Donnerstag, 30. Juni 2022

Gehörnte Wächter

Ein Zitat

Pfauenziegen patrouillieren um das Atomkraftwerk Gösgen
Foto © Jörg Niederer
"Die im Kraftwerk tätigen Personen akkumulierten 2021 eine Dosis von 329 Millisievert (mSv). Der Dosismittelwert pro Person betrug 0,23 mSv bei einer Streubreite von 0 bis 7,0 mSv. ... Zum Vergleich: Im Jahresmittel beträgt die durch natürliche Quellen bedingte Individualdosis der Bevölkerung in der Schweiz 4,3 mSv bei einer Streuung von 1 bis über 50 mSv." Aus dem Geschäftsbericht des KKW Gösgen

Ein Bibelvers - Psalm 32,7

"Du [Gott] bist mein Schutz, bewahrst mich vor Bedrängnis. Du umgibst mich mit Menschen, die meine Rettung bejubeln."

Ein Anregung

Bewachen die Pfauenziegen das Atomkraftwerk Gösgen? Ihre Weide führt als schmales Band am Aussenzauns der umstrittenen Energieproduktionsstätte entlang. Sind die Pfauenziegen gefährlich? Wohl nicht. Wie ist das beim Atomkraftwerk?

Seit 1979 wird in Gösgen Strom produziert. Schon 43 Jahre lang leben Menschen in direkter Nachbarschaft. Verantwortlich für die technische Sicherheit ist ein guter Bekannter von mir. Ich kenne ihn aus der Zeit, als ich Pfarrer in der Methodistenkirche Rothrist war. Am Bau beteiligt waren auch mein Vater und mein Onkel, wie fast alle Handwerker aus der Region. 591 Menschen arbeiteten im vergangenen Jahr im KKW Gösgen. Jodtabletten für den Fall der Fälle wurden der Bevölkerung schon vor Jahren abgegeben, aber noch nie gebraucht. 

Also kaum eine, die dort lebt und arbeitet, hat noch ein mulmiges Gefühl beim Anblick des Kühlturms und des kugelförmigen Reaktorgebäudes. Man hat sich daran gewöhnt lebt damit und davon. 

Und doch ist dieser CO2-neutralen Form der Energiegewinnung in der Schweiz ein Ende gesetzt. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima und angesichts der ungelösten Probleme bei der Entsorgung von radioaktivem Abfall ist ein Ende absehbar. Wesentlicher noch ist das wirtschaftliche Moment. Strom aus neuen Kernkraftwerken wäre viel zu teuer, der Betrieb schlicht unrentabel. "Gott sei dank" sagen die einen, "dem Herrn sei's geklagt" die andern. Und so sind Atomkraftwerke vom Aussterben bedroht, wie übrigens auch die Pfauenziegen.

Man riskiert wohl nur wenig, wenn man zu den Pfauenziegen ins Gehege steigt. Auf das Gelände der Anlage sollte man dann aber nicht mehr unbefugt vordringen. Wer weiss schon, wie das Wachpersonal reagieren würde? Ob in ihren Waffen Munition vom in Sichtweite entfernten Rüstungsunternehmen zu finden ist?

Die Verantwortung für die Kernreaktorsicherheit ist gross. Die meisten von uns können sich in ihrem Alltag mehr Fehler erlauben, als die Angestellten in der Steuerungszentrale.

Darum die Frage: Würdest du lieber Ziegen hüten, oder für den sicheren Betrieb eines Atomkraftwerk verantwortlich sein?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 29. Juni 2022

Alltagssport

Ein Zitat

Ein Mann trägt in Frauenfeld zwei Stühle nach Hause
Foto © Jörg Niederer
"Nicht die Last macht uns fertig, sondern wie wir sie tragen." Klaus Klages (*1938), deutscher Abreißkalenderverleger

Ein Bibelvers - Matthäus 11,29-30

Jesus: "Nehmt das Joch auf euch, das ich euch gebe. Lernt von mir: Ich meine es gut mit euch und sehe auf niemanden herab. Dann werden eure Seelen Ruhe finden. Denn mein Joch ist leicht. Und was ich euch zu tragen gebe, ist keine Last."

Ein Anregung

Warum die Frau sich mit einem Kleiderständer mit integriertem Spiegel ganz unten im Bahnhof Zürich beim Geleise 31 abmühte, weiss ich nicht. Es war ja nicht nur dieser Kleiderständer, bei dem zwei der vier Rädchen an den Füssen fehlten. Daran befestigt war auch ein sperriger Staubsauger. In der anderen Hand zog die Frau ein Wägelchen, darauf ein grosser Nassreiniger. Sichtlich genervt hob sie ein Staubsaugerrohr vom Boden auf und stellte es wieder in den Kleiderständer zurück. Für die 50 Meter zum Lift brauchte sie gut drei Minuten. Wie war sie wohl zuvor mit all dem Zeugs im Zug zurechtgekommen? Und wie weit musste sie nun noch damit durch die Stadt nach Hause?

Wenige Tage zuvor begegnete ich dem Mann auf dem Foto. Auch er brauchte einige Zeit, bis er wusste, wie er die beiden sperrigen Stühle nach Hause transportieren konnte. Stapeln liessen sie sich nicht. Am Ende trug er sie, als wären es Flügel.

Selbst habe ich auch schon Sessel mit Muskelkraft die 500 Meter vom Möbelhaus nach Hause getragen. Und Teile meiner theologischen Bibliothek brachte ich per Zug vom Wohnort an den Arbeitsplatz. Das war umständlich, aber es ging.

Heute tragen viele ihre Lasten nicht mehr selbst. Das Leben ist bequem geworden, und weil das nicht nur gesund ist, trainieren wir ins Fitnessstudio mit Hanteln und Gewichten.

Dabei böte der Alltag einige Möglichkeiten, um sich fit zu halten. Warum nicht mit dem Sixpack an Getränken das eigene Muskel-Sixpack stimulieren? Dabei ist mitunter auch Kreativität gefordert, wie man beim Mann mit den beiden Stühlen gut sehen kann.

Zuletzt: sitzt man nicht dankbarer und befriedigter auf Stühlen, die man mit einiger Mühe erstanden hat?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 28. Juni 2022

Die Spirale und die Mitte

Ein Zitat

Schmuck aus einem versteinerten Ammoniten
Foto © Jörg Niederer
"Eine Spirale oder Schneckenlinie ist eine Kurve, die um einen Punkt oder eine Achse verläuft und sich je nach Betrachterperspektive von diesem Zentrum entfernt oder sich ihm annähert." Wikipedia

Ein Bibelvers - 1. Samuel 16,7

"Doch der Herr sagte zu Samuel: '... bei mir zählt nicht, was ein Mensch sieht. Der Mensch sieht nur auf das Äußere, der Herr aber sieht auf das Herz.'"

Ein Anregung

Seit es Tiere mit eigenem Gehäuse gibt, kennen wir auch die Spirale. Seit Menschen zeichnen und formen können, waren sie fasziniert davon, haben Spiralen gezeichnet, geritzt, gegossen. Und sie haben auf der ganzen Erde damit eine Vorstellung verbunden. Die Vorstellung von Ewigkeit.

Wir Menschen sind unheilbar religiös. Der Glaube an Gott bestimmt das Leben jedes Menschen so sehr wie das Haus, das die Schnecke mit sich trägt. Das gewundene Ammoniten- oder Schneckenhaus erinnert die Menschen seit Jahrhunderten an Gott, an die Ewigkeit. Wenn Menschen das Bedürfnis nach Glauben, nach Ewigkeit ernst nehmen, dann wird dieser Glaube zu einer Heimat, einem Rückzugsort, einer Mitte.

Die Spirale weist auf dieses Zentrum hin. Unweigerlich folgen wir dem Gehäusegang nach innen und aussen. In der Mitte, im Zentrum (bei Gott) nimmt Leben seinen Ausgang. Dorthin verweisen alle Wendungen und Verwicklungen unseres Lebens, selbst dann, wenn wir uns schon weit von dieser Mitte entfernt haben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 27. Juni 2022

Wunder geschehen auf dem Weg des Lebens

Ein Zitat

Vom Leben gezeichnete Hain-Bänderschnecke mit schwarzem Körper
Foto © Jörg Niederer
"Du hast keine Chance – aber nutze sie!" Herbert Achternbusch (1938-2022)

Ein Bibelvers - Jona 2,11

"Da befahl der Herr dem Fisch, Jona an Land zu bringen. Dort spuckte der Fisch ihn aus."

Ein Anregung

Wenn Schnecken kriechen, hinterlassen sie eine gut sichtbare Spur. Mit anderen Worten: Sie stehen zum Weg, den sie zurücklegen. 

Wie verläuft deine Lebensspur? Kannst du dazu stehen? Oder versuchst du sie zu vertuschen? Ist es eine Lebensspur, durch die Menschen Einblick in die Ewigkeit erhalten?

Eine Schnecke kriecht über eine viel befahrenen Strassen. Sie kriecht und kriecht und kriecht. Autos brausen über sie hinweg. Sie wird nicht wahrgenommen von den Menschen in den Wagen. Die Schnecke hat keine Chance. Doch dann, nach Stunden voller Gefahr, erreicht sie unbeschadet das andere Strassenbord.

Gottes Wunder geschehen alltäglich, während wir unsere Spuren ziehen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 26. Juni 2022

Nachhaltig und zäh

Ein Zitat

Hain-Bänderschnecke im Wald
Foto © Jörg Niederer
"Die Welt verändert sich durch dein Vorbild, und nicht durch deine Meinung." Paulo Coelho

Ein Bibelvers - 1. Mose 32,27b

"Jakob entgegnete: 'Ich lasse dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.'"

Ein Anregung

Was Schnecken hinterlassen ist zäh. Ich rede vom Schleim. Damit habe ich einschlägige Erfahrungen gemacht. Barfuss in der Nacht an einem Gartenfest. Die Nacktschnecken haben ihre Verstecke verlassen. Es ist unausweichlich, dass ich in der stockfinsteren Nacht gelegentlich auf eine trete. Ihr Schleim, den sie in Todesangst aussondern, klebt wie Kaugummi an der Fusssohle. Weg bringe ich ihn nur noch, indem ich ihn mit einem alten Küchenmesser vorsichtig abschabe.

Ist der Output meines Lebens so resistent, dass er nachhaltig und positiv in Erinnerung bleibt? Ich will ja nicht andere zuschleimen, sondern Hoffnung bewirken. Hoffnung soll haften bleiben, möglichst ein Leben lang.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 25. Juni 2022

Raus aus dem Schneckenhaus

Ein Zitat

Schliessmundschnecke an einem bemoosten Baumstamm
Foto © Jörg Niederer
"Wenn eine längere Trockenzeit bevorsteht, kommen die Schliessmundschnecken von den Baumstämmen herunter. Solange sie oben bleiben, folgt bald Regen." Bauernregel

Ein Bibelvers - Josua 24,15

Josua: "Ich aber und meine Familie: Wir wollen dem Herrn dienen!"

Ein Anregung

Wer etwas erleben will, muss sein Schneckenhaus verlassen. 

Oft dreht sich bei mir alles um meine private Situation. Mit mir selbst kann ich es lange aushalten. Aber irgend einmal muss ich raus, brauche ich die anderen Menschen. Und die anderen Menschen brauchen mich (hoffe ich wenigstens).

Mit meinem Glaubensleben ist es dasselbe. Ich kenne mich darin sehr gut aus, es genügt mir vollauf. Die religiösen Lebensstile der anderen müssen mich nicht kümmern. Aber der Glaube ist nicht nur eine Sache zwischen Gott und mir. Der Glaube ist nicht nur Privatsache.

Das Schneckenhaus verlassen bedeutet nicht: Raus aus dem Glauben; so tun, als gäbe es keinen Gott. So wie die Schnecke ihr Haus mitträgt, wenn sie das Schneckenhaus verlässt, so soll und kann der Glaube auch ausserhalb religiöser Veranstaltungen mein Leben prägen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde 

Freitag, 24. Juni 2022

Lieben wie die Schnecken

Ein Zitat

Die Gefleckte Schüsselschnecke (Discus rotundatus) wird nur gerade 7 mm gross und wurde in der Schweiz schon auf 2700 m.ü.M. gefunden.
Foto © Jörg Niederer

"Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse."
Friedrich Nietzsche

Ein Bibelvers - 1. Korinther 16,14

"Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen!"

Ein Anregung

"Geh zur Ameise und lerne", heisst es in einem biblischen Buch. Ich sage in den nächsten Tagen immer wieder einmal: "Geh zur Schnecke und lerne, damit du klug wirst!"

Was kann man von Schnecken lernen? Zum Beispiel Liebe! 

Schnecken sind grossartige Liebhaberinnen. Ihr Liebesspiel dauert gelegentlich über 20 Stunden. Kein Wunder bei einem Tier, das fast nur aus Weichteilen besteht und Amors Pfeil buchstäblich erfunden hat.

Gott ist in Sachen Liebe noch ausdauernder. Seine Liebe hat nichts zu tun mit einem Quicky, sie hört niemals auf. Seine Liebe wird nicht von Äusserlichkeiten stimuliert oder gebremst. Seine Liebe ist die tragende Kraft, welche die Welt und die Menschen zusammenhält. Gott ist Liebe.

Schnecken sind Zwitterwesen. Sie wissen wohl besser als wir, was es bedeutet, den andern zu lieben wie sich selbst. Aber wir wissen es auch sehr gut. So wie Gott uns liebt, so wie ich mir wünsche, dass andere Menschen mich lieben, so darf, soll, muss, kann ich lieben, stunden–, tage-, monate-, jahrelang – ein ganzes Leben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 23. Juni 2022

Schneckenweisheit

Ein Zitat

Weinbergschnecke an einem Baumstamm. Man beachte den kleinen Käfer auf dem Kopf der Schnecke!
Foto © Jörg Niederer
"Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten." Katharina von Siena (1347-1380)

Ein Bibelvers - Sprüche 6,6

"Geh und beobachte die Ameise, du Faulenzer! Nimm dir ein Beispiel an ihr, damit du klug wirst!"

Ein Anregung

"Geh zur Ameise und lerne", heisst es in einem biblischen Buch. Ich sage in den nächsten Tagen immer wieder einmal: "Geh zur Schnecke und lerne, damit du klug wirst!" 

Was kann man von Schnecken lernen?

Zum Beispiel Geduld! Schecken sind langsam. Schnecken haben Zeit. Schnecken sind sehr geduldig. Sie können warten. Wenn die klimatischen Umstände ungünstig sind, ziehen sie sich in ihr Haus zurück, und warten dort tage-, wochen-, monatelang auf günstigere Bedingungen.

Gottes Geduld ist noch viel grösser. Im Psalm 86 steht: "Reich bist du [Gott] an Barmherzigkeit und Gnade, unendlich geduldig, voller Güte und Treue." (Psalm 86,15) Schnecken sind geduldige Tiere. Gott ist geduldiger.

Wie geduldig bist du? Hältst du es aus, ein Leben lang auf die Antworten zu den grossen Fragen zu warten? Was ist der Sinn des Lebens? Woher kommen wir? Gibt es einen Himmel? Warum müssen wir leiden?

Der Glaube darf kein Strohfeuer sein. Der Glaube verlangt dir viel Geduld ab. Schneckengeduld. Lang dauernde Geduld.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 22. Juni 2022

Argentinien, Schweiz und eine Pfarrfamilie

Ein Zitat

Bischof Américo Jara Reyes und Jörg Niederer am Ende der Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in Schaffhausen.
Foto © Jörg Niederer
"Im Rahmen dieses Vorhabens, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen, wollen wir weiter daran arbeiten, unsere Verbundenheit und unsere gegenseitigen, gemeinsamen Beziehungen zu vertiefen." Bischof Américo Jara Reyes, Bischof der Methodistenkirche in Argentinien in der Festrede zum 20-jährigen Bestehen von Connexio

Ein Bibelvers - Matthäus 6,33

"Strebt vor allem anderen nach seinem Reich und nach seiner Gerechtigkeit – dann wird Gott euch auch das alles schenken."

Ein Anregung

Connexio, das Hilfswerk der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) feierte am vergangenen Samstag in Schaffhausen sein 20-jähriges Jubiläum, und Américo Jara Reyes, Bischof der Methodistenkirche in Argentinien hielt die Festrede. Darin ging er auf die weit über diese letzten 20 Jahre hinausgehende Zusammenarbeit mit der EMK ein. besonders gefreut hat mich, dass er dabei auch an das Pfarrerehepaar erinnerte, bei dem ich um 1980 in Schaffhausen mein Praktikum in der Kirche absolvieren durfte: Pfarrer Roberto und Rose Frischknecht. 

Bischof Américo Jara Reyes sagte: "Die Methodistenkirche in Argentinien pflegte Beziehungen zur EMK Schweiz, schon vor ihrer Selbstständigkeit im Jahr 1969. In Patagonien in den 1960er Jahren hatte ein Schweizer Missionar, Pfarrer Roberto Frischknecht zusammen mit seiner Frau Rose die Werke von Esquel und Trevelin aufgebaut. Sie weihten die Kirche und das Pfarrhaus in Esquel ein und waren ein grosser Segen für das Leben und den Dienst bei der Gründung der dortigen Kirchen."

Ich erinnere mich, wie mir die Kinder des Ehepaars Frischknecht damals in Schaffhausen Fotos aus der Zeit als Missionarsfamilie zeigten. Darauf waren Gletschern Patagoniens zu sehen. Auch für mich war Robi und Rose Frischknecht ein grosser Segen. Bei ihnen durfte ich ein Jahr lang einen liebevollen Einstieg in den Dienst eines Pfarrers erleben. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 21. Juni 2022

Biber und Biber

Ein Zitat

Biber in der Murg beim Bahnhof Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
"Trotz seiner vier Füße und seines Pelzes wurde der Biber wegen seines schuppigen Schwanzes kurzerhand zum Fisch erklärt und landete prompt auf dem Fastenteller." Stiftung Kloster Dalheim

Ein Bibelvers - Hohelied 8,2

"Ich würde dich an die Hand nehmen, zum Haus meiner Mutter führen, die mich erzogen hat. Dort ließe ich dich vom Würzwein trinken, vom Saft meiner Granatäpfel."

Ein Anregung

Am Samstag auf dem Heimweg von der Jährlichen Konferenz in Schaffhausen traf ich an der Murg beim Bahnhof Frauenfeld auf zwei Biber, die sich dort in der Dämmerung abkühlten und beim einen oder anderen Rindensnack vergnügten. 

Was aber hat die Leckerei "Appenzeller Biber" mit dem nagezahnbewehrten Landschaftsgestalter zu tun? Gar nichts, meint Christoph Landolt in einem Eintrag des Idiotikons, dem historischen Wörterbuch der Schweiz: "Es handelt sich um eine Verkürzung aus 'Biberzelten' oder 'Biberfladen', und dieser Biberzelten wiederum hiess im Spätmittelalter Bimen(t)zelten. Der Wortbestandteil 'Biment' geht auf mittellateinisch pigmentum beziehungsweise mittelhochdeutsch pigment zurück, was 'Gewürz, Spezerei' bedeutete. Der Wortbestandteil 'Zelten' wiederum geht auf althochdeutsch zelto zurück, was für 'flacher Kuchen' stand. Ein Biberzelten ist also eigentlich ein flaches, mit Gewürzen verfeinertes Backwerk." 

Damit ist nun wohl alles klar. Dass der Biber früher als Fisch galt (der schuppige Schwanz) und in der Fastenzeit folglich heiss begehrt war, dies und anderes führte im 19. Jahrhundert dazu, dass es auf Schweizer Grund kein einziges Tier mehr gab. Ab 1956 wurden die grossen Nager wieder angesiedelt, mit Erfolg. Heute findet man sie überall, auch als Wildtiere in den Städten.

Dazu gibt es in St. Gallen im Naturmuseum die Sonderausstellung "Wildes St.Gallen – der Stadtnatur auf der Spur". Und wenn man dann schon einmal in St. Gallen ist, muss man auch einen St. Galler Bimentzelten (Biber) versuchen. Für alle, die nicht nach St. Gallen reisen wollen oder können lassen sich wenigsten auf Instagram Fotos von Wildtieren der Wiboradastadt betrachten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 20. Juni 2022

Herausforderndes und Musik vom Feinsten

Ein Zitat

Ein Kind lauscht aufmerksam der irischen Musik von Sam Staufer an der Jährlichen Konferenz 2022 in Schaffhausen
Foto © Jörg Niederer
"Vielleicht ist Ihnen nach dem ersten Teil meiner Predigt auch aufgefallen, dass Paulus hier aufruft, die Einheit zu bewahren und nicht etwa, dass wir sie schaffen müssten. Denn auch hier ist die Gemeinschaft der Kirche schon gegeben, wo immer der Geist Christi am Werk ist." Bischof Patrick Streiff in seiner Konferenzpredigt von 2022 in Schaffhausen

Ein Bibelvers - Epheser 4,3a

"Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die sein Geist euch geschenkt hat."

Ein Anregung

Nein, der Musiker und Fotograf Sam Stauffer hatte nicht nur eine Zuhörerin an seinem Konzert mit irisch-schottischen Folksongs. Der Abschlussanlass der Jährlichen Konferenz (Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika war an diesem äusserst heissen Tag erstaunlich gut besucht.

Überhaupt lohnte sich die an diesem Tag investierte Zeit. Es begann mit Musik durch die Band "Plug in", sowie einer weiteren Formation aus Musikerinnen und Musiker aus der methodistischen Kirchgemeinde in Schaffhausen, zusätzlich unterstützt durch den argentinischen Bischof Américo Jara Reyes.

In der Anmoderation zum Ordinationsgottesdienst ging es um Zeit. Etwa die, bei der eine zu spät kommende Person zur anderen pünktlichen meinte: "Menschen, die zu spät kommen, sind meist fröhlicher als die, welche auf sie gewartet haben."

In der herausfordernden Predigt von Bischof Patrick Streiff ging es um die Einheit von Christinnen und Christen und deren Bewahrung. Wen wundert gerade dieses Thema, angesichts des nun schon jahrelangen Ringens darum, wie bei verschiedenen Ansichten zur Homosexualität eine Kirchenspaltung verhindert werden könnte. So war erfreulich, das die Mitglieder der Jährlichen Konferenz am Vortag das Szenario "Kaleidoskop" deutlich angenommen hatten und damit für die Einheit der Kirche einen gangbaren Weg ebneten. (Siehe auch Blogbeitrag vom Samstag).

Und dann wäre da noch die Ordination von Sarah Bach und die Beauftragung von Renate Eschbach zum Dienst als Lokalpfarrerin. Für Frankreich wurden Alain und Nicole Deheuvels neu zum pastoralen Dienst beauftragt.

Über den Konferenzsonntag und die vorausgehenden Verhandlungen erfährt man alles wichtige in den EMK-News.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 19. Juni 2022

In der Kirche auf Zeit

Ein Zitat

Anregende Gespräche an der Tagung der Jährlichen Konferenz 2022 in Schaffhausen
Foto © Jörg Niederer

"Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen."
Groucho Marx (1890-1977)

Ein Bibelvers - Philipper 3,20

"Wir dagegen haben schon jetzt Bürgerrecht im Himmel. Von dort erwarten wir auch den Retter, den Herrn Jesus Christus!"

Ein Anregung

Wie attraktiv ist heute ein lebenslange Mitgliedschaft in einer einzelnen Kirche? Wohl wenig. Denn heute ist man auf Zeit engagiert, stellt sich zur Verfügung für Projekte und überschaubare Einsätze. Warum soll das nicht auch in der Kirche so sein? 

Aus diesem Grund diskutierte die Tagung der Jährlichen Konferenz (Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche die "Mitgliedschaft auf Zeit". Dabei gibt es mehrere Ziele: 

  • Eine verbindliche Mitarbeit in der Kirche soll auch auf Zeit einfacher möglich sein. 
  • Es wird deutlicher unterschieden zwischen Taufzugehörigkeit zu Christus und Kirchenzugehörigkeit zur Methodistenkirche. 
  • Es sollen einfachere Formulierungen möglich sein, um die komplexeren theologischen Taufbekenntnisfragen zu ergänzen. 

Die alternativen Formulierungen der Taufbekenntnisfragen gehen jeweils von einem Zuspruch aus und führen so ins Bekenntnis. Sie lauten. 

  1. Gottes Liebe zeigt sich uns in Jesus Christus – Vertraust du dich ihm an? 
  2. Jesus Christus schenkt uns die Gemeinschaft seiner Kirche – Willst du dich rufen lassen? 
  3. Jesus Christus befähigt uns, die Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen ins Zentrum zu stellen – Willst du darin wachsen? 
  4. Gott erzählt sich in der Bibel. – Willst du hinhören? 
  5. Die Kirche wird konkret, auch in der Evangelisch-methodistischen Kirche. – Willst du dich an ihrem Auftrag beteiligen? 

Zum Anliegen gab es viele Rückmeldungen, Anfragen und Bedenken. Sie führten zu einer Rückweisung des Geschäfts, nicht ohne die Erwartung, dass an den Mitglieschaftsthematik weitergearbeitet werden soll.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Samstag, 18. Juni 2022

Methodisten: Zusammenbleiben - um welchen Preis?

Ein Zitat

Bischof Patrick Streiff mit einem Kaleidoskop-Werbegeschenk der Jährlichen Konferenz 1994 in Winterthur.
Foto © Jörg Niederer
"Komm wir malen uns das Leben Bunt und nicht Schwarz-Weiß, denn wir beide wissen was Liebe heißt." Herkunft unbekannt.

Ein Bibelvers - Römer 15,7

"Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, damit die Herrlichkeit Gottes noch größer wird."

Ein Anregung

Heute beschliesst an der Tagung der Jährlichen Konferenz die Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika die Weise, wie sie mit unterschiedlichen Ansichten von Sexualität und Eheverständnis umgehen will. Dabei handelt es sich vorerst um eine Absichtserklärung, welche noch weitere Entscheidungen benötigt auf weltweiter Ebene. Aber es zeichnet sich ab, dass das Szenario "Kaleidoskop – den Missionsauftrag leben" angenommen werden könnte. 

 Das Szenario "Kaleidoskop" beschreibt den Weg, wie bei der Sexualität unterschiedlich denkende Menschen in einer Kirche zusammenbleiben können. Neu wurde dem Szenario, nebst der Forderung auf Streichung aller qualifizierender Aussagen zu Homosexualität in der Kirchenordnung, weitere alternative Möglichkeiten beigefügt. Auch das Adaptionsrecht bei der Kirchenordnung wurde stärker gewichtet. 

Was bedeutet das Szenario Kaleidoskop? Die Kirche, die Bezirke und die Gemeinden konzentrieren sich auf den Missionsauftrag in ihrem und für ihren jeweiligen Kontext. Weil die Bewertung von Homosexualität und Fragen des Umgangs mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen die Methodistinnen und Methodisten in ihrem gemeinsamen Bekenntnis und in ihrer gemeinsamen Mission nicht trennen sollen, befürworten alle, dass verschiedene Überzeugungen rund um Eheschliessung und pastoralen Dienst und die dazugehörige Praxis gleichberechtigt möglich sind.

Bereits am Donnerstag begannen die Beratungen und der Austausch zum Kaleidoskop. Einerseits ging es um eine Positionierung, aber auch um den Austausch zwischen den verschiedenen Positionen. 

Am Freitag formulierten Menschen ihre Grenzen und ihre Bereitschaft, beim Kaleidoskop mitzuwirken. Erwähnt wurden dabei das Schriftverständnis, den besseren Einbezug der traditionell denkenden Menschen, aber auch die Frage, wie Minderheiten ihren gleichberechtigten Raum erhalten. Wie aber kann eine "false balance" verhindert werden, bei der nach Aussen das Bild verzerrt wird zugunsten einer Minderheitenmeinung.

Zuletzt: Dass das Bild vom Kaleidoskop schon eine lange Tradition bei den Methodistinnen und Methodisten kennt, erwähnte der Bischof ganz zu Beginn beim Eintrittsvotum dazu. Dort präsentierte er nämlich ein Kaleidoskop, das an einer Tagung der Jährlichen Konferenz 1994 in Winterthur als Werbegeschenk abgegeben worden war.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 17. Juni 2022

Wurzeln im Himmel

Ein Zitat

Ikonenmalerei an einem etwas versteckten Haus der Universität Freiburg.
Foto © Jörg Niederer
Gottes Liebe ist die Wurzel aller Hoffnung in der Welt.

Ein Bibelvers - Jeremia 17,7+8

"Segen dagegen für den Mann, der auf den Herrn vertraut und dessen Zuversicht der Herr ist! Er gleicht einem Baum, der am Wasser gepflanzt ist. Seine Wurzeln streckt er hin zum Bach. Vor der Hitze fürchtet er sich nicht, seine Blätter bleiben grün. Selbst ein trockenes Jahr macht ihm nichts aus, und er hört nicht auf, Frucht zu bringen."

Ein Anregung

Versteckt etwas abseits vom auffälligen Betongebäude der Universität Freiburg, an der Rückseite eines Hauses, nur zu erreichen durch einen verwilderten Garten, findet sich eine Juwel. Die Stirnseite des zweistöckigen Hauses ist bemalt im Stil der rumänischen Ikonenmalerei. Es ist ein reichhaltiges Werk, mit Sündenfall und Himmel, mit Mose und Aristoteles, mit Abrahams Schoss und Sophia. Aber auch mit Maria und dem Jesuskind.

Darunter sieht man einen verkehrten Baum. Die Wurzeln ragen hinauf, zu Christus. Die grüne Krone zeigt nach unten. Der Segen, die Kraft, das Leben gründet bei Gott, im Himmel. Und daraus entsteht Frucht und Leben auf der Erde.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Donnerstag, 16. Juni 2022

Apokalyptisch hoffen und glauben

Ein Zitat

Das Gemälde von Maurice Barraud zum Kampf der Frau mit dem Drachen (aus Offenbarung 12) in der Universitätskapelle Miséricorde in Fribourg
Foto © Jörg Niederer
"Dass dereinst eine Sintflut war, scheint mir kein so großes Wunder wie dies, dass nicht immer eine ist." Thomas Browne (1605-1682), englischer Philosoph

Ein Bibelvers - Offenbarung 12,4

"Der Drache stand vor der Frau, die gerade ihr Kind zur Welt brachte. Denn er wollte das Kind verschlingen, sobald sie es geboren hatte."

Ein Anregung

Die Kapelle Miséricorde ist Teil der Universität in Fribourg. Sie wurde von den Architekten Fernand Dumas und Denis Honegger als typischer Bau der Zwischenkriegsjahre im Stil der "nouvelle tradition" gebaut. Die Kapelle ist ein Beispiel für die von der 1927 entstandenen Lukasgesellschaft geprägten Idee eines Gesamtkunstwerkes mit einheitlichem Konzept, an dem mehrere Künstler beteiligt sind. 

Am 7. Mai 1944 wurde die Kapelle eingeweiht, damals noch ohne die apokalyptischen Bilder des Genfer Künstlers Maurice Barraud (1889-1954). Diese folgten erst 1946.

An der einen Wand ist der Kampf zwischen Frau und Drache dargestellt, wie er in Offenbarung 12 beschrieben wird. Der Seher Johannes sitzt mitten in der Vision und sieht, nicht ohne Furcht: Noch ist der siebenköpfige Drache nicht besiegt. Doch die Frau hat das Kind (Christus) geboren. In der Folge wird es aus Todestiefen in den Himmel entrückt. Die Frau (die Kirche) aber überlebt weitere Angriffe der Schlange.

Es ist ein passendes Bild für die Nachkriegszeit. Das Weltkriegs-Morden ist vorüber, die Welt hat überlebt, die Kirche ebenso. Doch nach wie vor sind beide bedroht. Die Geschichte vom Kampf der Frau mit dem Drachen endet in der Bibel denn auch mit dem unheilschwangeren Satz: "Der Drache trat an den Strand des Meeres".

Was mir am Bild auffällt: Wie gelassen die Frau wirkt; wie das Kind nicht von dem Drachen zurückweicht. In aller Bedrohung ist da eine grosse Sorglosigkeit. Hoffnung, die nicht zerstört werden kann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 15. Juni 2022

Schwirrflug eines kleinen Gierschlunds

Ein Zitat

Ein Taubenschwänzchen labt sich an Blüten im Botanischen Garten St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Der Sinn des Lebens ergibt sich aus unserem Tun." Fred Ammon

Ein Bibelvers - 1. Mose 3,19

"Im Schweiße deines Angesichts wirst du Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst. Denn aus ihm bist du gemacht: Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück."

Ein Anregung

Von 0 auf 70 in sechs Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, Reichweite 2000 km. Nein, ich spreche nicht von einem eher schlechten Auto. Ich spreche vom Taubenschwänzchen, einem Nachtfalter, der auch tagsüber fliegt. Genauer, er fliegt Tag und Nacht, denn dieser Kolibri unter den Insekten braucht täglich das Doppelte des eigenen Körpergewichts an Nahrung. Nektar, den er mit einem langen Rüssel aus den Blüten saugt, während er wie eine Drohne in der Luft stillsteht. Dafür müssen seine Flügel 60 Mal pro Sekunde schlagen, damit er die Energie zu sich nehmen kann, die er zum Fliegen braucht. Das Taubenschwänzchen fliegt also, damit es tanken kann, damit es fliegen kann, damit es tanken kann, damit es fliegen kann...

Nun, bei uns Menschen ist es ja ähnlich: Wir arbeiten, damit wir Geld erhalten. Dieses Geld ist dazu da, damit wir Essen kaufen können. So gestärkt können wir arbeiten, und das Geld verdienen für das tägliche Leben, usw.

Da stellt sich doch tatsächlich wieder einmal die Sinnfrage. Worin besteht für das Taubenschwänzchen die Freude im Leben? Was ist mein Lebensinhalt?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 14. Juni 2022

Menschen und Regionen im Kongo

Ein Zitat

Die Gesellschaft und Kirche im Kongo besteht aus vielen jungen Menschen
Foto © Jörg Niederer
"Wir bitten dich besonders für die vielen jungen Menschen ohne Perspektive: dass sie eine Arbeit in Würde finden." Gebetsbitte für die Kirche im Kongo

Ein Bibelvers - 4. Mose 12,1

"[Mose] hatte eine Frau aus einem fremden Volk geheiratet. Sie stammte aus dem Land Kusch [Nubien]."

Ein Anregung

Jeden Monat regt das Hilfswerk Connexio an, für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Aufgabe zu beten. Aktuell steht die Kirche in der Demokratischen Republik Kongo im Zentrum. Dazu schreibt Connexio: 

"In diesem Monat denken wir besonders an die Menschen und die Kirche im Kongo. Politische Instabilität, bewaffnete Konflikte, ungerechte Verteilung des Rohstoffreichtums, Korruption und Armut prägen das Leben der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo seit Jahren. Junge Menschen finden keine Arbeit und leiden an fehlenden Perspektiven. Die Covid-Krise hat die wirtschaftliche Situation noch verschlechtert: Viele leben von dem, was sie jeden Tag erwirtschaften. Eltern fehlt das Schulgeld für ihre Kinder. In einigen Gebieten hat die Bevölkerung nicht mehr ausreichend zu Essen. Mit ihren Projekten möchte die Kirche die Lebensbedingungen verbessern und Hoffnung weitergeben." 

Das riesige zentralafrikanische Land ist landschaftlich unglaublich vielseitig. Da wären zum Beispiel die Mondberge an der Grenze zu Uganda. Diese eisbedeckte Ruwenzori-Bergkette ragt über 5000 Meter auf. Auch die Erhaltung der einzigartigen Natur und Vielfalt ist ein wichtiges christliches Anliegen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 13. Juni 2022

Hoffnungs- und Freudenmensch

Ein Zitat

Himmuchrigeli Christian Studer auf dem Kolumbansweg bei Arbon
Foto © Jörg Niederer
"Was immer das Leben mir zuwirft – ich nehme es und bin dankbar dafür." Tom Felton, geb. 1987, Schauspieler

Ein Bibelvers - Hebräer 11,1

"Der Glaube ist ein Festhalten an dem, worauf man hofft – ein Überzeugtsein von Dingen, die nicht sichtbar sind."

Ein Anregung

An ihm ist kein Vorbeikommen, ohne dass es zu einem Gespräch kommt. Christian "Himmuchrigeli" Studer steht im Wald und ist überzeugt: Das musste so geschehen, dass wir uns hier treffen. Mit der Nikon-Kamera hat er eben den Wanderwegweiser abfotografiert. Das sei sein Auftrag, den Kolumbansweg von Basel her zu dokumentieren.

In der Hand hält er den hölzernen Wanderstab. Markierungen daran weisen ihn auch als Jakobspilger aus. Der ehemalige Verdingbub (ein Buch darüber ist 2020 entstanden) erzählt, wie er vor einigen Jahren sein Auto verkauft und vom Geld hohe Wanderschuhe gekauft habe. Seit dann sei er zu Fuss vorwiegend in der Schweiz unterwegs ist. 

Noch mehr erzählt er, von guten und schlechten Bekanntschaften auf dem Weg, wobei er mit viel Humor den schlechten wenig Bedeutung beimisst. Auch in seinem Kommentar zum Buch zeigt sich, wie wenig nachtragend er ist (beim Wandern ist "nachtragen" sowieso zu vermeiden!):

"Wichtig in meinem Buch ist, dass ich keiner einzigen Person etwas Übles nachrede, ihr Schlechtes wünsche und niemandem, den ich namentlich nenne, in irgendeiner Form nahetreten will. Im Gegenteil: Vielen bin ich dankbar, dass sie uns unter diesen schwierigen Verhältnissen immer wieder geholfen haben. Klar gab es auch viel Unschönes, aber wo gab es dies nicht? Jenen, die heute noch lachen und sich über meine Verdingkindzeit lustig machen, möchte ich mit diesem Buch aufzeigen, dass ich mich gerade trotz dieser schwierigen Zeit in keiner Art und Weise verstecken muss." 

Wie kommt es, dass es immer wieder Menschen gibt, die Unrecht, das ihnen angetan wurde, nicht loswerden, und andere wie der Himmuchrigeli, die selbst im Trüben noch Sonnenlicht tanken?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 12. Juni 2022

Das Spiel der Hermeline

Ein Zitat

Junges Hermelin in einer Hecke bei Wittenbach
Foto © Jörg Niederer
"Wenn ich mit meiner Katze spiele, bin ich nie ganz sicher, ob nicht ich ihr Zeitvertreib bin." Michel de Montaigne (1533-1592)

Ein Bibelvers - Hiob 12,7-9

"Frag doch das Vieh, es wird dich belehren, und die Vögel des Himmels, die sagen es dir! Oder rede mit der Erde, sie wird dich belehren, die Fische im Meer erzählen es dir. Wer weiß denn nicht von ihnen allen, dass die Hand des Herrn die Welt gemacht hat?"

Ein Anregung

Bisher habe ich es erst zweimal erlebt. Das eine Mal als junger Mann, das andere Mal gestern, zusammen mit meiner Frau bei Wittenbach auf einem kleinen Strässchen entlang einer Hecke. Plötzlich waren da fünf oder sechs junge Hermeline, die ausgelassen in ihr Spiel vertieft uns bis auf 2 Meter heranliessen. Sie sprangen sich an, jagten einander nach, kugelten sich in wildem Kampf.

Das Treiben war so lebensfreudig, so lustvoll, so unbelastet, es tat einfach gut. Wir konnten nicht weggehen von diesem Ort, ohne Euphorie, Hoffnung und Ehrfurcht ob dieser Überfülle an Leben.

An diesem Sonntag möchte ich dafür danken, dass ich diese besonderen Momente erleben darf, in denen Aussergewöhnliches durch Alltägliches geschieht. Meist bin ich nicht mitten im Geschehen. Doch wenn ich es einmal war, bleibt es als kostbare Erinnerung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 11. Juni 2022

Fahrzeugstau geht nicht allein

Ein Zitat

Stau vor dem Gotthard-Nordportal
Foto © Jörg Niederer
Man steht immer deshalb im Stau, weil man selbst dort ist. Folglich nehme man sich selbst an der Nase.

Ein Bibelvers - Joel 2,13

"Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider! Ja, kehrt um zum Herrn, eurem Gott: Reich an Gnade und Barmherzigkeit ist er, unendlich geduldig und voller Güte. Er ist einer, dem das Unheil leid tut."

Ein Anregung

Gestern lass ich im St. Galler Tagblatt über eine Untersuchung, die aufzeigt, wer am Stau auf den Strassen schuld ist. Verantwortlich ist dafür an erster Stelle der Freizeitverkehr, dann der Berufsverkehr und an dritter Stelle der Einkaufsverkehr. Kommen zu bestimmten Zeiten alle drei Bereiche zusammen, wird es besonders eng.

Stau ist ein Massenphänomen. Es setzt voraus, dass viele das Selbe tun. Was würde wohl geschehen, wenn viele dem Stau aus dem Weg gehen? Gäbe es dann keinen Stau, oder wie beim Ausweichverkehr, einfach an einem andern Ort? Geht es also gerade einmal nicht mehr weiter, braucht es Geduld.

Wo es nicht mehr weiter geht, kann man daraus lernen. Theologisch nennt man dieses Lernen "Umkehren" (Aber bitte nicht auf der Autobahn!). Warum nur gibt es so viele Menschen, die genau das nicht können: Umkehren? Denn für mich ist es glasklar, warum man im Stau steht. Weil man selbst dort ist. Und genauso klar ist, warum man nicht im Stau steht: Weil man selbst nicht dort ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 10. Juni 2022

Gegen den Tod im Mittelmeer - Beim Namen nennen

Ein Zitat

Die ersten Namen von verstorbenen Flüchtlingen werden aussen an der Kirche St. Laurenzen aufgehängt.
Foto © Jörg Niederer
"Im Jahr 2022 (Stand: 15. Mai 2022) starben bisher 689 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer. Seit dem Jahr 2014 waren bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 24.023 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken." statista

Ein Bibelvers - Psalm 137,1

"An den Kanälen von Babylon, da saßen wir und weinten, als wir an den Zion dachten."

Ein Anregung

Auch in diesem Jahr findet die Aktion "Beim Namen nennen" in St. Gallen statt. Seit 1993 sind über 48'000 Menschen auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen. Am 17./18./19. Juni setzten engagierte Menschen dagegen ein Zeichen.

Erneut wird die Gedenkaktion "Beim Namen nennen" durchgeführt für die mehr als 48 000 Flüchtlinge, die beim Versuch nach Europa zu flüchten, gestorben sind. Im Flyer finden sich sämtlicher Information über die Aktion.

Ziel ist, während 24 Stunden die Namen der Verstorbenen zu verlesen, über 25'000 Namen von den Verstorbenen auf Stoffstreifen zu schreiben und rund um die St. Laurenzenkirche aufzuhängen.

Es brauchen noch ganz viele helfenden Hände. Auf dieser Webseite erfährt man, wie das geschehen kann.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 9. Juni 2022

Blinder Passagier erschreckt Bahnkunden

Ein Zitat

Steinfliege mit wunderschön geäderten Flügeln
Foto © Jörg Niederer
"Wenn man keine Zähne mehr hat, kommen die besten Beefsteaks." Auguste Renoir (1841-1919), französischer Maler des Impressionismus

Ein Bibelvers - Jesaja 7,18+19

"Zu der Zeit pfeift der Herr die Fliegen herbei von den Mündungen des Nil. Und er lockt die Bienen an aus dem Land Assyrien. Die kommen und lassen sich überall nieder: in Schluchten und Felsspalten, an Dornenhecken und Wasserstellen."

Ein Anregung

Ich sass auf dem Heimweg im Zug von St. Gallen nach Wil. Jemand sagte: "Mann ist der gross. Wollen wir uns trotzdem hinsetzen?" "Ach nein", hörte ich eine Männerstimme antworten: "Da hinten hat es noch freie Abteile". Die Sitzgruppe blieb leer, bis es wirklich keinen Platz mehr in anderen Abteilen hatte. Und wieder sagte jemand: "Was ist den das für ein Viech?"

Nun war meine Neugier vollends geweckt. Was ich entdeckte, war ein etwa 4-5 cm langes, schmales, schwärzliches Insekt mit langen Flügeln. Es kletterte auf den Sitz, wurde wieder weggestossen, flog auf die andere Seite. Ich zog eine Migros-Einkaufstasche aus dem Rucksack, und liess das Tierchen hineinspazieren. Aus dem Nachbarabteil kam die erstaunte Bemerkung: "Ach sie wollen das Tier retten!" Ich bestätigte kurz und dachte bei mir: Warum sollte ich ein kleines Tier, das ich zuvor noch nie gesehen habe, töten. Vielleicht ist es ja das Letzte seiner Art, und überhaupt... 

Nun wollte ich wissen, was das für ein Insekt ist. So fragte ich in einem Facebook-Forum zur Bestimmung von Insekten und Spinnen nach, und erhielt innert einer halben Stunde die richtige Antwort: Es ist eine Steinfliege. Es gibt in der Schweiz mehr als 100 Arten. Die Grössten haben eine Körperlänge von 3 Zentimetern und eine Flügelspannweite von 11 Zentimetern. Die Larven leben im Wasser. Eine Art von Steinfliegenlarven hat blaues Blut. Eine andere Steinfliege ist flugunfähig und lebt auf Gletschern. Steinfliegen haben hohe Ansprüche an das Wasser. Wo sie leben, ist die Umwelt noch weitgehend intakt.

Wenn die Tiere ihrem Larvenstadium entwachsen und zu "Imagines" (siehe Foto) herangewachsen sind, können sie nicht mehr fressen und nur noch Wasser trinken. Die Tierchen sind dann für die Menschen völlig harmlos. Das ist im Larvenstadium noch anders. Larven der grösseren Arten können Menschen empfindlich in den Finger beissen. Doch im letzten "zahnlosen" Stadium ihres Lebens geht es nur noch um die Fortpflanzung.

Bei genauerem Hinschauen wird also aus den schwarzen, bedrohlich wirkenden Insekt, das Bahnpassagiere erschreckt, ein kleines, faszinierendes Geschöpf, mit unglaublich schön geäderten Flügeln. Faszinierend!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 8. Juni 2022

Das Rimini der Fliegen

Ein Zitat

Kleine Fliegen sonnen sich auf einem Stahlseil
Foto © Jörg Niederer
"Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein." Ingeborg Bachmann (1926-1973), österreichische Schriftstellerin

Ein Bibelvers - Psalm 121,6-8

"Am Tag wird dir die Sonne nicht schaden und der Mond nicht in der Nacht. Der Herr behütet dich vor allem Bösen. Er wacht gewiss über dein Leben. Der Herr behütet dein Gehen und Kommen von heute an bis in alle Zukunft."

Ein Anregung

Sonnenhungrig versammelten sich tausende von kleinen Fliegen an allen besonnten Stellen im Wald. Ganz offensichtlich fühlten sie sich wohl in der Wärme und dem Licht. Sobald ich mich ihnen näherte, flogen sie auf, um wenige Augenblicke später wieder in die Sonne zurückzukehren.

Hat wohl schon jemand untersucht, ob es unter den Fliegen auch so etwas wie den Kampf um den besten Platz an der Sonne gibt? Legen sie kleine Handtücher auf ihre Liegestellen? Geniessen sie die Nähe der andern Fliegen, oder sind sie sich gegenseitig eher lästig und wünschten sich einen leeren "Fliegenstrand"? Wie ist es mit dem Sonnenschutz?

In heissen Ländern fliehen die Einheimischen vor der Sommerhitze in die kühle der Häuser, und die Touristen legen sich an die heisse Strände in die pralle Sonne.

Wie sieht dein rechtes Mass aus: Eher Sonnenanbeterin, Sonnenanbeter oder Schattenflüchtling?

Wie sieht dein Glaubensmass aus: Eher Gottes Anbeter, Anbeterin, oder zufrieden mit dir selbst?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde