Donnerstag, 30. September 2021

Wie weiter in Freikirchen mit der Ehe für alle

Ein Zitat

Pfarrer Stefan Zolliker, einer der Gesprächspartner im Livenet-Talk zur Ehe für alle
Foto © Jörg Niederer
"'Es sind alle Willkommen, aber das Ziel ist die Ehe.' Nach diesem Kriterium vom ICF hätten auch Jesus und Paulus das Ziel verfehlt. Keiner war verheiratet. Keiner hatte Kinder." Ann Dällenbach, Theologin

Ein Bibelvers - Psalm 139,14-16

"Ich danke dir und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin. Ich weiß, wie wundervoll deine Werke sind. Nichts war dir unbekannt am Aufbau meines Körpers, als ich im Verborgenen geschaffen wurde – ein buntes Gewebe in den Tiefen der Erde. Ich hatte noch keine Gestalt gewonnen, da sahen deine Augen schon mein Wesen."

Ein Anregung

Kurz nachdem die Stimmberechtigten in der Schweiz die Ehe für alle angenommen haben, stellt sich in den Freikirchen die Frage, wie nun damit umzugehen sei. Sollen nun auch Homosexuelle den kirchlichen Segen für die Ehe erhalten? 

In einem Livenet-Talk unter der Leitung von Chefredaktor Florian Wüthrich diskutierten Ann Dällenbach, Theologin und ehemalige Pfarrerin in der Evangelisch-methodistischen Kirche (sie weiss seit drei Jahren, dass sie Queer ist); Christian Haslebacher, Vorstandsmitglied im Dachverband Freikirchen.ch und Regionalleiter Ostschweiz bei der Chrischona; sowie Stefan Zolliker, Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Winterthur und in der Regenbogenkirche Zürich Wollishofen. 

Was am Gespräch auffällt, ist der sorgfältige, wertschätzende Umgang miteinander, bei dem gleichwohl auch klare Positionen vertreten wurden. 

Eindruck gemacht hat Ann Dällenbach. Angesichts der auch medizinischen Realität von queeren Menschen sprach sie von ihrer Identität als Schöpfung Gottes. Homosexuelle würden nicht nur so "empfinden" sondern sie sind es. Homosexualität ist ihre Identität, die sich in keiner Weise ändern lasse. Wenn dann in Kirchen diese Identität als Sünde eingeordnet werde, fühle sie sich eben z.B. als Homosexuelle nicht willkommen, auch wenn das Kirchen immer wieder so formulieren würden. 

In sympathischer, persönlicher Art vertrat Christian Haslebacher die Gegenposition und versuchte zu erklären, warum es für ihn und die Chrischona nicht möglich sei, gleichgeschlechtliche Ehen zu segnen. 

Stefan Zolliker dagegen hofft, dass dies bald auch in seiner Arbeit in einer LGBTQ-Gemeinschaft möglich sein kann. Zurzeit wird die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare noch verunmöglicht durch das Kirchenrecht der weltweiten EMK. 

Den ganzen Livenet-Talk kann hier angeschaut werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 29. September 2021

Die Erosion in Gebirge und Kirche

Ein Zitat

Karrenfeld zwischen Gamserrugg und Käserrugg
Foto © Jörg Niederer
"Verurteile niemanden dafür, dass er nicht so denkt, wie du denkst: Jeder Mensch soll die volle und uneingeschränkte Freiheit haben, für sich selbst zu denken. Jede Person soll für sich selbst urteilen, denn jeder Mensch muss vor Gott Rechenschaft ablegen." John Wesley

Ein Bibelvers - Matthäus 7,1+2

Jesus: "Ihr sollt andere nicht verurteilen, damit Gott euch nicht verurteilt. Denn das Urteil, das ihr fällt, wird euch treffen. Und der Maßstab, den ihr an andere anlegt, wird auch für euch gelten."

Ein Anregung

Zwischen Gamserrugg und Chäserrugg, da wo die Wintersportler auf dem Schnee über die Ostabfahrt talwärts schwingen, offenbart sich im Sommer ein ansehnliches Karrenfeld. Auf dieser relativ flachen, freiliegenden Kalkformation haben sich durch chemische Zersetzung die typischen Schrunde und Schratten gebildet. Wie steingewordene Sorgenfalten überziehen sie die sanften Hänge und machen ein Durchkommen zu einem Balanceakt auf Steinsrippen. 

Auch unterirdisch verläuft die Erosion nach den selben Gesetzmässigkeiten, es bilden sich Höhlen, da wo das Wasser sich einen Weg zu Tal sucht. Dolinen sind nicht selten Eingänge in eine faszinierende Unterwelt. Geologische Orgeln - senkreckte hohle Felspfeiler - gleichen den Orgelprospekten in den Kirchen. 

Für uns Menschen ist die Erosion ein langsamer Prozess. So langsam, dass es schwerfällt, die Veränderungsprozesse wahrzunehmen. Was wir sehen können, sind dessen Ergebnisse. 

Geschieht ähnliches in übertragener Weise auch in Kirchen? Stehen wir heute vor dem Ergebnis eines lange andauernden Zersetzungsprozesses, in dessen Verlauf wir es zunehmend verlernt haben, mit unterschiedlichen Glaubensansichten konstruktiv zurechtzukommen? Oder wie ist es zu verstehen, dass wir heute der Gefahr, über andere zu urteilen, scheinbar leichter erliegen als zur Zeit, als sich die methodistische Reformbewegung bildete und John Wesley die Verantwortung über das Denken jedem Individuum zugestand.

Heute will ich besonders darauf achten, dass ich aufgrund des Denkens meiner Mitmenschen nicht über Wert oder Unwert ihres Glaubens unterteile.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 28. September 2021

Einsicht in das Leben von Bischof Patrick Streiff

Ein Zitat

Bischof Patrick Streif an der Jährlichen Konferenz 2021 in Thun
Foto © Jörg Niederer
"Ich frage die Leute beim Kaffee oft, wie sie zu dieser Kirche gekommen sind, oder wie Sie Christus in Ihrem Leben erfahren haben. Das sind so faszinierende Geschichten. Das hilft mir persönlich auch für meinen Glauben." Bischof Dr. Patrick Streiff

Ein Bibelvers - 2.Timotheus 1,10 (Tageslosung der Herrnhuter Brüderunität)

"Aber jetzt wurde diese Gnade offenbar durch das Erscheinen unseres Retters Christus Jesus. Er hat den Tod besiegt und durch die Gute Nachricht unvergängliches Leben ans Licht gebracht."

Ein Anregung

In diesen Tagen führte Joe Iovino mit Dr. Patrick Streiff ein Interview in englischer Sprache, um den Evangelisch-methodistischen Bischof von sechzehn mittel- und südeuropäischen Ländern einem amerikanischen Publikum näher zu bringen. In diesem Gespräch erfährt man vieles, das wohl auch im deutschsprachigen Raum nicht allen bekannt ist. Oder wusstest du, dass Patrick Streiff in seiner Jugend stark von der praktisch umgesetzten Theologie eines Helder Câmara und einer Dorothee Sölle beeinflusst war? 

Gefragt nach seinem Elternhaus erzählt Patrick Streiff: "Das andere Element... ist, dass mein Vater eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen hat. Er kam ursprünglich aus einem katholischen Umfeld, zu einer Zeit, als die römisch-katholische Kirche sehr engstirnig war. Wenn er von seiner Zeit in der Kirche erzählte, sagte er, er habe nur von Heiligen gehört und was man alles tun und lassen sollte. Als er dann erwachsen wurde und studierte, verlor er mehr und mehr den Kontakt zur Kirche. Aber er hat meiner Mutter immer erlaubt, sehr aktiv in der Kirche zu wirken. Kirche war einfach etwas, das ihm aus biografischer Sicht Probleme bereitete.
Das hat mich auch in meinem Wachstum beeinflusst. Das wurde mir später klar, als ich studierte. Ich hatte einige Studienkollegen in der methodistischen Kirche, die in einer, wie ich sagen würde, methodistischen Blase aufgewachsen sind. Ich bin dagegen in einem Umfeld aufgewachsen, in dem mein Vater - auf eine gute Art und Weise - auch kritisch gegenüber den Frage des Glaubens und nach Gott war. Und dann war da meine Mutter, die auf positive Weise einen kindlichen Glauben lebte. Sie können sich vorstellen, dass dies für meinen Bruder und für mich auch eine Herausforderung war. Welchen Weg soll ich gehen? Während meiner Teenagerjahre war das für mich eine stets präsente Frage: Was ist mein eigener Weg? Finde ich meinen eigenen Glaubensweg?" 

Patrick Streiff folgert aus dem Gesagten: "Ein weiteres Element, das auf dieser Glaubensreise wichtig war: Ich war schon immer ein Mensch, der eine gewisse Freiheit im Denken braucht und auch mit denen zusammen sein will, die kritische Fragen stellen. Das ist der Teil meines Vaters in mir. Aber ebenso ist da der Teil meiner Mutter, die Gott wirklich vertraut hat."

Später dann schrieb Patrick Streiff seine Doktorarbeit über John William Fletcher. Ein australischer Methodist machte ihn auf folgende Erkenntnis aufmerksam: "Es ist interessant, dass Fletcher im Methodismus lange Zeit als der Heilige des Methodismus angesehen wurde. Ich fand das sehr bemerkenswert: Der wichtigste Theologe nach John Wesley, der die gleiche Ausstrahlung eines Heiligen wie Wesley hatte, weil er ein vorbildliches Leben der Heiligkeit, der christlichen Vollkommenheit für die Menschen lebte. Ich denke, es ist ziemlich selten, dass Theologen auch jene sind, die ein vorbildliches Leben der praktischen Nächstenliebe führen."

Das ganze Interview mit Bischof Patrick Streiff kann hier auf Englisch gelesen und angehört werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Montag, 27. September 2021

Geld anhäufen ist eine brotlose Kunst

Ein Zitat

Rosette an schmiedeisernem Tor einer riesigen Villa in Dully am Genfersee
Foto © Jörg Niederer
Will Gott einem Menschen schaden, lässt er ihn reich werden.

Ein Bibelvers - Markus 8,36

"Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben dabei verliert?"

Ein Anregung

Ich werde das Gefühl nicht los, dass Reichtum keine gute Idee ist. Diese ständige Konzentration auf Besitz, auf Geld, auf noch mehr Geld, glücklicher scheint es die Reichen nicht zu machen. Natürlich ist Armut auch nicht gut, macht auch nicht glücklich, auch wenn das immer einmal wieder behauptet wird mit Blick auf sogenannt fröhliche arme Menschen in den armen Regionen der Welt.

Gut ist es, wenn Menschen immer genug zum Leben haben, und wenn sie erfahren, dass ihnen zur rechten Zeit geholfen wird. 

Aber welchen Sinn macht es, superreich zu sein? Kohelet ortet den Grund im Neid der Menschen untereinander und bezeichnet es als Windhauch und vergebliche Anstrengung. (Prediger 4,4) Das Lebensziel "Reichtum" ist vermutlich sinnloser als alles, was man anstreben kann. Im Endeffekt führt es nur dazu, dass man einmal mehr verliert als alle andern, dann, wenn die letzte Stunde geschlagen hat.

Von Jesus ist kein Wort über die Homosexualität überliefert. Aber vor dem Reichtum warnt er in verschiedensten Zusammenhängen. "Eher komme ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich", meint er angesichts eines Mannes, der sich nicht von seinem Besitz lösen konnte (Lukas 18,15-30). Auch erzählt er ein Gleichnis über einen reichen Spekulanten an der Warenterminbörse, der bei seinen Plänen, noch mehr Güter anzuhäufen, nicht mit der Endlichkeit des eigenen Lebens rechnete (Lukas 12,16,21). 

Selbst hat Jesus genau das Gegenteil angestrebt. Er widerstand der Versuchung, die ganze Welt zu besitzen (Matthäus 4,8-10).

Wenn Reichtum so "lebensgefährlich" ist, warum nur bewundern viel die Reichen, und wollen nicht, dass die Güter dieser Welt gleichmässiger verteilt werden? Ist es vielleicht, weil sie sich sagen: Reichen kann am besten mit Reichtum geschadet werden? Oder steckt dahinter der Traum, selbst einmal reich zu sein?

Also ich werde das Gefühl nicht los, dass Reichtum keine gute Idee ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 26. September 2021

Ein Baum kehrt um

Ein Zitat

Kurios gewachsener Baum an der Lorze bei Unterägeri
Foto © Jörg Niederer
"Der auf halbem Weg umkehrt, irrt nur um die Hälfte." Sprichwort

Ein Bibelvers - Johannes 8,12

"Ein anderes Mal sprach Jesus zu den Leuten. Er sagte: 'Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, irrt nicht mehr in der Finsternis umher. Vielmehr wird er das Licht des Lebens haben.'"

Ein Anregung

Dass Stämme von Bäumen in Hanglagen die typische Alphornform ausbilden, ist an vielen Orten zu beobachten. Doch der fotografierte Baum kehrte ganze 270° um, nachdem er wohl einige Zeit durch äussere Umstände in die falsche Richtung gezwungen wurde. Bäume wachsen, wenn sie können, selbstverständlich dem Licht entgegen, was auch diesem Baum dann schlussendlich gelang.

Umkehren ist immer dann geboten, wenn die Richtung nicht mehr stimmt. Das ist bei Bäumen so wie auch bei Menschen. Wenn Menschen sich nach dem ausrichten, der von sich gesagt hat: "Ich bin das Licht der Welt", dann erfolgt die Umkehr so selbstverständlich wie bei den Bäumen.

Manchmal will man die Notwendigkeit zur Umkehr nicht wahrhaben: "Nur weitergehen, irgendwo gibt es dann schon einen Ausweg". Und so zieht sich die Umkehr dahin, und der Weg zum Licht wird immer länger.

Also wünsche ich euch an diesem Sonntag eine schnelle Einsicht in jede geforderte Umkehr. Verliert das Licht Gottes nicht aus den Augen!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 25. September 2021

Der Gesundheitszustand von Wald und Mensch

Ein Zitat

Herbstlicher Wald im Jura
Foto © Jörg Niederer
"Bäume sind offensichtlich vernünftiger als wir, sie streben immer nach dem Licht." Anke Maggauer-Kirsche

Ein Bibelvers - Hesekiel 34,25

"Ich schließe mit ihnen einen Bund des Friedens. Ich töte alle wilden Tiere im Land. Meine Schafe werden in den Wäldern schlafen und in der Wüste in Ruhe und Frieden leben."

Ein Anregung

Drohnen können töten, sie können Rehkitzen das Leben retten, sie ermöglichen atemberaubende Film- und Fotoaufnahmen, sie transportieren Pakete und neuerdings können sie auch den Zustand des Waldes analysieren.

Wie stark der Wald gestresst ist, etwa durch Trockenheit, wurde bisher durch zeitaufwendige Analysen von Jahrringen, Nadeln und Blättern vorgenommen. Unter der Projektleitung von Petra D'Odorico fand man nun heraus, dass durch eine Multispektralkamera an einer Drohne viel schneller grössere Waldpartien auf den Gesundheitszustand untersucht werden können. Der teilweise künstlich bewässerte Pfynwald war für dieses Forschungsprojekt besonders geeignet. Unter Trockenheit und Krankheiten leidende Bäume reflektieren das Sonnenlicht der Baumkronen anders als gesunde Bäume. Ein Video auf Youtube veranschaulicht das sehr eindrücklich.

Nun Frage ich mich, ob der Gefühlszustand von uns Menschen auch via Multispektralkamera analysiert werden könnte. Gäbe es dabei Unterschiede zwischen Menschen in der Stadt und auf dem Land, zwischen Frauen und Männer, zwischen Partyfolk und Altersheimbewohner*innen, zwischen Glaubenden und Zweifelnden? 

Im Weiteren sei auch noch einmal auf den Crashkurs Wald hingewiesen mit Förster A. Freivogel, zusammengestellt für eine Weiterbildung von Pfarrpersonen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 24. September 2021

Minderjährige Asylsuchende erzählen

Ein Zitat

Treffen von Caritas-Mitarbeitenden mit Asylsuchenden in Metz, Frankreich
Foto © Jörg Niederer
"Wir sind mit dem Auto durch Pakistan gereist, aber wir sind nur in der Nacht gefahren. Wir mussten uns tagsüber verstecken. Wenn sie uns erwischt hätten, hätten sie uns zurückgeschickt." Abdulayaz flüchtete 2015 als Fünfzehnjähriger allein aus Afghanistan in die Schweiz

Ein Bibelvers - 2. Mose 2,2+3

"Die Frau wurde schwanger und brachte einen Sohn zur Welt. Als sie sah, wie schön er war, versteckte sie ihn drei Monate lang. Länger konnte sie ihn nicht verborgen halten. Deshalb nahm sie ein Kästchen aus Papyrus und dichtete es mit Asphalt und Pech ab. Dann legte sie das Kind hinein und versteckte es im Schilf am Ufer des Nil."

Ein Anregung

"UMA" werden sie genannt; Unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Hinter ihnen liegen oft traumatische Erfahrungen. Ihre Reise ist ein ernstes Abenteuer, keine Interrail-Reise der Neugier.

Nun erscheint ein Buch, in dem elf Jugendliche diesen drei Buchstaben "UMA" ein Gesicht geben. Sie erzählen von Fluchtgründen und ihren prägenden Erfahrungen, von der Ankunft in der Schweiz, wo sie nach ihrer grossen Willensleistung auf der Flucht auf einmal warten müssen und nichts tun können. Ihre Erzählungen werfen aber auch ein hilfreiches Licht auf die Bemühungen der Schweiz um ihre Integration. Drei Fachtexte zu Herkunft und Fluchtrouten, zur UN-Kinderrechtskonvention sowie Modellen zu Unterbringung und Betreuung von UMA lassen die Hintergründe verstehen.

An der Buchvernissage des Buches "Mutter, mach dir keine Sorgen, das ist eine ganz andere Welt", herausgegeben vom Solidaritätsnetz Ostschweiz und der Beobachtungsstelle für Asyl und Ausländerrecht Ostschweiz werden einige der Jugendlichen anwesend sein und von ihren Erlebnissen berichten. Der Abend wird moderiert von Prof. Dr. Christine Lötscher. Er findet am Samstag, 25. September 2021 um 18.30 Uhr im Raum für Literatur der Hauptpost St. Gallen statt. Der Eintritt ist frei, jedoch ist eine Anmeldung an die Mailadresse literaturhaus@wyborada.ch nötig. 

Hier gibt es weitere Informationen zur Vernissage. Eine Leseprobe findet man hier.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 23. September 2021

Das Gebet Jesu und das Gebet Mohammeds

Ein Zitat

Muslime am Interreligiösen Bettag 2021 in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Das Gegenteil von heilig ist kaputt; wenn die Menschen Gott sehen könnten, würden sie versuchen ihn kaputt zu machen; so ähnlich war das ja mit Jesus, oder, ich meine im Glauben der Christen..." Interpretation eines muslimischen Schülers zur Aussage im Vaterunser: "Geheiligt sei Dein Name"

Ein Bibelvers - Matthäus 6,12

"Und vergib uns unsere Schuld – so wie wir denen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind."

Ein Anregung

Es ging ein leises Raunen durch die Reihen der christlichen Vertreterinnen und Vertreter an der Interreligiösen Bettagsfeier in St. Gallen, als die Muslime rezitierten:

"Es wird überliefert, dass der Prophet Muhammad (Friede und Segnungen Allahs seien auf ihm) folgendes Gebet gelehrt hat:
'Oh unser Herr, der Du bist im Himmel, verherrlicht sei Dein Name. dein Wille geschieht im Himmel und auf Erden. So wie Deine Gnade im Himmel vorherrscht, so lasse sie auch auf der Erde wirken. Vergib uns unsere Sünden sowie unsere Übertretungen. Du bist der Herr der Reinen. Sende Deine Gnade herab aus Deinen mannigfaltigen Gnaden, und sende Deine Heilung aus Deiner Fülle zur Heilung dieser Krankheit.'" 

Unter den anwesenden Christinnen und Christen wurde sofort die Nähe zum Vaterunser wahrgenommen. 

Überliefert wurde diese islamische Gebet von Abu Dawud (817-888). Es findet sich nicht im Koran, sondern gehört zu den Hadithen, den Überlieferungen von Aussprüchen des Propheten Mohammed. Manche Muslime verwerfen dieses Gebet, weil die Überlieferungskette "schwach" sei. 

Unter Christen geht man oft vorschnell davon aus, dass Mohammed dieses Gebet von Jesus übernommen und dann abgewandelt habe. Wahrscheinlicher ist, dass das überlieferte islamische Gebet auf jüdischen Texten (İsrâîliyyât) basiert, die Mohammed selbst als religiöse Quelle empfohlen hat. Auf diese Sammlung bezogen sich auch viele jüdisch-christliche Traditionen. 

Ich kann mir vorstellen, dass sich sowohl die Christen (oder Jesus), wie auch die Muslime (oder Mohammed) auf ein jüdisches Gebet bezogen haben, das dann bei den Christen (bei Jesus) zum "Vaterunser" wurde, und bei den Muslimen zum oben abgedruckten Gebet um Heilung. 

In allen drei Religionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam, sind die Gebet nicht unabänderlich, sondern werden aufgenommen, abgewandelt, den Umständen angepasst und so zu neuen Gebeten. 

Wie würdest du das Vaterunser mit deinen Worten weiterbeten?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 22. September 2021

Wer flickt schon Nylons?

Ein Zitat

Wolford-Strassenwerbung in Bregenz aus dem Jahr 2011
Foto © Jörg Niederer
"Wir leben immer länger, aber alles wird immer kurzlebiger." Ernst Reinhardt (?)

Ein Bibelvers - Markus 4,16+17

"Ein anderer Teil [der Aussaat] fällt auf felsigen Boden. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und es sofort mit Freude annehmen. Aber es schlägt keine Wurzeln in ihnen, weil sie ihre Meinung schnell wieder ändern. Wenn ihnen das Wort Schwierigkeiten oder Verfolgung bringt, lassen sie sich sofort davon abbringen."

Ein Anregung

Wie radikal sich die Welt doch verändert. Vor 50 Jahren, da kam es vor, dass meine Mutter mich mit defekten Nylonstrümpfen zu einem bestimmten Haus unweit der Friedenskirche in Olten schickte. Jedes Mal öffneten Frauen die Tür und sogleich entströmte der Wohnung der beissende Geruch von Katzenpisse. Überall so erinnere ich mich, schauten mir die Tiere aus einem unordentlichen Wohnzimmer entgegen. Auch wenn die Frauen die Sauberkeit nicht im Griff hatten, eine ausserordentliche Fähigkeit besassen sie. Sie konnten die Fallmaschen der Nylons wieder reparieren, und das so gute, dass danach nichts mehr vom einstigen Schaden zu erkennen war. Es war mir ein grosses Rätsel, wie sie das hinbekamen.

Auch anderes wurde damals repariert, was heute nur zu oft auf dem Müll landet: Schuhe, Strümpfe, Unterwäsche, selbst zerbrochenes Geschirr - von Feng Shui sprach damals kein Mensch. Die Güter des täglichen Lebens waren teurer. Also mussten sie länger ihre Dienste tun.

Doch dann nahm die Wegwerfgesellschaft an Fahrt auf. Und heute kaufen sich Menschen Kleider, die sie gerade noch ein einziges Mal tragen und dann entsorgen. Bei Wohnungswechsel werden nicht selten auch die Möbel "ausgetauscht"

Nun frage ich mich: Welchen Einfluss hat dieser Mentalitäts- und Lebensstilwechsel auf unseren Glauben? Ist er wie ein Lieblingsstück, das sich zu reparieren lohnt, wie schäbig und abgetragen es auch aussehen mag? Oder wird er bei der kleinsten Irritation ausgetauscht, landet auf dem Müll der eigenen kleine Geschichte? 

Ist dein Glaube der wertvolle Nylonstrumpf von einst, oder das kurzlebige Modeaccessoire von heute?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Dienstag, 21. September 2021

Kein Ort für Erntedank

Ein Zitat

Die Gemeinde feiert Erntedank
Foto © Jörg Niederer
"Dankbarkeit, wie Gott sie sich für uns wünscht, heißt nicht, Missstände schönzureden." Rebecca Schneebeli

Ein Bibelvers - 1. Thessalonicher 5,18

"Dankt Gott für alles! Denn das ist Gottes Wille, und das hat er durch Christus Jesus für euch möglich gemacht."

Ein Anregung

Das Erntedankfest wird traditionell in Kirchen gefeiert. Aber auch auf Bauernhöfe passt es gut. Die Nähe des Festes zum Ort der Produktion liegt auf der Hand. 

Wie sähe ein Erntedankfest an einem eher ungewöhnlichen Standort aus? Wie würde ein solcher Standort die Dankbarkeit und das Staunen über das Schöne und Gute in der Welt beeinflusst? Was wären solche alternative Standorte? 

  • Die Kehrichtsverbrennung mit ihren Gerüchen, der Energie aus verbranntem Abfall. Gäbe es von der Pfarrerin, dem Pfarrer eine Food-Waste-Predigt? 
  • Auf dem Arbeitsamt unter den Stellensuchenden. Darf da gedankt werden - dass es nicht mehr sind, die auf der Suche nach Arbeit an sich zweifeln? 
  • Auf der Intensivstation, da wo dir die Hoffnung bleibt und vergeht. 
  • Auf der Insel eines vielbefahrenen Strassenkreisels, wo die Worte vom Fahrzeuglärm verschluckt werden und die Erntedankgaben mit klischeehafter Werbekunst konkurrenzieren.
  • Auf einem vollgeladenen Schweinetransporter. Da wäre wohl das Gleichnis von den verlorenen Söhnen passend. 

Mir kommen Orte in den Sinn, die ich mich nicht traue niederzuschreiben. Zu widersprüchlich wären die Assoziationen, zu gegenläufig die mit Standort und Feier verbundenen Werte.

Wo würdest du nie Erntedank feiern? Was müsste sich ändern, dass solche Orte die Dankbarkeit zulassen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 20. September 2021

Kreuzschmerzen am Interreligiösen Bettag

Ein Zitat

Stehkreuz am Interreligiösen Bettag auf dem Domplatz St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Der Kopf ist jener Teil des Körpers, der uns am häufigsten im Weg steht." Gabriel Laub (1928-1998)

Ein Bibelvers - Lukas 23,33-34

"Dort kreuzigten sie Jesus und die beiden Verbrecher – den einen rechts, den anderen links von ihm. Aber Jesus sagte: 'Vater, vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.'"

Ein Anregung

Man könnte meinen, die versammelten Religionsgemeinschaften hätten am Interreligiösen Bettag auf dem Domplatz St. Gallen allesamt intensivst um Regen gebetet. Zum ersten Mal fand der Anlass unter einem sich teils heftig entleerenden Himmel statt. 

Doch darum geht es mir nicht. Ich will vom abgebildeten Kreuz sprechen, ein schweres Eisenkunstwerk. In Krimis kann es schon einmal vorkommen, dass ein Mensch von einem Kreuz erschlagen wird, oder dass er tot daran hängend aufgefunden wird. So schlimm ist es am Bettag glücklicher Weise nicht gekommen. Doch als ich später das Kreuz für den Fotografen um 180° drehte, verletzte ich mir den Kopf an der scharfen Kreuzeskante. Nichts Schlimmes, nicht der Rede wert, eine leicht Hautabschürfung, eine gerade noch spürbare Beule, ein milder Schmerz, der für einen Augenblick die Kälte und Nässe vergessen machte.

Im Namen des Kreuzes wurde schon deutlich mehr Blut vergossen und mehr sicht- und unsichtbare Wunden geschlagen. 

Dabei steht das christliche Kreuz doch für das Ende aller Verletzung. Es steht für den Moment, an dem Gott selbst den Schlussstrich zog unter den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Sichtbar wurde dies, als Jesus am Kreuz für seine Henker Gott um Vergebung bat, als er davon sprach, dass es (das Töten und Sterben) zu Ende gebracht, "vollbracht" sei. Im Namen des Kreuzes kann es seither nur noch um Versöhnung und Neuanfang gehen.

Wer etwas anderes behauptet, sollte sich an einem Kreuz den Kopf stossen. Nicht zu sehr - nur so, dass das Nachdenken über unnötigen, sinnlosen Schmerz aktiviert wird.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Sonntag, 19. September 2021

Die Küche als Ort des Erntedanks

Ein Zitat

Eine Küche, ein Kühlschrank verraten viel über die Menschen, die sie benutzen.
Foto © Jörg Niederer
Zeige mir deine Küche, und ich sage dir, wer du bist!

Ein Bibelvers - Matthäus 6,31+32

"Macht euch also keine Sorgen! Fragt euch nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Um all diese Dinge dreht sich das Leben der Heiden. Euer Vater im Himmel weiß doch, dass ihr das alles braucht."

Ein Anregung

Es gibt wohl keinen stärker religiös geprägten Ort in einer Wohnung. In der Küche werden Speisen zubereitet. Das allein ist eine geistliche Übung. Dabei hantieren wir mit dem Leben schlechthin. Keine Frucht, kein Gemüse, kein Tier das nicht stirbt, damit wir esse können.

Früher wurde kein Tier geschlachtet, ohne dass es von einem Priester Gott geopfert wurde.

Es gibt in jeder Religion Speisevorschriften und Essensregeln, die hauptsächlich religiös begründet sind. In Israel galten nur Tiere mit bestimmten Merkmalen als rein. 

Es liegt also nahe, beim Erntedankfest einen Blick in die Küche zu werfen. Genau das geschieht an diesem Sonntag um 10.15 Uhr in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen.

Ab 10.30 Uhr wird die Predigt dazu per Youtube übertragen.

Schön, wenn du auf die eine oder andere Art mit dabei bist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 18. September 2021

Zofingen und das Kreuz mit seinem Nazeli

Ein Zitat

Zwischen Altstadt und Nazeli am Bahnhof Zofingen
Foto © Jörg Niederer
"Wie seltsam kreuzen sich doch die Wege des Lebens!" Hans Christian Andersen, dänischer Schriftsteller (1805-1875)

Ein Bibelvers - 1. Korinther 1,18

"Die Botschaft vom Kreuz erscheint denen, die verloren gehen, als eine Dummheit. Aber wir, die gerettet werden, erfahren sie als Kraft Gottes."

Ein Anregung

Damit keine Missverständnisse ausserhalb der Schweiz aufkommen: "Nazeli" hat nichts zu tun mit dem Nationalsozialismus Deutschlands. Und "Autstadt" ist Zofinger Dialekt für "Altstadt"

Beim "Nazeli" handelt es sich um die Bahn von Zofingen nach Lenzburg. 

Einst führte die Strecke durch den Aargau bis nach Wettingen. In der Region Zofingen ist die S28, die als Zug auf dieser Bahnstrecke der einstigen Schweizerischen Nationalbahn verkehrt, bekannt unter dem Namen "Nazeli". Gestern befuhr ich die Strecke auf der Heimfahrt von den "Grüss Gott"-Aufnahmen für den Fernsehsender Musig24.tv.

Was hat das Nazeli mit dem christlichen Glauben zu tun? Nichts, einmal abgesehen von zwei Kreuzen. Genauer, zwei Bahnkreuzzungen (nicht Weichen), die sich bis ins Jahr 2004 in Suhr befanden. Dort kreuzten sich die Wynental-Suhrental-Bahn mit der Nationalbahn. Wegen Entgleisungsgefahr und unterschiedlicher Elektrifizierung mussten die Züge bei den Kreuzungen auf Schritttempo abbremsen. Die Schienenkreuze hatten also eine entschleunigende Wirkung.

Und dann noch dies: Am Sonntag findet in St. Gallen die Interreligiöse Feier zum eidgenössischen Bettag statt. Vielleicht sehen wir uns um 15.00 Uhr auf dem Klosterplatz St. Gallen, direkt neben der Kathedrale.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 17. September 2021

Die Kirchengründung begann mit einer Atlantiküberquerung

Ein Zitat

Nordsee vor England
Foto © Jörg Niederer
"Wohin gehe ich? In die Neue Welt. Warum? Um Ehre zu erlangen? Nein, sofern ich mein eigenes Herz kenne. Um Geld zu verdienen? Nein: Ich gehe, um für Gott zu leben und andere dazu zu bewegen, es auch zu tun." - Francis Asbury (1745-1816) in seinem Tagebuch am 12. September 1771

Ein Bibelvers - Römer 15,23+24

Paulus: "Aber jetzt habe ich in dieser Gegend nichts mehr zu tun. Seit vielen Jahren ist es mein sehnlicher Wunsch, zu euch zu kommen. Das könnte ich tun, wenn ich nach Spanien reise. Ich hoffe also, euch auf der Durchreise zu treffen."

Ein Anregung

Am 4. September 1771 reiste der junge Francis Asbury an Bord eines Schiffes nach Amerika, erfüllt vom Ruf, Seelen zu retten und die im Entstehen begriffene methodistische Bewegung in den Kolonien anzuführen. Auf einer Konferenz einige Wochen zuvor folgte der 26-jährige Prediger dem Ruf John Wesleys, dem Mitbegründer des Methodismus, Prediger nach Amerika zu senden.

Asbury war zwar nicht der erste methodistische Verkündiger in der Neuen Welt, aber er wurde zum Architekten der englischsprachigen methodistischen Kirche in Amerika, indem er eine Organisation ins Leben rief, die größtenteils bis heute in der United Methodist Church fortbesteht.

Francis Asbury ist in seinem Heimatland England unter den Methodisten wenig bekannt. In Amerika wurde er einer der ersten Bischöfe, und obwohl kränklich, setzte er sich unermüdlich und erfolgreich für die Entwicklung der jungen Kirche ein. Dazu ritt er 450'000 Kilometer durch die neue Welt, oft in wegloser Wildnis, um den Menschen das Evangelium zu bringen. Bald schon war er so berühmt, dass ihm der Brief von seinem Mitbischof Thomas Coke zugestellt wurde, obwohl auf der Adresse nicht mehr stand als "Pfarrer und Bischof Asbury, Nordamerika". 

Coke und Asbury waren die beiden ersten Bischöfe der Methodist Episcopal Church. 

Anlässlich dieses Jubiläums feierten auf beiden Seiten des Atlantiks Menschen, die Methodisten genannt werden, virtuelle Gottesdienste. Ein Anlass war das Konzert der Band Magpie22 aus Bristol, die sich auf amerikanische Musik spezialisiert hat. Ihr Auftritt fand im New Room in Bristol statt, dem allerersten methodistischen Gotteshaus. 

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 16. September 2021

Respekt vor dem Heiligen

Ein Zitat

Altarraum der Kathedrale Notre-Dame-de-la-Treille in Lille, Frankreich
Foto © Jörg Niederer
"Die erste Wirkung der Liebe besteht darin, uns eine große Ehrfurcht einzuflößen." Blaise Pascal, französischer Mathematiker, Physiker und Philosoph (1623-1662)

Ein Bibelvers - 2. Mose 3,5

"Da rief ihn Gott mitten aus dem Dornbusch: 'Mose, Mose!' Er antwortete: 'Hier bin ich!' Gott sprach: 'Komm nicht näher! Zieh deine Schuhe aus! Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.'"

Ein Anregung

Katholiken, welchen eine Kirche betreten, benetzen sich mit Weihwasser, und bevor sie sich hinsetzen, verbeugen sie sich Richtung Altar und Hostie und schlagen dabei da Kreuz. Damit drücken sie ihre Ehrfurcht und den Respekt vor dem Heiligen aus. 

In der reformierten Kirche stellen sich die Gläubigen erst hin mit Blick nach vorn ins Kirchenschiff, sprechen ein stilles Gebet, und setzten sich erst danach. Damit drücken sie ihre Ehrfurcht und den Respekt vor dem Heiligen aus. 

In orthodoxen Kirchen küssen die Gläubigen die Ikonen. Damit drücken sie ihre Ehrfurcht und den Respekt vor dem Heiligen aus.

In enthusiastischeren Freikirchen ist die Zeit des Lobpreises der Moment, in dem sich die Singenden ganz Gott zuwenden, aufstehen, die Augen schliessen und ihre Hände gen Himmel erheben. Damit drücken sie ihre Ehrfurcht und den Respekt vor dem Heiligen aus. 

In anderen Freikirchen setzen sich die Gläubigen hin, sprechen ein stilles Gebet - oder auch nicht - und warten still, bis der Gottesdienst beginnt. Oder sie unterhalten sich mit der Banknachbarin über das Wetter, die Kinder, die Tagespläne, die abwesenden Mitchristen. Damit drücken sie - ja was drücken sie damit aus? Einige Vorschläge:

  • Der Gottesdienst interessiert mich nicht besonders, ich komme wegen der Gemeinschaft.
  • In meinem Glauben ist der Alltag Teil des Gottesdienstes und soll in der Kirche vorkommen.
  • Wenn ich jetzt still bin, würde ich einschlafen. Also rede ich halt über irgendwas.
  • Meine Ehrfurcht vor dem Heiligen hat viel zu tun mit dem, was ich unter der Woche erlebe.
  • Ich halte die Stille nicht aus. Bei mir muss immer etwas laufen.
  • Warum merkt denn niemand, dass es mir heute nicht so gut geht.
  • Ein Sonntag ohne Gottesdienstbesuch ist kein Sonntag. Ist das denn nur bei mir so?
  • Was man nicht alles tut für einen Kaffee nach dem Gottesdienst.
  • ... 

Und du? Wie zeigst du (oder besser: wie lebst du) deine Ehrfurcht und den Respekt vor dem Heiligen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Mittwoch, 15. September 2021

Wer hält sich denn genau an die Covid-Zertifikatspflicht?

Ein Zitat

Personen werden beim Besteigen eines Bodenseeschiffs in Bregenz auf das gültige Covid-Zertifikat geprüft
Foto © Jörg Niederer
"Krisen bringen das Beste und das Schlechteste im Menschen hervor." Sprichwort

Ein Bibelvers - Römer 15,7

"Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, damit die Herrlichkeit Gottes noch größer wird."

Ein Anregung

Das Covid-Zertifikat ist auch in der Kirche umstritten. Gestern wurde mir das bewusst, als es um eine Sitzung mit Snacks und Getränken ging. Essen und Trinken in öffentlichen Räumen ist gerade ohne Zertifikat gar nicht möglich. Aber muss man das so genau nehmen? Könnte man nicht den Anlass als privat und in Privaträumen definieren? Und geht das wirklich nicht, ein wenig an einem Wasserfläschchen "nuggeln" während der Sitzung?

Diesen Gedanken kann ich gut folgen. Sie begegnen mir auch, wenn es um in der Bibel formulierte Erwartungen geht. Ich glauben auch nicht, dass man die Aussage: "Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst" so genau nehmen muss. Man könnte den Mitmenschen ja durchaus auch etwas mehr lieben, als man sich selbst liebt, und es wäre immer noch in Ordnung. In diesem Sinn auch nicht so genau nehmen muss man es mit der Liebe zu Gott "mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft". So könnte man Gott zusätzlich noch lieben mit dem ganzen Bauchgefühl, der ganzen Vitalität des Körpers und aller vorhandenen Sensibilität. Auch das wäre bestimmt immer noch in Ordnung. 

Beim Covid-Zertifikat geht es nicht um mehr oder weniger Freiheit. Das ist ein Nebenschauplatz. Zentral ist der Schutz der Mitmenschen, und die Erfahrung, dass andere Rücksicht auf meine Unversehrtheit nehmen. Und da muss es ja auch nicht zuerst um eine genaue Einhaltung der Covid-Schutzmassnahmen gehen. Für die Mitmenschen darf die Sorgfalt auch grösser als per Gesetz geboten sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde 

Dienstag, 14. September 2021

John Wesley und die Sozialen Medien

Ein Zitat

Als Christ aktiv in den Sozialen Medien
Foto © Jörg Niederer
"Seht, wie die Bäume, die Blumen, das Gras in einer tiefen Stille wachsen, wie Sterne, Mond und Sonne in der Stille auf- und untergehen. Gott ist ein Freund der Stille." Mutter Teresa (1910-1997)

Ein Bibelvers - Psalm 34,15

"Halte dich fern vom Bösen und tue Gutes! Suche den Frieden und setze dich dafür ein!"

Ein Anregung

Das Eingangszitat von Mutter Theresa hat in den Sozialen Medien viele Hassnachrichten provoziert. Das verstehe ich nicht. Aber es ist eine Tatsache: Menschen erlauben sich heftigere Worte via Bildschirm als sie es im direkten Kontakt tun würden. 

Woran können sich Christinnen und Christen in den Sozialen Medien orientieren? Wie wäre es mit den Allgemeinen Regeln von John Wesley: "Tue nichts Böses! Tue Gutes! Bleib in der Liebe Gottes!"

Diese drei Richtlinien waren nicht nur gut für eine analoge Gesellschaft vor 300 Jahren, sie sind immer noch hilfreich in der heutigen digitalen Welt. 

Wer seine Äusserungen darauf prüft, dass sie andere nicht verletzen, dass dadurch andere nicht verachtet oder abgewertet und dass nicht Lügen verbreitet werden, ist schon einmal auf einem guten Weg.

Doch einfach nichts Böses tun, wäre zuwenig. Die Tweets und Beiträge sollen auch positive christliche Werten spiegeln, wertschätzend sein, aufbauen, mitleidend und nicht schadenfreudig. Derrick Scott III, ein ausgewiesener Fachmann und Praktiker meint in einem Beitrag der US-Methodistenkirche: "Eine Weise, wie du herausfinden kannst, welchen Einfluss der Glaube auf deine sozialen Medienbeiträge hat, besteht darin, darauf zu achten, was andere Menschen aus deinen Beiträgen über dich lernen." Und Pfarrer Ryan Dunn, verantwortlich für den Onlineauftritt der Kommunikationsorganisation der Evangelisch-methodistischen Kirche in den USA gibt zu bedenken: "Wenn wir unser Zuhause einrichten, dann verschönern wir es so, dass unsere Werte sichtbar werden. In der gleichen Weise sollen wir darauf achten, wie wir uns im öffentlichen Raum der Sozialen Medien darstellen. Entspricht das, was wir posten unseren Werten?" Oder anders gefragt: Bleibe ich im virtuellen und realen Leben immer verankert in der Liebe Gottes?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Montag, 13. September 2021

Sammelwut und Minimalismus

Ein Zitat

Stand am Flohmarkt in der Evangelisch-methodistischen Kirche
Foto © Jörg Niederer
"Minimalismus ist der Schlüssel zu wahrer Eleganz." Coco Chanel (1883-1971)

Ein Bibelvers - Matthäus 6,20+21

"Häuft euch vielmehr Schätze im Himmel an. Dort werden weder Motten noch Rost sie zerfressen und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein."

Ein Anregung

Kennst du das? Du willst an einem Flohmarkt überflüssigen Besitz für andere und dich sinnbringend loswerden. Es soll dein Leben erleichtern und das der andern erfreuen. Und dann, am Ende des Verkaufs, hast du mehr als zuvor. 

Nun gibt es auch diejenigen, die wirklich mehr verkaufen als kaufen. Was ist ihr Geheimnis?

Vielleicht haben diese Menschen erkannt, dass Besitz nicht glücklich macht. Aber warum wollen sie dann andere unglücklich machen, indem sie deren Besitz durch Flohmarktverkäufe zu mehren versucht?

Vielleicht gibt es durch äussere Umstände eine unvermeidliche Notwendigkeit sich von Dingen zu trennen, zum Beispiel den Umzug in eine kleinere Wohnung. Dann ist der Verkauf vergleichbar mit dem Gang zum Zahnarzt. Die Vernunft gebietet es, viel Freude ist da nicht mit im Spiel.

Vielleicht sind es Menschen, die sich leicht trennen können von Dingen. Und wenn es nicht auch bedeutet, dass sie ebensoleicht wieder Neues erstehen, dann bewundere ich sie. Das möchte ich auch können.

Noch ein Gedanke: Was ist der Alptraum einer Flohmarktverkäuferin oder eines Flohmarktverkäufers? Ein Kunde oder eine Kundin mit minimalistischem Lebensstil. Andererseits, diese haben so wenig Besitz. Wenn sie also zu einem konsumorientierten Lebensstil "bekehrt" werden könnten, würde das sehr lukrativ werden und mancher Flohmarktartikel über den Ladentisch wandern. 

Und nun, nachdem der Flohmarkt vom Samstag in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen Vergangenheit ist, hier einige Tipps zu einem Leben mit weniger Dingen und Bedürfnissen.

Sollte das einfache Leben misslingen, findet bestimmt wieder irgendwo ein Flohmarkt statt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde


Sonntag, 12. September 2021

Eine gefährliche Bitte

Ein Zitat

Menschen tauschen sich in Bregenz auf der Molo aus
Foto © Jörg Niederer
Die wichtigsten Menschen in meinem Leben habe ich mir nicht ausgesucht.

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 8,26+27

"Philippus dagegen erhielt vom Engel des Herrn den Auftrag: 'Steh auf! Geh nach Süden zu der Straße, die von Jerusalem nach Gaza führt und menschenleer ist.' Philippus stand auf und ging zur Straße. Dort war ein Mann aus Äthiopien unterwegs. Er war Eunuch und ein hoher Beamter am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien."

Ein Anregung

Im Bundeserneuerungsgebet von John Wesley gibt es die gefährliche Bitte: "Geselle mich, zu wem du willst!" Das ist ein Blankoscheck mit faszinierenden, erschreckenden, herausfordernden oder befreienden Folgen. Denn die Erfahrung zeigt, das wir meist nicht zu den Menschen geführt werden, die uns besonders sympathisch sind, sondern zu denen, die Gott gerade besonders wichtig sind. Und diese Menschen sind oft "gewöhnlich", aber manchmal auch schräg. Sie riechen nicht immer gut, und ihre Fragen können verstören. Und dann sind wir an der Reihe, und lernen Sie kennen, und sie lernen uns kennen. 

Mehr zu dieser Gebetsbitte gibt es in der heutigen Predigt ab 10.15 Uhr in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen an der Kapellenstrasse 6 oder ab 10.30 Uhr auf Youtube.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Samstag, 11. September 2021

2000 Jahre nach Christus - 20 Jahre nach 9/11

Ein Zitat

An der Friedensdemonstration von 2018 in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Es ist eine Zeit eingetreten, die fast eine Klassifizierung wie bei Christus erlaubt: vor und nach Christus, vor und nach 9/11." Thomas Nehls, von 1998 bis 2003 Leiter des ARD-Hörfunkstudios New York

Ein Bibelvers - Matthäus 5,5

"Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind. Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten."

Ein Anregung

Heute ist unser Verlobungstag. Und seit 20 Jahren ist es auch der Tag, an dem sich die Attentatsserie auf die Twin Towers des World Trade Center und weitere Ziele jährt. Bei diesem beispiellosen Gewaltakt stimmt für einmal das Wort "unvergesslich". Wohl die meisten von uns wissen noch genau, wie sie von diesem Ereignis erfuhren, und wie sie dann den Tag verbracht haben. Das war auch bei meinem Studienkollekten Rolf Held so. Im aktuellen "Unterwegs", der Zeitschrift der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland besinnt er sich darauf und denkt weiter: 

"Warum lernen wir nichts aus dem Hass, der Zerstörung und der Gewalt der Vergangenheit? Warum wird blindlings auf politische, militärische oder wirtschaftliche Gewalt gesetzt? ... In diesem Fragen und Suchen kommt einem dieser Satz aus den Seligpreisungen Jesu [Siehe Matthäus 5,5 oben!] weltfremd vor. Sind es nicht die Sanftmütigen, die unter die Räder kommen? Die Realitäten dieser Welt sprechen gegen Jesu Botschaft. Und doch ist genau das der Weg, den Gott mit uns eingeschlagen hat. Nicht Herrschaft im menschlichen Sinn, sondern die Einladung, umzukehren und sich auf 'Weltfremdes' einzulassen. Für mich ist Jesu Botschaft und Handeln, ja sein Weg ans Kreuz sein Protest gegen das, wie Menschen miteinander umgehen und das, was sie anrichten." 

Und er fährt fort: "Jesus Christus passt nicht einfach in unsere Welt. Seine Werte, seine Wege sind anders. Statt sich den Sachzwängen hinzugeben... können wir Zeichen setzen durch unser Gebet und unsere Nachfolge. Nicht an der Spirale mitdrehen, zum Beispiel durch Untätigkeit, die immer neue Gewalt hervorruft, die sich wiederum durch die bereits geübte oder erlittene Gewalt rechtfertigt, sondern aussteigen... Lieben, wo Hass und Gewalt herrschen, gerade dann, wenn es sinnlos zu sein scheint. So tut es unser Herr." 

 Auch lesenswert ist das Interview im "Unterwegs" mit Bischof Ernest Lyght, der im Jahr 2001 für die Evangelisch-methodistische Kirche in New York zuständig war.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Freitag, 10. September 2021

Flohmarkt für einen guten Zweck

Ein Zitat

Eine neugierige Katze begutachtet die bereitstehenden Flohmarktartikel
Foto © Jörg Niederer
In gebrauchten Dingen verbergen sich Geschichten und Emotionen.

Ein Bibelvers - Jesaja 43,1a+4a

"Jetzt aber spricht der Herr... Du bist kostbar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb."

Ein Anregung

Nein, die Katze wird es am Flohmarkt bei der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen nicht zu kaufen geben. Aber sonst kann am Samstag von 9-14 Uhr so einiges erstanden werden, neu oder gebraucht, kreativ oder antik, günstig und fair. Die Anbieterinnen und Anbieter kommen vor allem aus dem Quartier Felsenstrasse. Bei trockenem Wetter werden die Stände an der Kapellenstrasse 6 entlang zu finden sein, bei Regen findet der Verkauf in den Kirchenräumen statt. Auch gibt es Getränke, Bratwürste und Kuchen.

10% der Erträgen kommt der Minderheit der Roma in Ungarn zugute. Diese an den Rand gedrängte Bevölkerungsgruppe kann eine Unterstützung bei der Verbesserung der Lebensumstände gut gebrauchen. 

Warum es "Flohmarkt" heisst, das wird auf dieser Webseite kinder- und erwachsenengerecht erklärt. Eines kann ich versprechen: An diesem Flohmarkt muss man sich vor Flöhe nicht fürchten, sondern darf sich an einer Vielfalt an Sinnvollem und Schönem erfreuen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

Donnerstag, 9. September 2021

Am Tropf des Bodensees

Ein Zitat

Bregenz - Thomas Blank bei seinen Ausführungen über den Bodensee anlässlich des Schöpfungstags 2021
Foto © Jörg Niederer
"Ich wünsche mir, dass alle Menschen auf der Welt sorgfältig mit der Ressource Wasser umgehen." Georg Gewinner von den Stadtwerken Lindau

Ein Bibelvers - Psalm 78,12.13.15+16

"Wunder tat Gott auch bei ihren Vorfahren im Land Ägypten, im Gebiet von Zoan. Er zerteilte das Meer und führte sie hindurch. Er staute das Wasser auf wie bei einem Damm... Unterwegs in der Wüste zerteilte er Felsen. Da konnten sie trinken, mehr als genug. Er ließ Bäche aus dem Gestein treten und sie wie Wasserfälle herabfließen."

Ein Anregung

Vor 14'000 Jahren war der Bodensee doppelt so gross wie heute und reichte bis Lichtenstein (das es damals natürlich noch nicht gab). In 18'000 Jahren wird vom Bodensee nichts mehr übrig sein. Das und mehr erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ökumenischen Tag der Schöpfung von Dipl. Ing. Thomas Blank vom Wasserwirtschaftsamt der Vorarlberger Landesregierung. Heute gibt es keine klar definierte Landesgrenzen auf der Wasserfläche des Bodensees. Ob es die dann, wenn der See verschwunden ist, geben wird? Oder sind dann die Schweiz, Österreich und Deutschland von der Landkarte verschwunden? Sicher wird es noch Wasser geben und die Welt wird weiter vom Wasser abhängig sein. Denn ohne Wasser, kein Leben. 

Wie entscheidend Wasser ist, zeigt sich auch daran, dass es überall auf der Welt als heilig verehrt wird. Für die amerikanischen Ureinwohner sind Abschnitte und Zusammenflüsse vom Colorado River heilig. Im Wallis werden die Suonen als "heilige Wasser" bezeichnet. Die Maori in Neuseeland nennen ein geothermisches Gebiet "Wai-O-Tapu", übersetzt: Heilige Wasser. Heilige Flüsse sind etwa der Ganges, der Jordan oder der Nil und noch viele weitere. Ob nun das Agnesbrünnl in Österreich, der Ulrichsbrunnen in Deutschland oder die Mauritiusquelle in der Schweiz, alle zeugen von einer Ehrfurcht vor dem lebenspendenden Nass.

Es gilt also, sorgsam und weitsichtig mit dem Wasser umzugehen. Die Zeit, in der es uns am Leben erhält, ist kurz genug. Und, um es mit dem Bischof Harald Rein  zu sagen: "Jede Christin, jeder Christ ist wie ein lebendiges Wasser bzw. ein Träger des Heiligen Geistes. Der Glaube ist wie Wasser in unseren Adern. Er hilft uns leben und wir können anderen leben helfen." Und kritisch fragt er: "Tun wir für das Fliessen von Strömen lebendigen Wassers das Richtige?"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde