Freitag, 31. Dezember 2021

Wohin geht es?

Ein Zitat

Jemand hat ein Fahrradwegweiser in die Murg bei Frauenfeld gestellt.
Foto © Jörg Niederer
"Niemand kann zurückgehen und einen neuen Anfang machen. Aber jeder kann jetzt anfangen und ein neues Ende machen." Carl Bard

Ein Bibelvers -Jesaja 40,8

"Ja, das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt für alle Zeit."

Ein Anregung

Silvester. Der letzte Tag im Jahr. Es geht weiter mit einer neuen Jahrzahl. Wohin geht es? Folgen wir sicheren Wegen? Holen wir uns nasse Füsse? Irrlichtern wir durch die Zeit? Widerstehen wir der Strömung? Lassen wir uns mitreissen - und wovon? 

Noch eine Frage: Warum stelle wir uns solche Fragen an Silvester und nicht an anderen Tagen des Jahres?

Eines ist schon jetzt sicher: Am 22.2.22, einem Dienstag, werden die Standesämter viel Arbeit haben. Das wäre dann auch ein Tag, an dem man sich die oben gestellten Fragen stellen könne. Doch vorerst kommt einmal der 1.1.22. Ein schönes Datum. Aber auch der 22.11.22 ist nicht zu verachten.

Und in einem Jahr haben wir wieder Silvester, und fragen uns, warum wir uns fragen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 30. Dezember 2021

Das Ende einer Rauhnacht

Ein Zitat

Morgenrot über der Ostschweiz (aus dem fahrenden Zug fotografiert)
Foto © Jörg Niederer
"Jegliche Arbeit in den Rauhnächten ist verboten, sonst fällt der Wolf in die Herde und das Vieh gedeiht nicht" Bauernregel

Ein Bibelvers - 1. Samuel 28,6+7

"Saul befragte deswegen den Herrn. Aber der Herr antwortete ihm nicht, weder durch einen Traum noch durch das Los noch durch das Wort eines Propheten. Da sagte Saul zu seinen Knechten: 'Gibt es hier in der Nähe eine Frau, die Tote aus einer Grube heraufbeschwören kann? Ich will zu ihr hingehen und sie befragen!'"

Ein Anregung

Der Himmel glüht, als würden Wälder brennen. Ein Fahrradwegweiser trotz in Frauenfeld den Fluten der Murg. Es ist Morgen nach einer weiteren Rauhnacht. 

Woran liegt es, dass es mir vorkommt, als wären die Rauhnächte plötzlich in allen Medien. Bisher sind mir diese Nächte vom 25. Dezember bis 6. Januar nicht besonders aufgefallen. Doch in diesem Jahr stolperte ich gleich mehrfach über diesen Begriff. Liegt es daran, dass alle einander abschreiben? Oder spielt mir mein Unterbewusstsein oder die Vergesslichkeit einen Streich. Jedenfalls befinden wir uns aktuell in den sogenannten Rauhnächten. 

Es seien zwölf heilige Nächte, gefeiert schon in vorchristlicher Zeit. An Silvester beginnt die Wilde Jagd, in der die Toten und Geister Zugang zur Welt der Lebenden bekommen. Um ihr Wirken zu beenden, gibt es überall im Alpenraum Vertreibungstraditionen. Dass es 12 Nächte sind, ergibt sich aufgrund der Differenz zwischen Mondjahr (354 Tage) und Sonnenjahr (365 Tage). Diese elf Tage und 12 Nächte dazwischen seien aus der Zeit gefallen, also besonders und geheimnisvoll. In den eingeschneiten Tälern des Alpenraums gab es in dieser Periode des Jahresübergangs wohl kaum etwas zu tun. Und so hatte man Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen über den Lauf der Dinge. Kein Wunder, waren es Nächte der schauderhaften Geschichten, der lähmenden Ängste und der Fragen nach dem Sinn des Lebens. Zudem sollen die Rauhnächte und deren Wetter je für das Klima eines kommenden Monats stehen. Hier kann es nachgelesen werden.

Vielleicht ist von den Rauhnächten deshalb plötzlich überall zu lesen, weil wir in Zeiten von Corona wieder stärker auf der Suche nach einem jenseitigen Halt sind. Dabei orientiere ich mich ganz gerne an einem für mich Altbekannten: an Jesus Christus.

Was möchtest du im Übergang zum neuen Jahr definitiv vertreiben und hinter dir zurücklassen (einmal abgesehen von diesem Virus, von dem wohl alle definitiv genug haben)? Und welche Träume sollen dir im neuen Jahr in Erfüllung gehen?

Übrigens: Noch zum eingangs zitierten Bauernspruch. Damit wäre wohl klar, dass nicht der Wolf an Viehrissen schuld ist, sondern alle Gierigen, die nicht genug bekommen vom der Erwerbsarbeit.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 29. Dezember 2021

Haben religiöse Reden keine kulturelle Bedeutung?

Ein Zitat

Brigitte Kemmann, die Schöpferin des St. Galler Kulturstadtplans
Foto © Jörg Niederer
"Predigten könnten bestimmt besser sein, wenn nicht so viele gehalten würden." Arthur Michael Ramsey (1904-1988), englischer Theologe und Erzbischof

Ein Bibelvers - Jakobus 1,19

"Denkt daran, meine lieben Brüder und Schwestern: Jeder Mensch soll schnell bereit sein zuzuhören. Aber er soll sich Zeit lassen, bevor er selbst etwas sagt oder gar in Zorn gerät."

Ein Anregung

Offensichtlich gehören Buchhandlungen zu den Kulturinstitutionen. Das jedenfalls geht aus dem St. Galler Kulturstadtplan hervor. Hinter dem Werk steht die Kulturförderin Brigitte Kemmann. Sie hat in akribischer Arbeit alle ihr bekannten Kulturinstitutionen zusammengetragen. 184 einzelne Einträge zeugen von reichen kulturellen Aktivitäten in der Gallusstadt.

Buchhandlungen gehören also zur Kultur einer Stadt. Wie ist das mit den Kirchen? Können religiöse Zentren und Ausdrucksformen zur Kultur gezählt werden? Bei der Durchsicht des Kulturstadtplans ergibt sich ein indifferentes Bild. So wird der Stiftsbezirk und die Kathedrale klar der Kultur zugeschlagen. Das gilt auch für die Diözesane Kirchenmusikschule, die DomMusik St.Gallen, die Musik im Centrum (in der Stadtkirche St. Laurenzen). Auch die Cityseelsorge der Katholischen Kirche ist Kultur, genauso wie die Kirche St. Mangen, der WirkRaumKirche mit der offenen Kirche und die Kirche Linsebühl. Dasselbe gilt auch für diverse christliche Chöre, speziell den Kirchenchor Cäcilia St. Georgen und den Oratorienchor St. Gallen.

Interreligiöse Angebote finde ich dagegen in der Stadt mit der Interreligiösen Dialog- und Aktionswoche gar nicht. Auch wird offensichtlich eine gewisse Häufung von kulturellen Einzelaktionen verlangt, damit eine Kirche als Kulturinstitution gezählt wird. Geistliche Reden, Predigten, wie sie jeden Sonntag wohl beinahe in jeder Kirche und Kapelle der Stadt zu hören sind, werden nicht der Kultur zugerechnet. Auch wenn mir angesichts dieser Erkenntnis ein Stich durchs Predigerherz geht - ein bisschen kann ich es verstehen. Der Kulturkalender würde bei einer Auflistung aller Sprachkunst von der Kanzel doch etwas sehr religionslastig.

Jedenfalls hat Brigitte Kemmann eine hervorragende Arbeit geleistet. Der St. Galler Kulturstadtplan lädt ein, die Stadt auch von dieser Seite noch besser kennenzulernen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 28. Dezember 2021

Geburtsbilder aus Bethlehems Stall

Ein Zitat

Kunstvolle Weihnachtskrippe
Foto © Jörg Niederer
"Die Ware Weihnacht ist nicht die wahre Weihnacht." Kurt Marti

Ein Bibelvers - Matthäus 1,21

"Sie [Maria] wird einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du [Josef] den Namen Jesus geben. Denn er wird sein Volk retten: Er befreit es von aller Schuld."

Ein Anregung

Die Weihnachtszeit dauert ja bekanntlich bis zum 6. Januar. Und so schadet es nicht, auch jetzt noch Weihnachtskrippen zu betrachten. Die abgebildete stand vor drei Jahren in einer Auslage in der Altstadt von St. Gallen. Mir gefällt, wie auf kleinstem Raum die Krippenszene knallig bunt und kunstvoll dargestellt wird.

Das Portal der Reformierten grüsst mit weiteren Fotos von historisch bedeutsamen Weihnachtskrippendarstellungen. Angefangen bei der ältesten Darstellung der Heiligen Familie auf einem Sarkophag des 4. Jahrhunderts bis zu einer fotografischen Umsetzung der gebärenden Maria geht diese Serie von 10 Kunstwerken. Faszinierend vielgestaltig ist die "gute alte Mär" von den Künstlerinnen und Künstler umgesetzt. Über jedes Bild lässt sich meditieren. Einige kurze Erläuterungen helfen auf die richtige Spur.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 27. Dezember 2021

Haarige Streitereien und eine bleibende Friedensbotschaft

Ein Zitat

Eine Hirtin wacht über ihre Schafe
Foto © Jörg Niederer
"Solange es Haare gibt, liegen sich Menschen in denselben." Heinz Erhardt (1909-1979 Komiker)

Ein Bibelvers - Lukas 2,8

"In der Gegend von Betlehem waren Hirten draußen auf den Feldern. Sie hielten in der Nacht Wache bei ihrer Herde."

Ein Anregung

Zurecht haben schon fast 5000 Menschen das Krippenspiel der Schülerinnen und Schüler der Berufsfachschule für Pflege am methodistischen Diakoniewerk Martha-Maria in Nürnberg gesehen. Das Krippenspiel konnte zum zweiten Mal nicht vor Zuschauerinnen und Zuschauern aufgeführt werden. So entstand dieser Film der  Weihnachtsgeschichte. Auch nach dem Feiern ist er ein inspirierendes Schauspiel mit einer zentralen Botschaft.

Besonders gut gelungen sind die Streitszenen, die an die Konflikte rund um das Coronavirus erinnern. Im Film vor kommt auch der Grenzzaun, wie er an vielen Orten auf dieser Welt zu finden ist. Der Mix zwischen jahrhundertealter Friedensbotschaft und zeitgemässer Sprache und Szenerie - auch Elektroroller kommen zum Einsatz - erzeugt eine faszinierende Stimmung. Gänsehautgefühl auch beim Eintreffen der Hirten am Ort der Geburt Jesu.

Darüber hinaus freuen sich einige bestimmt auch an den Waliser Schwarznasenschafen, vierbeinige Schauspielerinnen, die im Abspann des Filmes namentlich erwähnt sind.

Das Krippenspiel, verfasst von Christiane Westphal, muss man - so finde ich - gesehen haben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 26. Dezember 2021

Gott kommt uns Menschen wie ein liebender Vater oder eine gute Mutter entgegen

Ein Zitat

Mitten im Weihnachtsmarkt St. Gallen bewegen sich Menschen aufeinander zu
Foto © Jörg Niederer
"Vielleicht gibt es in der ganzen Bibel keinen Satz, der das Geheimnis von Weihnachten besser zusammenfasst als diesen: „Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn." Klaus Douglass

Ein Bibelvers - Lukas 2,22

"Die Zeit ihrer Reinigung war vorbei, so wie sie im Gesetz des Mose festgelegt ist. Da gingen Maria und Josef mit Jesus nach Jerusalem. Sie wollten das Kind im Tempel zum Herrn bringen."

Ein Anregung

Gott kommt in Jesus Christus uns Menschen entgegen. Er sucht uns auf, wird Mensch unter Menschen. Das feiern wir in diesen Tagen. In der wohl bekanntesten Geschichte, die Jesus einst erzählte, ist es ein Vater, der seinen beiden Söhnen entgegen geht. beide sind ihm wichtig. So wichtig, dass er nicht nur wartet, sondern sich selbst auf den Weg macht.

Davon erfährt man mehr in den weihnachtlichen Gedanken, die zu einer Reihe von "24x - Weihnachten neu erleben" gehören. Es ist ein Auszug aus einer Predigt von Klaus Douglass. Diese Predigt, von Pfarrer Jörg Niederer vorgetragen, kann um 10.30 Uhr per Youtube angehört werden. Wer vor Ort dabei sein möchte: Der Gottesdienst beginnt um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6 in St. Gallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 25. Dezember 2021

Der wahre Geist von Weihnachten

Ein Zitat

Christbaum in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
Weihnachten offenbart - was dir fehlt - was du suchst - wem du bist.

Ein Bibelvers - Lukas 2,13+14

"Plötzlich war der Engel umgeben vom ganzen himmlischen Heer der Engel. Die lobten Gott und riefen: 'Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe! Sein Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet!'"

Ein Anregung

Mein Facebook-Freund Richard ist ein Texaner, wie er im Buch steht, mit all dem, was wir an Amerikanern so lieben, und dennoch ein herzensguter Mensch. Er ist schon ein älteres Kaliber, und gehört zu den Menschen, die den 2. Weltkrieg als Kind erlebt haben. Solche Menschen neigen dazu, Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen. Die Geschichte, die ich heute von ihm gelesen habe, ist es wert, hier wiedergegeben zu werden.

Damals war Richard 5 Jahre alt. Mit seinen zwei älteren Schwestern freute er sich 1946 wie jedes Kind auf Weihnachten. Es zeichneten sich eine Feier ab, an der die Kinder Geschenke bekommen sollten, welche nicht nach Nützlichkeitserwägungen gekauft worden waren. Also keine Strümpfe, Unterwäsche und Halstücher. Schon lagen die Päckchen unter dem Weihnachtsbaum. Doch bevor sie ausgepackt werden konnten besuchte die Familie den Mitternachts-Gottesdienst.

Zurück von der Feier waren alle Geschenkspakete weg, auch die, welche in der Putzkammer für später versteckt worden waren. Ein Dieb hatte sie alle geklaut. Ihr könnt euch die Endtäuschung der Kinder vorstellen. Sie wussten genau, dass die Eltern nicht einfach neue Geschenke aus dem Sack zaubern konnten.

Als sie aber am anderen Morgen erwachten und ins Wohnzimmer traten, was sahen sie da? Unter dem Baum lagen neue Geschenke für sie bereit. Die Eltern hatten alle ihre Freunde und Bekannten über das Unglück informiert und angefragt, ob diese nicht eines der Geschenke für deren Kinder entbehren könnten. Und diese Freunde fassten sich, obwohl sie selbst nicht viel hatten in diesen Nachkriegsjahren, ein Herz, und gaben nicht von ihrem Überfluss, sondern von den mühsam erworbenen Geschenken für die eigenen Lieben. Richard schreibt: "Seit diesem Erleben danke ich für diese 'Heiligen' an jedem Weihnachtsfest. Sie haben den wahren Geist von Weihnachten verstanden."

Ich wünsche euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 24. Dezember 2021

Spaziergang durch die Weihnachtsstadt

Ein Zitat

Dom St. Gallen mit Christbaum
Foto © Jörg Niederer
"Nach Hause kommen, das ist es, was das Kind von Bethlehem allen schenken will, die weinen, wachen und wandern auf dieser Erde." Friedrich von Bodelschwingh

Ein Bibelvers - Lukas 2,4+5

"Auch Josef ging von der Stadt Nazaret in Galiläa nach Judäa. Sein Ziel war die Stadt Betlehem, aus der David kam. Denn er stammte von David ab. In Betlehem wollte er sich eintragen lassen zusammen mit Maria, seiner Verlobten."

Ein Anregung

Da ist beim Betreten der kirchlichen Räume der Duft nach Lebkuchen (es lag auch schon einmal tagelang der Geruch nach Sauerkraut in der Luft). In der Kirche der Christbaum mit den Kerzen und glänzenden Kugeln. Kurze Zeit später in der Stadt dreht sich am Weihnachtsmarkt das Kinderkarussell. Das Friedenslicht wird verteilt, daneben steht das Einsatzfahrzeug der Polizei. Sterne spiegeln sich in dessen glänzendem Metall. Das Treiben der Menschen wird aufmerksam von Vadian auf seinem Sockel beobachtet.

300 Meter davon entfernt schlittern Kinder von Scheehaufen auf der Domwiese herunter als wäre es die Bobfahrt ihres Lebens. Davor der Weihnachtsbaum, unter dem sich Verliebte fotografieren, aber auch Familien. Scheinwerfer hüllen Dom und Kirche St. Laurenzen in warmes Licht. Im Windschatten der Kathedrale drinken Zwei heissen Tee aus ihrem Thermoskrug und diskutieren nicht ganz so laut wie die Halbwüchsigen, die einen Platz im Lichtschatten besetzt halten. Die Kälte kriecht in die Knochen. Zeit, sich aufzuwärmen nach einigen Stunden im nächtlichen Lichterzauber.

Es ist Heilig Abend. Man könnte es glauben, dass da Frieden wird auf Erden. Man könnte es glauben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 23. Dezember 2021

Das rote Versprechen vom Baum des Lebens

Ein Zitat

Fruchtkörper an der Eibe
Foto © Jörg Niederer
"Bei den Kelten und bei ihren geistlichen Führern, den Druiden, galt die Eibe wegen ihrer Verbindung zur Ewigkeit somit als heiliger Baum." Aus einem Online-Artikel der Georg-August-Universität Göttingen

Ein Bibelvers - Genesis 2,9

"Gott der Herr ließ aus dem Erdboden alle Arten von Bäumen emporwachsen. Sie sahen verlockend aus, und ihre Früchte schmeckten gut. In der Mitte des Gartens aber wuchsen zwei besondere Bäume: der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse."

Ein Anregung

Die rote Beere liegt mitten im Winter auf dem Gehsteig. Und weil es im Winter meist nicht rot, sondern grau ist im Mittelland, fällt sie mir besonders auf. Es ist der Fruchtkörper einer Eibe. Sie steht am Weg zum Schulhaus. Ob das die Eltern der Kinder wissen? Denn an einer Eibe ist fast alles giftig. So giftig, dass früher viele Pferde der Fuhrleute gestorben sind, wenn sie von deren Nadeln und der Rinde naschten. Nur eines ist nicht giftig an der Eibe. Das warngefärbte, trichterförmige Fruchtfleisch der Beere. Doch Vorsicht: der darin enthaltene Same enthält auch wieder das hochwirksames Gift.

Eiben sind wie manche reiferen Menschen. Sie verschleiern ihr Alter. Grund ist, dass sie mit fortgeschrittener Lebensdauer durch Fäulnis ihr Kernholz verlieren, und somit das Alter nicht mehr exakt über die Jahrringe bestimmt werden kann. Es soll aber bis 2000 Jahre alte Exemplare geben auf den Britischen Inseln. Vielleicht hat einer dieser Bäume in der Nacht der Geburt Jesu zu keimen begonnen.

Noch etwas zeichnet die Eiben besonders aus. Da sie langsam wachsen, sind sie andern Waldbäumen im Streben nach Licht hoffnungslos unterlegen. Und so haben sie gelernt, mit so wenig Licht auszukommen, wie kein anderer Baum. Also ein Baum, wie geschaffen für den Advent, die dunkelste Zeit des Jahres.

Eiben sind geschützt. Sie wurden in Europa einst fast ausgerottet. Ihr Holz eignete sich hervorragend für den Bau von Langbogen und Armbrüste. Ein totbringender Baum also, aber nicht nur. Er sei auch ein Baum des Lebens. Vielleicht gerade deshalb, weil seine Früchte in der dunkelsten Zeit des Jahres rot leuchtend Lebenshoffnung verbreiten.

Und falls jemand von euch einmal in einem richtigen Eibenwald spazieren möchte: Da muss man nicht weit reisen. Zwischen Turgi und Baden, über der Limmat, da liegt auf dem Unterwilerberg einer der grössten Eibenwälder der Schweiz. 1200 dieser Bäume zählt der kleine Urwald, in dem seit 1961 kein Holz mehr geschlagen wird. Ein zauberhafter Wanderweg führt durch dieses kleine Naturwunder der Schweiz.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Der Engel auf dem Bügeleisen

Ein Zitat

Mit etwas Fantasie wird die Bügelsohle eines Glätteisens zum Bild eines Engels
Foto © Jörg Niederer
"Alternatives Spiel: Malen wir einen Engel an die Wand!" Walter Ludin, (*1945), Schweizer Journalist, Kapuziner, Redakteur, Aphoristiker und Buchautor

Ein Bibelvers - Offenbarung 8,2

"Ich sah die sieben Engel, die vor Gott stehen. Ihnen wurden sieben Trompeten gegeben."

Ein Anregung

Unser Gehirn versucht, in allen Formen Vertrautes zu erkennen. Menschliche oder menschenähnliche Gestalten oder Gesichter sehen wir daher auch da, wo sie gar nicht sind.

Bei mir, direkt im Blickfeld, steht das Bügeleisen. Auf der Bügelsohle sind die Dampflöcher in sorgfältiger Ordnung angebracht und grafisch hervorgehoben. In dieser Anordnung erkenne ich einen Engel. Vielleicht geht es dir gleich, wenn du die Fotografie genauer betrachtest. 

Den grössten Teil des Engels machen die Flügel aus, links und recht entlang des langgezogenen stilisierten Körpers angeordnet. Dann kommt oben der Kopf (In Wirklichkeit ein Dampfsymbol, eingerahmt vom Schriftzug "Precision Steamboost"). Links und rechts davon sehe ich die erhobenen Arme des Engels. Über dem Engel, im Hintergrund, bilden die Dampfdüsen eine Art Weihnachtsbaum. Es könnten natürlich auch das singende Engelheer sein oder die dramatische Beleuchtung der Szene. Die dunkelbraunen Verfärbungen der Bügelsohle geben der Illusion noch etwas Tiefe und Plastizität. 

Nun sehe ich also jedes Mal, wenn ich aufschaue, nicht nur das Bügeleisen, nicht nur die schon etwas abgenutzte Bügelsohle, sondern auch einen himmlischen Boten, einen Repräsentanten Gottes. Und wenn es sein müsste, könnte ich diesen Engel noch in geheimnisvolle Dampfschwaden hüllen.

Noch etwas: Selbst wenn ich wollte, ich könnte diesen Engel nicht mehr nicht sehen. Er ist da, und zeigt sich mir, ob ich es will oder nicht. Er ist da, und geht nicht mehr weg. Mir gefällt das gut.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 21. Dezember 2021

Weihnachts-Hampelmann

Ein Zitat

Der neue Zollibolli-Hampelmann beim Neumarkt St. Gallen in Aktion
Foto © Jörg Niederer
Das Zollibolli-Männchen: "Neu lacht es mit einem breiten Grinsen, strahlt mit offeneren Augen, ist lebendiger." Aus der Zollibolli-Geschichte

Ein Bibelvers - 2. Samuel 6,16

"Die Lade des Herrn kam in die Stadt Davids. Michal aber, Sauls Tochter, schaute durchs Fenster. Und sie sah König David, wie er vor dem Herrn hüpfte und tanzte."

Ein Anregung

Nun zappelt er wieder, der Hampelmann vom Spielwarengeschäft Zollibolli. Der Rufname von Ernst Zollikofer, dem einstigen Seniorchef eines St. Galler Einkaufsgeschäfts, wurde 1954 zum Firmennamen und in Form eines mehrere Meter hohen Hampelmanns zum Maskottchen für das älteste Spielwarengeschäft der Schweiz. Seit also 77 Jahre erfreut es Kinder und Erwachsene, den Hampelmann durch den Zug an einem Seil zum Zappeln zu bringen. 

Im vergangenen Jahr schloss die Filiale in der Marktgasse, wo bisher in der Weihnachtszeit die Original-Hampelmann-Version hing. Nun wurde für den Standort Neumarkt eine neue, 7 Meter hohe Version vom Zollibolli produziert. Sein Platz vor dem Logo der Migros ist schon speziell. Aber auch hier haben die Kinder ihre helle Freude an dem hampelnden Weihnachtsboten.

Ich werde den Verdacht nicht ganz los, dass sich der Schöpfer des Zollibolli-Hampelmanns an einem anderen roten Männchen angelehnt hatte, dem 1948 entworfenen Knorrli, den es auch in Hampelmann-Form gibt. Da sind natürlich schon Unterschiede: die Mütze, die Nasenform, den Kochlöffel in der Hand, aber sonst... man könnte meinen, die beiden seien Brüder, der eine Gewürz- und Suppenspezialist, der andere Kenner der Kinderfreuden.

Bei Knorr auf der Webseite wird behauptet, dass Knorrli mit einem Bekanntheitsgrad von 93% der berühmteste Schweizer sei. Das ist in St. Gallen bestimmt anders. Da kenn ausnahmslos jede und jeder den Zollibolli-Weihnachtshampelmann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Montag, 20. Dezember 2021

Offene Türen

Ein Zitat

Offene Tür an der Kulturschmitte in Zell
Foto © Jörg Niederer
"Wer sich am offenen Tor den Kopf einrennt, kommt auch nicht unbeschadet durch verschlossene Türen."

Ein Bibelvers - Psalm 24,7.9 (Nach der Übersetzung von Martin Buber)

"Hebet, Tore, eure Häupter, erhebt euch, Pforten der Weltzeit, dass der König der Ehre komme!"

Ein Anregung

Findest du heraus, von welchem Lied Pfarrerin und Hymnologin Esther Handschin folgendes schreibt?

"In Strophe zwei wird uns dieser König aller Königreiche näher vorgestellt. Statt Insignien der Macht und der Stärke werden ihm ganz andere Eigenschaften zugeschrieben: Er ist gerecht. Er hilft gerne. Sanftmut, Heiligkeit und Barmherzigkeit gehören zu seinen Eigenschaften und werden mit seinem Gefährt, seiner Krone und seinem Szepter verglichen. All das weist auf den Heiland hin, der auf einem Esel in Jerusalem eingeritten ist. In der fünften Zeile dieser Strophe findet sich der einzige negative Begriff des ganzen Liedes, um auch gleich wieder zu verschwinden: 'all unsre Not zum End er bringt.' Nach dem Ende der Not wird an dieser Stelle die sechste Zeile der ersten Strophe wiederholt: 'derhalben jauchzt, mit Freuden singt' und damit zum Lob des Heilands eingeladen, dessen große Taten gerühmt werden." 

Das war nicht schwer. Es geht um das Adventslied: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Von der Entstehung des Lieds und vom Dichter Georg Weissel schreibt Ester Handschin: "Georg Weissel hat sein Lied 1623 für die Einweihung der neu in Königsberg (heute Kaliningrad) erbauten Altroßgärter Kirche geschrieben, wo er seine erste Pfarrstelle angetreten hat. Zu seiner Zeit war das Kirchengebäude eine kleine Kapelle, um die herum 1651 eine größere Kirche gebaut wurde. Dort erklang 'Macht hoch die Tür' erstmals an einem 2. Advent. Kaum jemand denkt heute beim Singen dieses Adventsliedes an die Einweihung einer Kirche. Die Bilder des Öffnens von Türen und Toren, der Vergleich des eigenen Herzens mit einem (Kirchen)tempel oder die Glückwünsche an das Land und die Stadt in der dritten Strophe, bei denen ein König erwartet wird, werden jedoch sprechender, wenn man den konkreten Anlass der Entstehung des Liedes kennt."

Das, und noch viel mehr (einschliesslich Hörbeiträge des Lieds) präsentiert Handschin kompetent in ihrem umfassenden Beitrag zu diesem bekannten Adventslied. Sehr schön ist auch eine legendenhafte "Geschichte zum Schluss", welche Esther Handschin ganz am Ende ihres Beitrags nacherzählt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 19. Dezember 2021

Gekennzeichnet als Retter

Ein Zitat

Predigt über die Salbung Jesu in Betanien
Foto © Jörg Niederer
"Erst dadurch, dass wir Jesus bewusst in die Mitte stellen, wird aus einem Weihnachtsfest mehr als ein bloßer Gedenktag für einen Menschen, der schon fast 2000 Jahre tot ist." Klaus Douglass – Predigt zum 4. Advent – 24 x WEIHNACHTEN neu ERLEBEN

Ein Bibelvers - - Markus 14,3

"Jesus war in Betanien. Er war zu Gast bei Simon, dem Aussätzigen. Als er sich zum Essen niedergelassen hatte, kam eine Frau herein. Sie hatte ein Fläschchen mit Salböl dabei. Es war reines kostbares Nardenöl. Sie brach das Fläschchen auf und träufelte Jesus das Salböl auf den Kopf."

Ein Anregung

Weihnachten ist auch das Fest der Düfte. Es riecht nach Weihrauch, nach Bienenwachskerzen, nach Tannenharz und -nadeln, nach Gebäck und Braten. Düfte gehören aber auch zur Welt der Schönheit, der Salben und Parfüms. Und so passt die Geschichte von der Frau, die in überschwänglicher Weise Jesus mit Salböl übergoss, zu dieser Weihnachtszeit. Dabei geht es um etwas Entscheidendes. Es geht um die Frage, was an Weihnachten zentral ist.

Davon erfährt man mehr in den adventliche Gedanken, die zu einer Reihe von
"24x - Weihnachten neu erleben" gehören. Es ist ein Auszug aus einer Predigt von Klaus Douglass. Diese Predigt, von Pfarrer Jörg Niederer vorgetragen, kann um 10.30 Uhr per Youtube angehört werden. Wer vor Ort dabei sein möchte: Der Gottesdienst beginnt um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6 in St. Gallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 18. Dezember 2021

Parthenogenese und Jungfrauengeburt

Ein Zitat

Auslage in einem Laden mit Devotionalien. Maria in allen Variationen.
Foto © Jörg Niederer
"Vor aller Zeit wurde er aus dem Vater gezeugt seiner Gottheit nach, in den letzten Tagen aber wurde derselbe für uns um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau, der Gottesgebärerin, der Menschheit nach geboren." Konzil von Chalcedon 451

Ein Bibelvers - Matthäus 1,16

"Josef war der Mann von Maria. Maria war die Mutter von Jesus, der Christus genannt wird."

Ein Anregung

Es ist ja nicht überraschend, dass die Parthenogenese gerade in der Advents- und Weihnachtszeit thematisiert wird. Es geht um die Zeugung von Nachkommen ohne männliche Schützenhilfe. Das passt wunderbar zur Jungfrauengeburt der Maria. 

In der Tierwelt spricht man von Jungfernzeugungen. Hornmilben, Springschwänze, Blattläuse, Faden- und Regenwürmer, aber auch Haie, Geckos, Schlangen und Truthähne können Nachwuchs ohne männliches Zutun zeugen. Sogar bei Komodowaranen weiss man von belegten Fällen, bei denen es zu Jungfernzeugungen gekommen ist. Das ist in einem Artikel in der Sonntagszeitung von 12. Dezember, überschrieben mit "Ohne Sex zu Nachwuchs" nachzulesen.

Jedoch ist die Jungfernzeugung bei höheren Tieren wohl deshalb die Ausnahme, weil ein Mischen des Erbguts beim Nachwuchs deutliche Vorteile bringt. Etwa wenn es um den Schutz vor Krankheitserregern und Seuchen geht. Doch manchmal ist die Parthenogenese buchstäblich nötig für das Überleben einer Art. Wird etwa ein Komodowaran-Weibchen durch einen Sturm auf eine einsame Insel abgetrieben, dann ist sie auch ohne Männchen vermehrungsfähig. Aus der fruchtbaren Hälfte ihres Geleges schlüpft nur männlicher Nachwuchs. Und so ist für die nächste Fortpflanzungsrunde mit Sex und weiblichem und männlichem Nachwuchs wieder alles bereit. Das Leben kann weitergehen. 

Jungfernzeugung bedeutet also Rettung, Leben, Hoffnung. Das sind genau die gleichen Themen, die auch durch die Jungfrauengeburt in der Weihnachtsgeschichte eingeläutet werden. Da ist Rettung: "Christ, der Retter ist da". Da ist Leben: "Ein Kind in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegend". Und es gibt Hoffnung: "Uns zum Heil[-werden] erkoren".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 17. Dezember 2021

Keine weihnachtliche Geschichte

Ein Zitat

Winterlich mit Tieren geschmücktes Schulhaus in Wängi
Foto © Jörg Niederer
"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben." Der Satz wird Alexander von Humboldt zugesprochen.

Ein Bibelvers - 1. Mose 27,3

Isaak zu Esau: "Bitte, nimm jetzt deine Jagdausrüstung, deinen Köcher und deinen Bogen. Geh hinaus aufs Feld und jag ein Wildtier für mich."

Ein Anregung

Das Schulhaus in Wängi ist schön adventlich herausgeputzt. Oder ist es winterlich herausgeputzt. An den Fenstern sind Tiere zu sehen. Auch der umstrittene Wolf zeigt sich. Und natürlich die Hirsche und Hasen und Eichhörnchen und Eulen. Der Elch ist auch da, gehört aber nicht zu den hiesigen Tieren. Er ist der Exot unter den abgebildeten Bewohnerinnen und Bewohner des Waldes. Ebenfalls heraus sticht der Jäger mit Flinte.

Das ist also definitiv keine Weihnachtsdeko. Da wird eine andere Geschichte erzählt. Vermutlich lässt die religiös und weltanschaulich neutrale Schuldoktrin grüssen.

Zurück zur Geschichte. Da der Jäger unterwegs ist, kann man sich fragen, was er denn als nächstes erjagen möchte. Was kommt in seiner Familie an Weihnachtsbraten auf den Tisch. Schiesst er eines dieser lästigen Wildschweine, die so viel Schaden bei den Kulturen anrichtet? Oder ist es der Wolf, der als Jagdkonkurrent nicht nur gerne gesehen ist? Ich tippe auf den Elch. Er ist hier bei uns einfach fehl am Platz, ein Neozoon, zwar nicht invasiv, aber doch eher etwas für den Nikolaus im hohen Norden.

Wer weiss, vielleicht schiess der Jäger auch gar nichts, weil er auf der Suche nach Schneewittchen ist. Zumindest eines weisst auch an diesen Fenstern beim Schulhaus Wängi auf die Weihnachtsgeschichte hin: Die Krippe. Denn Jäger sind auch Heger, und im Winter, da bringen sie Stroh und Heu in den Wald für die hungrigen Hirsche und Rehe, und vielleicht auch als Wärmemittel für das Jesuskind.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Es ist ein Stadtwald aufgepoppt

Ein Zitat

Ausgestopfter Eichelhäher im Indoorwald an der Neugasse in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Tauche ein in friedliches Grün und schenke Dir diesen Zeit-für-Dich-Moment. Wie gut Stille tut. Weihnachten darf kommen." Aus dem Werbeflyer zum StadtWald

Ein Bibelvers - Offenbarung 8,1

"Als das Lamm das siebte Siegel öffnete, wurde es still im Himmel, etwa eine halbe Stunde lang."

Ein Anregung

Alle Jahre wieder im Dezember poppt in der Stadt St. Gallen die Stille auf. Nein - natürlich nicht wirklich, und nicht flächendeckend. Aber ein Ladenlokal in der Neugasse 40 trotz der allgemeinen Geschäftigkeit und bildet einen kleinen Raum der besinnlichen Ruhe. 

In diesem Jahr ist es eine Naturoase, die zum Verweilen einlädt. Das geschieht in einem Innenraum, mit Maske und Desinfektionsmittel. Letzteres riecht denn auch schon einmal nach Tannennadeln. Beim Eintreten in diesen abgedunkelten Raum wähnt man sich in einem Indoorwald. Was mir auffällt: Es ist nicht still. Vögel zwitschern aus Lautsprechern, ich höre Stimmgemurmel von weiteren Gästen. 

Niemand hat sich auf die Baumstammhocker gesetzt. Die Aufenthaltsdauer der Passantinnen und Passanten ist eher kurz, so 5-10 Minuten. Daran ändern auch die zahlreichen schriftlichen Anregungen nicht viel. Vermutlich werden Tannzapfen mitgenommen. Kinder werden auch über die ausgestellten Pelze streicheln, um herauszufinden, wie sich das eine oder andere Waldtier anfühlt. Ich lausche dem Regen in einem der schmalen Räume, versuche die Tropfen zu unterscheiden. Auch wird aufgefordert, den aufwändig gestalteten Waldboden barfuss zu betreten. Wer das wohl ausprobiert? 

In einer Ecke sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Als ausgestopfte Tiere teilen sie sowieso das gleiche Los. Dass auch eine Eule nahe ihrer Beute, einem Singvögelchen, sitzt, will wohl hinweisen auf den in der Bibel verheissenen endzeitlichen Frieden aller Geschöpfe.

Hinter dieser Aktion steckt die "Katholische Kirche im Lebensraum St. Gallen". Sonst fehlt jeder Hinweise auf eine "religiösen" Motivation zu dieser Installation.

Beim Verlassen der Waldillusion treffe ich wieder auf eine junge Frau, die Passantinnen und Passanten auf diesen Hort der "klingenden Stille" hinweist. Sie fragt, ob es mir gefallen hat und wünscht mir einen gesegneten Tag. Dann erfasst mich ein Menschenstrom und spült mich fort von diesem "Kraftort im Advent".

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Mittwoch, 15. Dezember 2021

Rotkehlchen und Mitgefühl

Ein Zitat

Rotkehlchen im Wald
Foto © Jörg Niederer
"Es ist kugelrund und prall, rot leuchtet seine Brust, fliegt hurtig wie ein Tennisball und steckt voll Freud' und Lust." Aus dem Gedicht "Das Rotkehlchen" von Willy Schuh-Fischer

Ein Bibelvers - Epheser 4,32

"Seid vielmehr gütig und barmherzig zueinander. Vergebt einander, wie Gott euch durch Christus vergeben hat."

Ein Anregung

Am Adventsnachmittag für Seniorinnen und Senioren lagen auf dem Tisch Servietten, darauf abgebildet ein Rotkehlchen auf einem weiss verschneiten Ast. Rotkehlchen sind häufige Wintergäste. Sie erfreuen mit ihrem melodiösen Gesang auch in der kalten Jahreszeit.

Beim Anblick des Vögelchens erzählte einer der Gäste die folgende Legende.

Einst hatten die kleinen Vögel noch keine roten Brüstchen. (Gerade so, wie die jungen Rotkehlchen, deren Gefieder graubraun und grob gefleckt ist.) Unscheinbarer noch als die Sperlinge hüften sie durch die Gärten und flogen über die Hügel. Da entdeckten sie eine verstörende Szene. Männer hängten einen Dornengekrönten an ein Kreuz. Bei diesem Anblick wurden die Vögelchen von Mitleid ergriffen, flogen zum Haupt des Herrn und versuchten wenigstens eine der Dornen aus dem Wunden zu entfernen. Da tropfte Blut auf das Gefieder der Tierchen und färbte die Brust für immer rot. Seit diesem Tag pfeifen sie es von den Dächern: dass die Liebe Gottes in Christus allen Geschöpfen erschienen ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 14. Dezember 2021

Weihnächtliche Eselsbrücken

Ein Zitat

Zwei Esel
Foto © Jörg Niederer
"Gott sagt: 'Dreh dich um MICH! Das befreit dich.'" Carsten Dahmann in einer Predigt vom 5. September 2021 in der Evangelisch-methodistischen Kirche Herisau

Ein Bibelvers - Jesaja 1,3a

"Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Futterkrippe seines Herrn."

Ein Anregung

Was haben Ochs und Esel in der Weihnachtsgeschichte zu suchen? Das fragte sich Carsten Dahmann vor drei Jahren in einem Spoken Word-Beitrag zum ersten Mal. Und dann macht er sich auf die Suche, und kommt zu Antworten, kommt zu "weihnächtlichen Eselsbrücken", durch die er "nicht mehr wie der Ochse am Berg" steht.

Die Musik, denn das macht der deutsche Wahlschweizer auch, sei "geprägt von seinem Gitarrenspiel und seiner markanten Stimme". Auf einer Seite mit seinen Liedern heisst es über ihn: "Seine Texte zeugen von einem guten Gespür für die deutsche Sprache und ihre vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten. Mit offensichtlicher Liebe zum Detail versteht er es, seine Gedanken bildreich und wortmächtig in kreative Texte zu giessen, ohne dabei an Eingängigkeit zu verlieren. Dabei wirft er existentielle Fragen auf und findet Antworten im Glauben an Gott."

Weitere Wortbeiträge, auch Predigten - Carsten Dahmann gehört zur Evangelisch-methodistischen Kirche Herisau - lassen sich leicht finden. Es gibt viel zu entdecken beim Oberstufenlehrer für Deutsch, Englisch und Musik. Eben auch über Ochs und Esel und Mensch.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 13. Dezember 2021

Winterbienen

Ein Zitat

Schwärmende Bienen
Foto © Jörg Niederer
"Es schneielet, es beielet, Es goht en küehle Wind, es schlofed alli Lütli und alli Burgerschind." Kinderlied

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 2,2

"Plötzlich kam vom Himmel her ein Rauschen wie von einem starken Wind. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich aufhielten."

Ein Anregung

Woher kommt eigentlich das Wort "beiele" aus dem Winter-Kinderlied: "Es schneielet, es beielet, Es goht en küehle Wind...."?

Das Schweizerische Idiotikon erklärt Dialektworte. Bi(j)ele, beierle oder bäuele meint: "in dünnen, kleinen Flocken schneien oder auch fein regnen". Dabei werden die tanzenden Schneeflocken "mit schwärmenden Bienen verglichen"

Wer schon einmal schwärmende Bienen gesehen hat, kann die Ähnlichkeit mit leichtem Schneefall nicht leugnen. Und auch wenn ich es nicht gedacht hätte, so hat das Wort "beiele" in diesem Winterkinderlied also tatsächlich etwas mit Bienen und "Beieler" (Bienenzüchter) zu tun. Mitten im Winter lenkt der Reim die Sinne auf die warme Jahreszeit und den Flug der Bienen. Ist das nicht auch ein schönes Advents-Hoffnungsbild? 

Das Idiotikon gibt in diesem Zusammenhang noch eine etwas weniger nette Version des Kinderlieds wieder: "Es schneielet, es beielet dur e holi Tanne, wenn der Burebschisser malt, was der Bur het gwanne." (Es schneit und flöckelt durch die hohle Tanne, wenn der Bauernpreller mahlt, was der Bauer geerntet hat). Manche Müller haben früher bei Bauern wohl wenig Vertrauen genossen. Wie das mit den Imkern war, weiss ich nicht.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 12. Dezember 2021

Leiterli-Spiel

Ein Zitat

Altes Flanellbild zur Geschichte von Zachäus
Foto © Jörg Niederer
"Weihnachten stellt alle üblichen Beurteilungssysteme auf den Kopf. Im Christentum geht es nicht darum, dass Menschen sich zum Göttlichen aufschwingen, sondern es geht um einen ‚heruntergekommenen Gott‘." Klaus Douglas

Ein Bibelvers - Lukas 19,9

"Da sagte Jesus zu ihm [Zachäus]: 'Heute bist du gerettet worden – zusammen mit allen, die in deinem Haus leben. Denn auch du bist ein Nachkomme Abrahams!'"

Ein Anregung

Das Leiterli-Spiel kennen die meisten. Da geht es Sprossen hoch und Sprossen runter. Gewonnen hat, wer zuerst oben ankommt. Aufsteigen, Erfolg haben, Punkte sammeln, das ist in unserer Gesellschaft erstrebenswert. Niemand will absteigen. Doch einer ist hinuntergestiegen, herabgekommen. Gott wurde Mensch in Jesus Christus. Was bedeutet das für das Wertesystem von uns Menschen?

Darum geht es in den adventliche Gedanken, die zu einer Reihe von "24x - Weihnachten neu erleben" gehören. Es ist im Wesentlichen ein Auszug der Gedanken von Klaus Douglass. Diese Predigt, von Pfarrer Jörg Niederer vorgetragen, kann um 10.30 Uhr per Youtube angehört werden. Wer vor Ort dabei sein möchte: Der Gottesdienst beginnt um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6 in St. Gallen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Samstag, 11. Dezember 2021

Winter Wonderland Olten

Ein Zitat

Winterliches Olten aus der Bahnhofsperspektive
Foto © Jörg Niederer
"Es schneielet, es beielet, Es goht en küehle Wind. Es frühret alli Vögeli und alli arme Lüt." Kinderlied

Ein Bibelvers - Hiob 37,5+6

"Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme. Große Dinge tut er, und wir begreifen’s nicht. Er sagt zum Schnee: 'Fall auf die Erde nieder!' Und dem Regen befiehlt er: 'Giess in Strömen!'"

Ein Anregung

Es soll ja auch schon Schokolade geschneit haben in Olten. Aber diesmal fiel Schnee, und verwandelte die Stadt in eine mir nur zu bekannte urbane Winterkulisse. Halt so, wie sich alle Städte verändern unter der leisen Last der weissen Kristalle. Und doch war es anders dort in Olten, in der Stadt meiner Kindheit. Es war wir früher: Der selbe Duft in der Luft, der gleiche Sichtschleier des dichten Schneetreibens, der etwas gedämpfte Lärm der Autos, die vermummten Personen.

Auf dem Weg über die 1883 erbaute Bahnhofbrücke, welche von uns im Gegensatz zur historischen alten Brücke "Neue Brücke" genannt wurde - eine neuere Aarebrücke wie heute gab es damals noch nicht - bewarfen wir uns (und gelegentlich die Autos) mit Schneebällen, oder versuchten auf dem gefrorenen Trottoir zu schlittern.

Auch schon da war die alt bekannten Häuserzeile am Amtshausquai. Dort, im Amtshaus (auf der Fotografie das Gebäude im Hintergrund links) besuchten wir die Sonntagschule, gleich im Anschluss an den Gottesdienst der Erwachsenen. Dort versammelten sich in einem kleinen zweiteiligen, angemieteten Raum die methodistische Gemeinde.

Das kantonale Amtshaus gibt es immer noch an gleicher Stelle. Und auch die Staatsanwaltschaft und das Betreibungsamt sind heute dort untergebracht. Gebaut wurde der U-förmige Bau als Schweizerisches Buchzentrum von den Architekten Hermann Frey und Ernst Schindler im nüchternen Stil der Nachkriegsmoderne. Da also war damals meine Kirche, da wohnte Gott, und ich besuchte ihn wöchentlich, immer auch wieder über und durch frisch fallenden Schnee.

Kannte ich damals schon das Lied: "Leise rieselt der Schnee"? Hier die Version mit Udo Jürgens. Und wer es lieber englisch mag: Da gäbe es Bing Crosby mit "Winter Wonderland". Und dann hätte da der Sänger Kunz noch Argumente, um den Wohnsitz nach Olten zu verlegen. Genau das hat mein Vater getan für eine schöne Oltnerin. Nur deshalb gibt es mich, und ich kann diese Zeilen vom Schnee von Gestern in Olten schreiben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 10. Dezember 2021

Rosenduft im Advent

Ein Zitat

Pfingstrose, von Ameisen bewacht
Foto © Jörg Niederer
"Das Blümelein so kleine, / das duftet uns so süß; / mit seinem hellen Scheine / vertreibt's die Finsternis..." Mainz um 1585 / Friedrich Layriz

Ein Bibelvers - Jesaja 53,1+2

"Wer hätte geglaubt, was uns zu Ohren gekommen ist? Wer hätte für möglich gehalten, dass der Herr an einem solchen Menschen seine Macht zeigt? Er wuchs vor seinen Augen auf wie ein Spross, wie ein Trieb aus trockenem Boden."

Ein Anregung

Der Adventskalender der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Rohrbach bringt besinnliche Minuten in die heimische Stube oder aufs Displays der Smartphones. Das Ganze lebt von den Klängen und Dialektübertragungen des Musikers Christof Fankhauser. Wer das gestrige Türchen öffnet, hört die bekannte Melodie des Lieds: "Es ist ein Ros entsprungen...". Dazu folgen Texte, kurze Gedanken weitere Musik und Gesang. 

Im Kern ist dieses Lied ein Marienlied. Durch eine Umdichtung des Komponist Michael Praetorius, die der Maria eine andere Bedeutung gibt, fand das Lied auch den Weg in die evangelischen Kirchen. Das und mehr erklärt eine Seite von Radio SWR.

Andere Fensterchen am Rohrbacher Adventskalender führen zu Geschichten und immer wieder zu Musik. Ich werde da noch das eine oder andere Mal hineinschauen und mich für einige Minuten auf adventliche Spur begeben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Freude nicht nur ans Fenster kleben

Ein Zitat

Weihnachtskrippe der Evangelisch-methodistischen Kirche Weinfelden
Foto © Jörg Niederer
"Ob man nun daran glaubt oder nicht: Die Geschichte hinter Weihnachten ist, dass Menschliches und Übernatürliches aufeinandertreffen, dass Schwaches von Kraft heimgesucht wird, dass Licht in Dunkelheit scheint, dass die Welt einen Moment still steht, dass sich ein Schicksal dreht, dass etwas unscheinbar Kleines Grosses bewegt, dass Unterschiede zusammenfinden..." Maria Wyler

Ein Bibelvers - Jesaja 58,7+8

"Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten! Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte, und deine Heilung schreitet schnell voran. Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach."

Ein Anregung

Maria Wyler (33) lebt in Winterthur, ist Musikerin. lässt sich zur Texterin ausbilden, und ist Mutter von 3 Jungs. Herausragend an ihr ist, dass sie unglaublich gut mit Sprache umgehen kann. 

Im Weihnachtsstudio von LifeChannel präsentiert sie eine Feuerwerk an Gedanken voller tiefgründiger Wortspiele, und das ohne Unterbruch über sechs Minuten hinweg. Ihr Sinnieren in "Merry Christstress" ist absolut hörenswert und regt zum Weiterdenken an.

Maria Wyler: "Jedes Jahr hoffen wir, dass wir die Freude mal erleben, statt sie nur ans Fenster zu kleben". Nur schon dieser eine Satz wäre es wert, darüber einen Tag lang nachzudenken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde