Ein Zitat
"Wie Jesus durch Maria das Menschliche lernt, so lernt Maria durch ihren Sohn das Göttliche... Wir werden, was wir schauen." Peter DyckhoffFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Lukas 22,50+51
"Und einer von ihnen schlug nach einem der Männer, die dem Hohepriester unterstanden. Er hieb ihm das rechte Ohr ab. Aber Jesus sagte: 'Hört auf damit!' Er berührte das Ohr und heilte den Mann."
Eine Anregung
Ikonen werden geschrieben, nicht einfach so hingemalt. Das gilt auch für die Kopie der "Panagia Tricherusa", der Gottesmutter mit den drei Händen von Hedi Fussenegger, die im Verlauf eines Ikonen-Malkurses in St. Gallen entstanden ist. Das Original befindet sich heute im serbisch-orthodoxen Kloster Hilandar auf dem Berg Athos in Griechenland. Es ist eine der wichtigsten serbisch-orthodoxen Ikonen.
Ursprünglich war die dritte Hand eine Votivgabe. Sie ist unten links auf dem originalen Heiligenbild befestigt.
Der Legende nach zugeschrieben wurde die Ikone und die dritte Hand dem heiligen Johannes von Damaskus (650-754). In der Folge des Bilderstreit soll ihm als Verteidiger der Ikonen von einem Kalifen oder bilderfeindlichen (ikonoklastischen) Kaiser die rechte Hand abgehackt worden sein. Bei der Meditation vor dem Ikonenbild der Gottesmutter sei sie ihm wieder nachgewachsen. Auf dieses Geschehen verweist die dritte Hand auf der Ikone.
Interessant finde ich auch eine weitere Legende zur Panagia Tricherusa. Im Kloster Hilandar soll die Ikone auf wundersame Weise immer wieder von ihrem Platz auf dem Altar auf den Stuhl des Abts gewandert sein, bis sie von den Mönchen als Abt anerkannt wurde. Noch heute gibt es in diesem Kloster keinen (anderen) Abt.
Auch ein anderer Heiliger wird mit drei Händen dargestellt: Der heilige Kasimir (1458-1484), dessen Reliquien im Dom von Vilnius zu finden sind. Die eine seiner zwei rechten Hände wollte der Künstler einst übermalen. Doch sie sei immer wieder von neuem sichtbar geworden, und konnte auch in der Folge nicht überdeckt werden. Heute steht seine dritte Hand symbolisch für die Grossherzigkeit des gerechten Heiligen.
Ich habe mich auch wieder an ein Mural des Streetart-Künstler "Dome" erinnert, das ich fast jeden Tag beim Überqueren des Frauenfelder Bahnhofsplatzes betrachten kann (Siehe Beitrag vom 11. August 2023!). Dort stellt der Künstler ein doppeltes Mädchen mit überzähligem Arm dar. Vielleicht ist dieser dritte Arm nicht nur eine Anspielung auf durch künstliche Intelligenz erzeugte überzählige Elemente auf gefälschten Bildern, sondern auch eine Hinweis auf die "Panagia Tricherusa", die dreihändige Muttergottes. So gesehen hätte der Künstler mit seinem Mural der Frauenfelder Bevölkerung ein eigenwillig interpretiertes religiöses Fresko untergejubelt, in einer Zeit, in der Christliches immer mehr aus dem öffentlichen Raum verschwindet.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen