Schweizer. Besonders lange bekleidete er dieses Amt nicht. Fünf Tag nach seinem Amtsantritt fiel Gabriel Narutowicz (1865-1922) einem politischen Attentat zum Opfer. 

In der Schweiz bekannt ist der aus dem heutigen Litauen stammende Narutowicz als Wasserbauingenieur. Er liess sich 1896 in der Gemeinde Untereggen einbürgern. Damals war er Sektionsingenieur des Kantons St. Gallen. Als Angestellter und Teilhaber im Ingenieursbüro von Louis Kürsteiner arbeitete er auch am Kraftwerksbau Kubel, und ist so mitverantwortlich für die Stauung des Gübsensees im westlichen Teil der Stadt St. Gallen, notabene mit der ersten Gewichtsstaumauer der Schweiz. Als herausragenstes Werk Narutowicz' gilt das von ihm konstruierte Aarekraftwerk Mühleberg. 

Für seine Hilfe bei der Flucht von Polinnen und Polen aus dem russischen Machtbereich wurde er per Haftbefehl von den russischen Behörden gesucht.

Politisch suchte er einen Weg der Versöhnung zwischen den heillos zerstrittenen politischen Lagern in der 2. Polnischen Republik. Das wurde ihm letztlich zum Verhängnis. Auf dem Weg zu einer Kunstausstellung in Warschau ermordete ihn der fanatisch rechtsorientierten Kunstmaler Eligiusz Niewiadomski. 

Sich für Versöhnung einzusetzen ist gefährlich. Und doch ist Versöhnung der beste Weg aus Gewalt und Hass. Auch wenn Gabriel Narutowicz als "Ingenieur der Versöhnung" weniger erfolgreich war denn als Wasserbauer, so war sein Dienst am friedlichen Ausgleich wohl doch wesentlicher als all seine preisgekrönten Wasserbauwerke. Denn nichts ist notwendiger und christlicher, als eine Ingenieurin/ein Ingenieur der Versöhnung zu sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 23. August 2022

Höchste Zeit für die Schöpfung

Ein Zitat

Abgestorbene Fichten im Loch bei Thundorf
Foto © Jörg Niederer
Eine weltanschauliche Ursache der Umweltkrise ist... "ein Naturverständnis, das den Menschen in falscher Weise in den Mittelpunkt stellt, die Natur bloß als Objekt betrachtet, menschliche Fähigkeiten zur Erhaltung natürlichen Lebens überschätzt und den Eigenwert der Natur nicht wahrnimmt" Aus dem Dokument "Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung" der Evangelischen Kirchen in Deutschland

Ein Bibelvers - Jesaja 35,6b+7

"In der Wüste brechen Quellen auf, und Bäche bewässern die Steppe. Der glühende Sand wird zu einem Teich, in der Dürre sprudeln frische Wasserquellen. Wo einst die Schakale hausten, wachsen Gras, Schilf und Papyrus."

Ein Anregung

Am 1. September beginnt die SchöpfungsZeit 2022 und dauert bis zum Tag des Heiligen Franziskus am 4. Oktober. In St. Gallen wir diese fünfwöchige Zeit der Besinnung auf Gottes Schöpfung mit einem ökumenischen Auftaktanlass im Botanischen Garten eingeleitet.

Dass es angesichts des Klimawandels eilt bei der Schöpfungsbewahrung, gibt der SchöpfungsZeit das Motto: "Höchste Zeit für die Schöpfung". Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht wieder mehr Baumskelette im Wald und stellt fest, dass die Kastanienbäume noch früher welken. Die Trockenheit in diesem Jahr ist alarmierend, das Fischsterben war noch nie so massiv.

Am Auftaktanlass zur SchöpfungsZeit im Botanischen Garten informieren Fachleute darüber, wie es mit den Bäumen in der Stadt steht, und welche Pflanzen im Kampf gegen den Klimawandel beitragen können, aber auch warum die schwindende Biodiversität die negativen Folgen des Klimawandels zusätzlich befördern.

Der Anlass, der von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen beider Appenzell und St. Gallen durchgeführt wird, endet mit einer Segensfeier und anschliessendem Apéro. Es lohnt sich, an diesem Abend ab 18.00 Uhr sich bewusst den ökologischen Herausforderungen zu stellen, auf die unsere Gesellschaft zutreibt. Weitere Informationen gibt es hier.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 22. August 2022

Der Miniatur-Hirschkäfer

Ein Zitat

Ein vom heftigen Regen geretteter Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus) bei Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Der wahre Preis einer Sache ist die Mühe und Plage, ihn zu erarbeiten." Adam Smith (1723-1790) Moralphilosoph und Ökonom

Ein Bibelvers - Römer 12,6a

"Wir haben verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade geschenkt hat:"

Ein Anregung

Nach den gestrigen Kartoffelkäfern folgt heute eine weitere sechsbeinige Begegnung, die ich am meinem Geburtstag machen durfte. Anders als der Kartoffelkäfer ist der Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus) ein Nützling und zudem geschützt. Meine Frau rettete das fotografierte männliche Tierchen vor dem Ertrinken auf einem Fahrradweg. Das war mit einem gewissen Risiko verbunden, kann doch dieser Käfer mit seinen beweglichen Kieferzangen auch menschliche Haut recht schmerzhaft durchbeissen. Zum Glück sind die etwa 2-3 cm grossen Tierchen eher friedlicher Natur.

Der Balkenschröter ist in Europa die häufigste Hirschkäferart. Er ist etwas weniger anspruchsvoll als der echte Hirschkäfer, der nur in Eichenwälder lebt. Der Balkenschröter besiedelt auch Totholz von Buchen und Obstbäumen. Damit sich seine Larven von diesem Holz ernähren können, muss es erst von Pilzen befallen sein und von diesen in Käfernahrung verwandelt werden. Dann machen sich die Larven  der Balkenschröter über das Totholz her und zersetzen, ja schroten es in kurzer Zeit. Auf diese Weise wird es weiter aufbereitet für die nun folgende Arbeit der Mikroorganismen am Abbauprozess des Holzes. Das Ergebnis sind dem Wald- oder Obstgartenboden zugeführte wertvolle Nährstoffen.

Balkenschröter stecken also mittendrin in einem Prozess, den Pilze beginnen und Mikroorganismen beenden. Im übertragenen Sinn ist das auch bei der Mission der Kirche von Bedeutung. Die heute Glaubenden stehen mittendrin in einer Aufgabe, die vor vielen hundert Jahren andere begonnen haben. Wieder andere werden dann, wenn die Zeit erfüllt ist, an der Vollendung beteiligt sein. Was wir heute sehen und woran wir heute mitwirken, ist Teil einer viel grösseren Geschichte des Glaubens.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 21. August 2022

Hübscher Käfer und biologische Waffe

Ein Zitat

Kartoffelkäfer auf einer Kartoffel neben einem abgeernteten Feld bei Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
"Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer, acht’ auf den Kartoffelkäfer!" Slogan des deutschen Kartoffelkäfer-Abwehrdienstes von 1935

Ein Bibelvers - Matthäus 28,20b

Jesus: "Seid gewiss: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt."

Ein Anregung

Darf ich vorstellen: Eine biologische Waffe, und hübsch ist sie erst noch: Erdäpfelkäfer an einer zurückgelassenen Kartoffel bei einem abgeernteten Feld. 1943 wurden testweise von der deutschen Wehrmacht gezüchtete Kartoffelkäfer bei Speyer über der Pfalz abgeworfen. Man wollte sehen, ob sie sich dazu eignen, die Nahrungsgrundlage der Feinde zu zerstören.

Der Kartoffelkäfer stammt aus Zentralmexiko. Eingeschleppt wurde er in Europa ab 1877 und breitete sich schnell in etlichen Ländern aus. In der Schweiz gibt es ihn seit 1937, und das, obwohl er in Deutschland und Frankreich schon mehrere Jahre grosse Schäden angerichtet hatte. Wie früher der Maikäfer wurde der Kartoffelkäfer bekämpft, indem ganze Schulklassen zum Einsammeln eingesetzt wurden. Heute gibt es auch im ökologischen Landbau zugelassene Insektizide gegen den Kartoffelkäfer. Und noch immer ist das Einsammeln ein bewährtes und funktionierendes, wenn auch mühsames Unterfangen. 

Der Kartoffelkäfer hat sich also unwiderstehlich auf der ganzen Welt ausgebreitet. Genauso wie der christliche Glaube. Es gibt heute kaum einen Ort, an dem nicht Christinnen und Christen Gottesdienst feiern. Die eine Erfolgsgeschichte des Käfers begann in Mexiko, die andere Erfolgsgeschichte in Jerusalem. Wenn ich in Zukunft Kartoffelkäfer sehe, denke ich auch Christus und wie er heute überall auf der Welt in den Herzen der Menschen zu Hause ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 20. August 2022

Tauben in der Waschstrasse

Ein Zitat

Tauben waschen sich im Lämmlerbrunner beim Hauptbahnhof St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Wasser ist die beste Arznei." Slawisches Sprichwort

Ein Bibelvers - Johannes 5,4

"Denn von Zeit zu Zeit stieg ein Engel zum Becken herab und brachte das Wasser in Bewegung. Wer dann als Erster in das bewegte Wasser stieg, der wurde gesund – ganz gleich, welche Krankheit er hatte."

Ein Anregung

Gestern im strömenden Regen waren die vom Wasser überfliessenden Falten im Lämmlerbrunnen verwaist. Für die Tauben kam da wohl mehr als genug Nass in Form von Regen über sie. Doch in den trockenen, sonnigen Tagen war der Brunnen heiss begehrt. Die Tiere standen an wie Autos an einer Waschstrasse, und genossen sichtlich die Abkühlung von der Hitze und die Reinigung vom Staub.

Wasser, besonders Trinkwasser, ist ein kostbares Gut, auch wenn es gelegentlich im Überfluss vorhanden zu sein scheint. Heutzutage ist der Regen weit entfernt davon, trinkbar zu sein. In den Regentropfen sind viele chemische und giftige Stoffe gelöst, und erst der filternde Weg durch Gestein und Boden schafft eine Qualität, die wir unbedenklich geniessen können. Doch auch das gilt nicht für jede Quelle.

Zur Zeit der Römer sollte das Wasser möglichst kalkarm sein. So wurde weiches Wasser von weither über Wasserleitungen in die Städte und auf die Gutshöfe geleitet. Dummerweise verwendeten Ingenieure damals für die Wasserführung auch Rohre aus hochgiftigem Blei.

Reines, sauberes Wasser in unreinen Gefässen, das ist etwa so wie wenn erlesene Speisen auf schmutzigen Tellern serviert werden. Es braucht zum sauberen Wasser auch eine saubere Wasserfassung und Wasserführung. Und übertragen heisst das: Ein äusserlich gepflegter Mensch kann innerlich voller Morast und Frust sein. Gut, wenn beides zusammenpasst, der äussere und der innere Mensch.

Die Tauben jedenfalls, sie wissen das reinigende Wasser zu schätzen. Wenn es nicht gerade in Strömen regnet.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 19. August 2022

Bücher des Lebens

Ein Zitat

Ausschnitt aus dem Gebetsverbrüderungsbuch der Klöster Reichenau und St. Gallen aus dem Jahr 824. Zu Besichtigen bei der Kirche Sankt Peter und Paul auf der Insel Reichenau.
Foto © Jörg Niederer
"Das Gebetsverbrüderungsbuch, auch liber vitae [Buch des Lebens] genannt, lag meist während der Messe auf dem Altar." Ausstellungstext zum Gebetsverbrüderungsbuch in der Kirche St. Peter und Paul auf der Insel Reichenau

Ein Bibelvers - Matthäus 26,41

Jesus: "Bleibt wach und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht! Der Geist ist willig, aber die menschliche Natur ist schwach."

Ein Anregung

Bei der Kirche Sankt Peter und Paul auf der Insel Reichenau findet sich in einer kleinen Ausstellung auch das Gebetsverbrüderungsbuch der Klöstern Reichenau und St. Gallen. Die darin enthaltenen ersten Aufzeichnungen fallen in das Jahr 824. Initiiert wurde diese Gebetsverbrüderung wohl von Abt Waldo von der Reichenau. Auf St. Galler Seite stand damals Abt Werdo. 

In Listen wurden die Mönche beider Klöster erfasst, sowohl die Lebenden wie die Verstorbenen. Damit konnte für deren Seelenheil klosterübergreifend gebetet werden. Später dann tauchen auch die Namen von Wohltätern und Angehörigen des karolingischen Könighauses auf. Zentral war das Totengedenken, bei dem für die Verstorbenen gebetet wurde. Erfunden wurde diese vertragliche Art der Gebetsgemeinschaft zwischen konföderierten Klöstern im fränkisch-karolingischen Umfeld. Sie entstand in einer Zeit, als politische Spannungen das Leben der Menschen bedrohte. Konfrontiert mit Krieg wurde das Zusammenrücken und das Gebet füreinander und für die eigenen Verstorbenen wichtiger.

Die Gebetsverbrüderung brachte wohl auch wirtschaftliche Vorteile und war ein Argument, sich einem bestimmten Kloster anzuschliessen, weil dort mehr Brüder im Gebet hinter dem einzelnen Mönch standen, und zwar noch lange nach dessen Tod.

Moderne Formen von solchen Gebetsbünden und Gebetsstrukturen sind der Weltgebetstag der Frauen, oder auch die Allianzgebetswoche. Zugleich war ein Gebetsverbrüderungsbuch auch eine Art Kirchenbuch und Mitgliederliste.

Letztlich zeugen diese Verbrüderungsbücher davon, wie zentral das Gebet im Christentum ist. Der Fürbitte wurde und wird eine grosse Wirkung zugetraut, bis hin zur Erwirkung des Seelenheils von Menschen. Nicht verwunderlich, wurden diese Listen auch "Buch des Lebens" genannt.

Welche Bedeutung hat das Gebet in deinem Leben?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 18. August 2022

Pilatus auf dem Pilatus

Ein Zitat

Der Pilatus vom Zugerberg aus gesehen.
Foto © Jörg Niederer
"Hat der Pilatus einen Hut, dann wird das Wetter gut; trägt er aber einen Degen, so gibt es sicher Regen." Bauernregel

Ein Bibelvers - Matthäus 27,24

"Pilatus merkte, dass seine Versuche nichts bewirkten. Der Tumult wurde sogar immer noch größer. Da ließ er sich Wasser bringen und wusch sich vor der Volksmenge die Hände. Er sagte: 'Mich trifft keine Schuld an seinem Tod. Das ist eure Sache.'"

Ein Anregung

Vom Zugerberg aus sieht man eindrücklich zum Pilatus, dem Berg über Luzern und Vierwaldstättersee. 

Dass der Berg Pilatus heisst, dafür gibt es sprachwissenschaftliche Erklärungen, aber auch eine Sage. Gemäss dieser Sage ist der Stadthalter Pilatus, der die Hinrichtung von Jesus befahl, auf dem Berg Pilatus im Pilatussee beigesetzt. Jeweils an Karfreitag darf er das Gewässer verlassen und umherwandern. Aktuell hockt der alte Römer meist auf dem Trockenen, ist doch dieser See weitgehend verlandet. Hier kann diese Sage aus dem Mittelalter nachgelesen werden.

Die sprachwissenschaftliche Erklärung lokalisiert den Ursprung des Namens im lateinischen Wort "pilleus"; das heisst "Filzkappe". Da sich am Berg Pilatus immer wieder Wolken bilden, die für anhaltende Niederschläge sorgen, passt die Bezeichnung "pilleus" gut. Im Volksmund wurde daraus dann Pilatus. Das geschah so um 1475. Zuvor hiess der Berg "mons fractus" (Gebrochener Berg).

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 17. August 2022

Dem Wetter getrotzt

Ein Zitat

Detail an einem einfachen freistehenden Kreuz aus Tannenholz auf dem Zugerberg.
Foto © Jörg Niederer
"Dort auf Golgatha stand einst ein alt rauhes Kreuz, stets ein Sinnbild von Leiden und Weh..." George Bennard (1873-1958)

Ein Bibelvers - Hebräer 12,2

"Dabei wollen wir den Blick auf Jesus richten. Er ist uns im Glauben vorausgegangen und wird ihn auch zur Vollendung führen. Er hat das Kreuz auf sich genommen und der Schande keine Beachtung geschenkt."

Ein Anregung

Die einfachen Kreuze aus Tannenholz stehen an exponierten Stellen auf der Hochfläche des Zugerbergs. Auffällig ist, in wie kurzer Zeit – gerade einmal 30 Jahre – Wind und Wetter dem Holz des Kreuzes zugesetzt haben. Auf dem Bild ist der rechte Abschluss des Querbalkens zu sehen: Ein "alt raues Kreuz"

Dieses Kirchenlied kam mir dabei in den Sinn. Gedichtet wurde es in den USA vom in der Methodist Episcopal Church ordinierten Pfarrer George Bennard (1873-1958). Nach seiner Heirat war der Liederdichter auch viel in der Heilsarmee tätig. 

Der 1913 entstandene Song "The Old Rugged Cross" ist Bennards bekanntestes Werk und wurde unzählige Male von verschiedensten Interpretinnen und Interpreten gesungen. Besonders in der Countryszene ist es beliebt. Hier ein Beispiel von Chet Atkins aus dem Jahr 1962. Auf Deutsch gesungen schlage ich eine Version der Familie Binefeld vor. Wie einst bei der Uraufführung des Gospelsongs in der First Methodist Episcopal Church von Pokagon, Michigan singen sie das Lied als Quintett.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde 

Dienstag, 16. August 2022

Silberdistel

Ein Zitat

Die Grosse Eberwurz oder Silberdistel wächst auch auf dem Zugerberg.
Foto © Jörg Niederer
"Ohne dich, wo käme Kraft und Mut mir her? / Ohne dich, wer nähme meine Bürde, wer? / Ohne dich zergehen würde mir im Nu / Glauben, Hoffen, Lieben: Alles, Herr, bist du." Adolf Krummacher (1824-1884)

Ein Bibelvers - Psalm 148,1-3

"Halleluja. Vom Himmel her – lobt den Herrn: Lobt ihn in himmlischen Höhen! Lobt ihn, alle seine Engel! Lobt ihn, alle seine Heere! Lobt ihn, Sonne und Mond! Lobt ihn, alle funkelnden Sterne!"

Ein Anregung

Irgendeinmal auf einer Schulreise im Jura bin ich meiner ersten Silberdistel begegnet. In diesem Jahr sahen wir die in vielen Kantonen der Schweiz geschützte "Grosse Eberwurz" zum ersten Mal auf dem Zugerberg. Wie so oft schien es, als wüchse die Blüte direkt auf dem Boden, geschützt von einer Rosette aus stachligen Blättern. 40 cm hoch kann die Pflanze werden. Doch ihre Pfahlwurzel dringt bis zu einem Meter tief in den Erdboden hinab. Es ist also eine tiefgründende Blume.

Die Silberdistel wird auch Wetterdistel genannt, weil sich bei aufkommender Luftfeuchtigkeit die abgestorbenen Hüllblätter nach oben und innen neigen und so die Röhrenblüten vor möglichem Regen schützen. Bei meiner nächsten Begegnung mit der Silberdistel werde ich mich also tief beugen, und die Blüte einige Male anhauchen. Das soll bereits die Aufrichtbewegung auslösen bei dieser wetterfühligen Pflanze.

Tiefgründig, sensibel für Wetter- bzw. Stimmungsumschwünge, ein leuchtend silberner Stern: Tief verwurzelt wie die Silberdistel möchte ich in Gottes Geborgenheit gründen. Wie die Silberdistel aufs Wetter kann Gott mich auf die guten und schlechten Zeiten vorbereiten und mich dabei schützen. Alles, was es braucht, ist auf diesen "Stern" zu schauen. So wie es im Liedtext von Adolf Krummacher aus dem Jahr 1857 heisst: "Stern, auf den ich schaue, / Fels, auf dem ich steh, / Führer, dem ich traue, Stab, an dem ich geh, / Brot, von dem ich lebe, Quell, an dem ich ruh, / Ziel, das ich erstrebe: Alles, Herr, bist du."

Hier kann man sich dieses alte Kirchenlied interpretiert von den "Lehmann Schwestern" anhören.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 15. August 2022

Verborgener Schmutz und maximale Reinheit

Ein Zitat

Bei der Handwäsche der Wanderkleider wird das Wasser ziemlich schmutzig.
Foto © Jörg Niederer
"Selig, wer ohne Persilschein auskommt."

Ein Bibelvers - Jesaja 1,18

"'Kommt, lasst uns miteinander vor Gericht ziehen', spricht der Herr. 'Auch wenn eure Sünden scharlachrot sind, können sie weiß werden wie Schnee. Und wenn sie purpurrot sind, können sie weiß werden wie Wolle.'"

Ein Anregung

Jedes Mal bei der Handwäsche meiner Wanderkleider wird das Wasser richtig schmutzig. Es kommt gar nicht darauf an, wie intensiv ich die Kleider genutzt habe, auch nicht, ob ich saubere oder schmutzige Wege gegangen bin. Die Verfärbung des Wassers beweist es: Die Wäsche war schmutzig.

Oder fügen etwa die Waschmittelhersteller ihren Produkten etwas bei, das automatisch das Waschwasser schmutzig erscheinen lässt? Bei Gelegenheit werde ich das einmal mit einem wirklich sauberen, frisch gewaschenen Kleid testen. Aber nicht bevor die aktuelle Trockenheit vorüber ist.

Noch etwas wird mir bei einer Handwäsche bewusst: Was ich als sauber erachte, kann immer noch stark verschmutzt sein. Darum wirbt die Waschmittelwerbung auch mit Slogans wie: "Porentief rein" oder "Reiner als rein". Also sauberer, als ein Mensch es erkennen kann.

Auch die Bibel kennt solche Sauberkeits-Superlativen (Siehe oben!). Sie tauchen in Zusammenhang mit der Sünde auf. Von Sünde spricht die Bibel, wenn ein Mensch meint, er oder sie könne ohne Gott gut leben. Von dieser irrigen Ansicht kann Gottes "Waschkraft" jeden Menschen reinwaschen. Mir gefällt das sehr gut.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 14. August 2022

Momente der Dankbarkeit

Ein Zitat

Auf dem Zugerberg geniesst ein Paar im Schatten des Kreuzes die Aussicht auf die Rigi.
Foto © Jörg Niederer
"Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind." Francis Bacon (1561-1626)

Ein Bibelvers - Psalm 103,2

"Lobe den Herrn, meine Seele! Und vergiss nicht das Gute, das er für dich getan hat!"

Ein Anregung

Ein einfaches Holzkreuz, darunter ein Paar auf einem Bänkchen. Verträumt schauen sie zur Rigi, dem schweizerischsten aller Schweizer Berge. Da kommen einige Klischees zusammen.

Heute am Sonntag macht es aber Sinn, sich in den Schatten des Kreuzes zu setzten, um der Dankbarkeit Raum zu geben für all die Schönheit und Sicherheit in diesem kleinen, gebirgigen Land. 

Entstanden ist das Foto auf dem Zugerberg. Wo ist dein Ort, an dem du heute Gott danken möchtest für alles Gute, dass er dir getan hat?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 13. August 2022

Anhängliches Hexenkraut

Ein Zitat

Fruchtkörper des Grossen Hexenkrauts haben kleine Widerhaken.
Foto © Jörg Niederer
"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert." Werner Kroll (1914-1982), Kabarettist

Ein Bibelvers - Matthäus 6,24

"Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."

Ein Anregung

Die Widerhäkchen an den 2 Millimeter grossen Samenkapseln sah ich erst zuhause, als ich die Fotos sichtete. Es handelt sich um die Früchte des Grossen Hexenkraut. Eine Pflanze, die früher weniger als Heil- den als Zauberpflanze bekannt war. Mithilfe der frischen Blüten wollten Frauen auf Männer anziehender wirken. Auch wurde das Kraut als Gegenzauber eingesetzt. Heute wächst das Grosse Hexenkraut überall. Früher muss das noch anders gewesen sein, fand man es doch damals nur in entlegenen Waldgegenden. Eine Faustregel besagte, dass wenn man das Hexenkraut finde, man sich wohl verirrt habe.

Viel ist nicht daran am Zauberruf der Pflanze. Aber zumindest hat die üble Nachrede ihrer Ausbreitung nicht geschadet. Anhänglich sind vor allem die Samen der Pflanze. Sie lassen sich von vorbeistreifenden Menschen und Tieren an weit entfernte Orte transportieren. Dass dies eine erfolgreiche Strategie ist, zeigt sich daran, dass das Grosse Hexenkraut von Nordafrika bis Sibirien vorkommt.

Anhänglichkeit taucht in der Bibel verschiedentlich auf. Ganz in Ordnung ist es, wenn ein Mann seiner Frau anhängt, und dafür Vater und Mutter verlässt (1. Mose 2,24). Mindesten zweimal taucht die Anhänglichkeit im Zusammenhang mit Geld und Reichtum auf. Sowohl der Psalmbeter (Psalm 62,11) wie auch Jesus warnen davor, sich an den Wohlstand zu hängen statt an Gott (Matthäus 6,24). Auch soll man sich nicht an Dämonen und böse Geister hängen (1. Timotheus 4,1). In Josua 22,5 wird dem Volk Israel empfohlen: "Nur achtet genau darauf, das Gebot und das Gesetz zu tun, das Mose, der Knecht des HERRN, euch befohlen hat; den HERRN, euren Gott, zu lieben und auf allen seinen Wegen zu wandeln und seine Gebote zu halten und ihm anzuhängen und ihm zu dienen mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele!" 

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 12. August 2022

Federleichte Liebesbotin

Ein Zitat

Weisse Vogelfeder mit einem dunklen Fleck in Herzform
Foto © Jörg Niederer
"Unterwegs: / den Augenblick geniessen, /ganz da sein, wo ich gerade bin / In mich hineinhorchen / Meine Umgebung wahrnehmen / Im Fluss des Lebens gehen."

Ein Bibelvers - Prediger 4,9+10

"Zwei sind besser dran als einer allein! Denn zu zweit geht die Arbeit leichter von der Hand. Und wenn einer von beiden hinfällt, hilft ihm der andere wieder auf die Beine."

Ein Anregung

Just gestern, als sich unsere kirchliche Trauung zum 38. Mal jährte, findet meine Frau auf einer kleinen Jubiläumswanderung eine weisse Feder, geschmückt mit einem schwarzen kleinen Herzchen. Sozusagen eine federleichte Liebesbotin.

An diesem Tag bewegten wir uns auf dem Seeblick-Bänkliweg in Rorschach/Rorschacherberg. Das ist kein lockerer Spaziergang; es geht gut 450 Meter teilweise steil hinauf und wieder runter, und das über eine Distanz von 9 Kilometern. Schön, dass es da immer wieder diese Bänkchen gibt. Die einen wippen und schaukeln; es gibt zwei Strandhäuschen, wie sie an der Ostsee zu finden sind; auf manchen Bänkchen kann man bequem liegen; andere fordern das Gleichgewicht. Und natürlich könnte man da und dort auch grillieren, wenn es denn wegen der Trockenheit nicht verboten wäre.

Ein Weg also wie eine Ehe. Auch da geht es rauf und runter, es gibt mühsame und leichte Wegabschnitte, und immer wieder einmal findet sich ein Platz, an dem ein Paar auf einem Bänkli zusammenrückt, Zeit hat zum Sinnieren, auf Vergangenes zu schauen, aber auch auf das, was wohl noch kommen könnte.

Auf dem Bänkliweg schweift der Blick meist weit über den Bodensee. Ein schöner Ausblick. So wünsche ich mir die weitere gemeinsame Zeit mit der Frau an meiner Seite. Ich bin guten Mutes.

An der einen oder andern Stelle kreuzt der Seeblick-Bänkliweg den Bildstöckliweg. An einem Ort findet sich auf der beschreibenden Tafel zu einem Bildstock das Zitat ganz zu Beginn des Blogbeitrags. Ein passendes Wort für ein weiteres Ehejahr, aber auch ein anregendes Wort für alle, die allein unterwegs sind.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 11. August 2022

Sorghum - das Brot aus der Dürre

Ein Zitat

Sorghum wird auch in Frauenfeld angebaut.
Foto © Jörg Niederer
"Eine harte Hand züchtet dürre Pflanzen." Armenisches Sprichwort

Ein Bibelvers - Johannes 6,35

"Jesus entgegnete: 'Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.'"

Ein Anregung

Sorghum wurde einst südlich der Sahara domestiziert aus wilden Süssgräsern. Äthiopien gilt als Ursprungsland der heute landwirtschaftlich bedeutendsten Sorte. Immer noch ist Sorghum das wichtigste Getreide in Afrika. Etwa ab 2000 v. Chr. ist diese Hirseart auch in Indien nachgewiesen. In Ägypten wurde sie in frühislamischer Zeit bedeutsam. 

Erstaunlicher Weise ist aber nicht ein afrikanisches Land Spitzenreiter bei der Produktion, sondern die USA mit 9,5 Mio. Tonnen, gefolgt von Nigeria (6,4 Mio. Tonnen), Äthiopien (5 Mio. Tonnen) sowie Indien und Mexiko (je 4,7 Mio. Tonnen). 

Die Pflanze ist wärme- und lichtliebend. Sie hält Trockenheit gut aus. Wen wundert es, dass das Sorghum auf dem Hof von Anita und Christoph Friedinger in Frauenfeld auch ohne Pestizide und trotz Trockenheit frisch und gesund aussieht.

Sorghum ist eine angemessene Antwort auf das veränderte Klima. Das beweist die Kulturpflanze schon seit vielen tausend Jahren in heissen und trockenen Gebieten. Es ist, als hätte da jemand vor langer Zeit vorgesorgt. Mitten im dürren Land wächst Brot heran. Brot des Lebens.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 10. August 2022

Entweder... oder?

Ein Zitat

Haubentaucherfamilie schwimmen im Hafenbereich von Gaienhofen.
Foto © Jörg Niederer
"Deshalb entscheidet sich die Generation Z am liebsten dafür, alle Möglichkeiten zu haben: Kreisverkehr statt Sackgasse." Jugendforscher Simon Schnetzer in einem Interview

Ein Bibelvers - Matthäus 5,37

Jesus: "Sagt einfach 'Ja', wenn ihr 'Ja' meint, und 'Nein', wenn ihr 'Nein' meint. Jedes weitere Wort kommt vom Bösen."

Ein Anregung

Der Haubentaucherfamilie im Untersee bei Gaienhofen ist es ziemlich egal, woher das Wasser kommt, in dem sie lebt. Hauptsache, sie findet Futter und Lebensraum. Und so kümmert es sie auch gar nicht, dass der Untersee an dieser Stelle einen beachtlichen Anteil Donauwasser enthält. Denn die Donau kann sich nicht entscheiden, wo sie hin will: ins Schwarze Meer oder doch lieber in die Nordsee? Warum also nicht in beide Richtungen!

Schon länger weiss man, das ein Teil des Donauwassers via Donauversickerung bei Immendingen DE, Achtopf bei Ach DE und Hegauer Aach auf der Radolfzeller Seite der Halbinsel Höri in den Untersee fliesst.

Der Achtopf ist die ergiebigste Quelle Deutschlands. Die Hegauer Aach trägt so je nach Jahreszeit 1'300 bis 24'000 Liter Donauwasser pro Sekunde in den Untersee. Wenn dann noch die Wasserströmung in diesem Seeteil beachtet wird, landet wohl doch recht viel Donauwasser bei Gaienhofen im Hafen, dort, wo die Haubentaucherfamilie nach Futter sucht.

Die Donau ist kein denkendes Wesen, und entscheidet sich folglich nicht, wohin sie fliessen will. Wir Meschen dagegen müssen uns immer wieder zwischen "Entweder... oder" und "sowohl... als auch" entscheiden.

Sich nicht entscheiden "können", das ist eine Sache, die ein heutiger Teil der Gesellschaft auszeichnet, nämlich die Generation Y (geboren zwischen 1980 und 1990). Sich nicht entscheiden "wollen" und alle Möglichkeiten behalten, das zeichnet die Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) aus. Beide Gruppen könnte man also auch als "Generation Donau" zusammenfassen.

Nun gibt es Worte von Jesus, die zu klaren Entscheidungen auffordern. Der reiche junge Mann wäre ein guter Vertreter dieser "Generation Donau". Er möchte Jesus nachfolgen und gleichzeitig seinen Besitzstand waren, was laut Jesus eben nicht geht (siehe Lukas 18,18-27!), oder dann allerhöchstens durch ein besonderes Handeln Gottes.

Wie müsste Kirche aussehen für den reichen Jungen Mann oder die Generation Donau? Darüber denke ich heute ein bisschen nach.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 9. August 2022

Schilderwald im Tannenforst

Ein Zitat

Schilderwald am Wanderweg vom Pfänder hinab nach Bregenz und Lochau.
Foto © Jörg Niederer
"Ein Puddingleben ist nicht leicht / weil's meisten nur zum Schwabbeln reicht" Diana Sicher-Fritsch, Expertin für leichtes Leben

Ein Bibelvers - Prediger 1,5

"Die Sonne geht auf und geht unter. Und jedes Mal drängt sie an ihren Ausgangsort zurück, wo sie wieder aufgehen wird."

Ein Anregung

Es ist schon ein lustiger Schilderwald, da wo uns die Österreichische Bundesforste AG "Herzlich willkommen!" heisst, und zugleich dieser Ort als "Privat" ausgewiesen wird und das Betreten verboten ist. Sollte dann doch jemand versuchen, diesen Ort zu begehen, dann, so steht auf einer dritten Tafel, geschieht dies auf eigene Gefahr. 

Vielleicht haben diese drei Schilder aber gar nichts miteinander zu tun. Verwirrlich sind die Anweisungen trotzdem. Am Besten suche jede und jeder sich eine der Anweisungen nach Lust und Laune aus. 

Oder ist dies ein österreichisches Ding mit solch unlogischem Zusammentreffen? Denn heute ist mir noch etwas weiteres Kurioses untergekommen. Wenn ich im Hotel, in dem wir gerade die Ferien geniessen, mit dem Lift in das 4. Untergeschoss fahre, dann lande ich ein halbes Stockwerk höher, als wenn ich im 3. Untergeschoss aussteige.

Ich finde, es sind gerade diese "Überraschungen", die das Leben immer wieder neu leicht und faszinierend machen? Wie langweilig wäre es doch, wenn auf Knopfdruck immer das Erwartete geschieht. Und ist nicht auch Gottes Zuwendung zu uns Menschen so etwas Überraschendes, Unerwartetes?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde