Samstag, 30. September 2023

Übergänge

Ein Zitat

Die Ringelblume im Klostergarten St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Wie leuchten Blütenkorb und Krone / Der Ringelblume uns entgegen. / Was täten Menschen wirklich ohne / Der Pflanze weit gestreuten Segen?" Ingo Baumgartner im Gedicht "Ringelblume"

Ein Bibelvers - Galater 5,22+23a

"Der Geist Gottes dagegen bringt als Ertrag: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Güte und Großzügigkeit, Treue, Freundlichkeit und Selbstbeherrschung."

Eine Anregung

Wir stehen am Übergang zur dunklen Jahreszeit. Auf meinem Weg zur Arbeit ist es finster, genauso wie am Abend, wenn ich wieder nach Hause komme. Dazwischen leuchten die Farben des Herbstes. Gewerbeausstellungen häufen sich. Erntedankfeste werden gefeiert. 

Übergänge zeigen sich auch auf dem Foto der Ringelblume. Die eine Blüte leuchtet wunderschön gelb, die andere hat sich schon zusammengezogen, eingerollt, aufgekringelt. 

In dieser Übergangszeit ist es besonders hilfreich, wenn wir einander Gutes tun, einander Freude bereiten und pfleglich behandeln. Dazu kann die Ringelblume mit ihren vielfältigen guten Wirkungen ein leuchtendes Beispiel sein. Die "Internationale Gesellschaft GartenTherapie" schreibt über diese Blume: "Sie wirkt wundheilend, antiseptisch, entzündungshemmend, erweichend, blutreinigend, krampflösend, menstruationsregulierend, schweiss- und wurmtreibend." Und wer kennt nicht die Ringelblumensalbe mit ihrer guten Wirkung?

Also: Gerade wenn sich Vieles ändert und mit Blick auf die Ringelblumen dürfen wir auf einen Rat aus dem Hebräerbrief (13,16) hören: "Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen." Gutes teilen hilft in Übergangszeiten.

Übrigens: In manchen deutschen Regionen wird die Ringelblume auch "Jesus-", "Christus-" oder "Herrgottsauge" genannt, sowie "Jesus-" und "Christusblume". Das gefällt mir, weil ich nun immer an Christus erinnert bin, wenn ich eine Ringelblume sehe.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 29. September 2023

Wenn der Weg auf den Magen drückt

Ein Zitat

Viehgangeln nennt man die Spuren, welche Kühe in steile Wiesen treten. Hier zu sehen auf einer Weide nahe der Wilkethöchi im Toggenburg.
Foto © Jörg Niederer
"Es gibt Leute, die Magengeschwüre haben, und Leute, die Magengeschwüre verursachen." Sprichwort (Und dann gibt es auch die Menschen, die ihre Magengeschwüre selbst verursachen.)

Ein Bibelvers - Jakobus 3,13

"Wer von euch ist weise und klug? Der soll es durch seinen guten Lebenswandel zeigen und in weiser Bescheidenheit handeln."

Eine Anregung

Man müsste meinen, den Kühen würde das Weiden an einer steilen Wiese am Besten beim langsamen Aufwärtsschreiten behagen. Dann müssten sie den Kopf nicht so weit hinunterbeugen, wie in der flachen Steppe.

Doch eigenartigerweise bewegen sich die Kühe beim Fressen parallel dem Hang entlang. Grund ist die Verdauung der Tiere. Als Wiederkäuer besitzen sie mehrere aufeinanderfolgende Mägen. Gehen sie nun aufwärts, drücken die hangaufwärts liegenden Mägen auf die darunter liegenden. Das stört die Verdauung massiv und führt zu Magenschmerzen. Erfahrene Kühe weiden deshalb die Hänge wie auf Höhenlinien ab. Junge Kühe müssen diese Technik erst von den erfahrenen Alttieren lernen, sonst verlieren sie an Gewicht und Kraft. 

Bei diesem Abweiden von steilen Wiesen entstehen die sogenannten Viehgangeln. Je nach dem schützen sie vor Erosion, können diese aber auch beschleunigen, wenn das Vieh bei nassem Wetter auf solche steilen Wiesen gelassen werden.

Wie geht es dir? Was drückt dich auf den Magen? Könnte die Ursache sein, dass du die falschen Wege einschlägst? Welche Spuren zeigen sich in deinem Leben, wenn es dir gut geht? Sind es Spuren, die auch andern gut tun?

Vielleicht sind die Viehgangeln so etwas wie die Labyrinthe der Kühe. Gemächlich meditativ stapfen sie die Spuren ab, steigen dabei im Hin und Her höher und höher. Ihr Ziel mag eine Wiesenkuppe mit Aussicht sein. Dort legen sie sich hin, und sinnieren wiederkäuend über Gott und die Welt.

Donnerstag, 28. September 2023

Pfarrpersonen auf dem Berg

Ein Zitat

Das Gipfelfoto der Beteiligten der Pfarrkleingruppe Thurgau-St. Gallen auf der Wilkethöchi.
Foto © Jörg Niederer
"Wir versprechen, dass unsere Lieferanten, zum Beispiel von Bergweizen und Butter, aus unserer Heimat stammen. Produziert wird zu hundert Prozent hier im Toggenburg. Und chemische Backmittel in der Backstube sind tabu." Richard Kuhn leitet in 5. Generation den zehn Standorte umfassende, 130jährigen Bäckerei-Familienbetrieb aus Brunnadern.

Ein Bibelvers - Lukas 9,33

"Als die beiden [Mose und Elija] sich von Jesus trennen wollten, sagte Petrus zu ihm: 'Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Zelte aufschlagen: eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.' Aber er wusste nicht, was er da sagte."

Eine Anregung

Einmal im Jahr geht die Pfarrkleingruppe Thurgau-St. Gallen auf eine fussgängerische Exkursion. In diesem Jahr führte sie für die drei beteiligten methodistischen Pfarrpersonen von Brunnadern steil hinauf auf die Wilkethöchi, und dann weiter nach Degersheim, um dort bei Gemeindegliedern mit Kuchen, Früchten und Getränken bewirtet zu werden.

Während Esther in Brunnadern aufgewachsen sich in ihrer alten Heimat bewegte und viel über Land und Leute zu erzählen wusste, war Degersheim einst für Rolf ein Jahr lang Wohn- und Wirkort. So kam es auf dem Weg auch zu überraschenden Begegnungen. Etwa als eine mit Stöcken bewaffnete Frau, die erst gerade vor einem Jahr wieder in diese Gegend gezogen war, sich als alte Bekannte aus der Kindheit von Esther herausstellte.

Zwar stand das sportliche Naturerlebnis bei insgesamt 900 Höhenmetern auf 12 Kilometern Weg im Vordergrund, doch gab die Wanderung genug Anlass, auch über die Gemeindearbeit und über Kirchenpolitik zu diskutieren. Ein Thema war etwa die Zukunft von sieben Kirchgemeinden der Region Ostschweiz, die sich aktuell über eine intensivere Zusammenarbeit beraten. Noch gleicht dieses Projekt dem scheuen Grasfrosch, der sich zuoberst auf der Wilkethöchi aus dem Staub zu machen versuchte. Ausgang und Zielpunkt sind noch ziemlich unbekannt.

Das Wetter spielte mit, wenn auch die Sicht auf der Wilkethöchi zu Säntis, Churfirsten und den Glarner Alpen schon klarer war. Aber wer sieht schon ganz klar im kirchlichen Umfeld? Und natürlich fielen unterwegs auch Bibelzitate, etwas das berühmte (siehe oben!) von Petrus auf dem Berg der Verklärung, ausgesprochen beim schönen Aussichtspunkt kurz vor dem Gerensattel, da wo von weither ein Buntspecht herangeflogen kam, um sich die pastorale Wandergruppe genauer anzuschauen. Da er gleich weiterflog, gehe ich davon aus, dass er sich dabei nicht allzu viele Gedanken gemacht haben kann. 

Ebenfalls links liegen liessen wir die "Scherrers Höhle", ein Felsvorsprung, der dem Einsiedler "Böscheli-Scherrer" in den Jahren 1929 bis 1948 Unterschlupf bot. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit der Anfertigung von Holzbündeln, eben den "Böscheli".

Auch eher speziell war die Kuh, die unseren Durchzug durch ihre Weide für einen Fluchtversuch auszunutzen versuchten, was wir schweren Herzens geradeso vereiteln konnten. Nicht unbedingt das, wozu Pfarrpersonen sonst da sind, nämlich mit den Glaubenden einen Weg in die Freiheit der Gotteskindschaft (Römer 8,21) zu gehen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 27. September 2023

Gratis, aber nicht umsonst!

Ein Zitat

Am WEGA-Gottesdienst 2022 in Weinfelden
Foto © Jörg Niederer
"Es ist umsonst, dass dir das Glück gewogen ist, wenn du nicht selbst erkennst, wie sehr du glücklich bist." Andreas Tscherning (1611-1659)

Ein Bibelvers - Jesaja 55,1

"Auf, ihr Durstigen, hier gibt es Wasser! Auch wer kein Geld hat, kann kommen. Kommt, kauft euch zu essen! Kommt und kauft ohne Geld! Wein und Milch – sie kosten nichts."

Eine Anregung

Die WEGA ist die Gewerbeausstellung des Kantons Thurgau. Jährlich findet sie in Weinfelden statt. Was seit einigen Jahren auch stattfindet, ist der WEGA-Gottesdienst. Am kommenden Sonntag um 10.00 Uhr ist es wieder soweit.

Thematisch geht es um das, was uns geschenkt wird. Ich habe an solchen Gewerbeausstellungen schon viel Ramsch erhalten. Dinge, die ich nur angenommen habe, weil sie kostenlos abgegeben wurden. Als Kinder sind wir in richtige Sammelschlachten gezogen. Unter der Beute fand sich dann bestimmt das dreissigste Käppi und der zweihundertste Kugelschreiber. Doch es gibt auch gratis Abzugebendes, das nicht umsonst ist, das sich echt lohnt. Was, das erfährt man am diesjährigen WEGA-Gottesdienst.

Und noch etwas Besonderes wird es geben. Auftreten wird auch eine Delegation des Union Gospel Choir mit Auszügen aus seinem Programm. Es lohnt sich also, am nächsten Sonntag zur TKB-Bühne an die WEGA in Weinfelden zu pilgern.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 26. September 2023

Fest und flexibel

Ein Zitat

Cosmeablüte im Wind
Foto © Jörg Niederer
Wer fest verankert ist, muss den Zeitgeist nicht fürchten.

Ein Bibelvers - Kolosser 2,6+7

"Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus! Bleibt in ihm verwurzelt und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn. Werdet fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid. Und hört nicht auf, Gott zu danken."

Eine Anregung

Die meisten Pflanzen sind gehalten von einem fixen Verankerungspunkt, bleiben aber über Stängel oder Stamm flexibel und anpassungsfähig. So können sie dem Winddruck standhalten, gar Stürmen trotzen. Sie geben nach, und bleiben trotzdem fest.

Diese Verbindung von tiefer, sicherer Verwurzelung und gleichzeitiger Beweglichkeit erscheint mir auch für unser geistiges Leben und das Leben von Kirchgemeinden wegweisend. Gehalten von Gottes Liebe können wir einen klaren Standpunkt vertreten, auch verteidigen, aber auf eine sanfte Art, flexibel und offen dafür, wenn der Wind einmal aus einer anderen Richtung wehen sollte.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 25. September 2023

Rutschbahn

Ein Zitat

Es gibt sie schon sehr lange, die Kinderrutschbahn auf dem Rosinli bei Bäretswil.
Foto © Jörg Niederer
"Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns." Eugène Ionesco (1909-1984), Schriftsteller

Ein Bibelvers - Epheser 3,17+18

"Denn Christus soll durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt und fest auf ihr gegründet bleiben. So könnt ihr sie zusammen mit allen Heiligen in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe erfassen."

Eine Anregung

Dafür nahmen Kinder früher gerne den Aufstieg zum Rosinli oberhalb von Bäretswil in Kauf: die Rutschbahn und andere Spielsachen. Die Anlage ist in die Jahre gekommen, und andere Rutschgelegenheiten haben dem Angebot beim Aussichtspunkt schon längst den Rang abgelaufen. Bei meiner Frau kam Nostalgie auf, als sie nach vielen Jahren und Erfahrungen aus der Kindheit wieder einmal an diesem Ort durchkam.

Nostalgie empfinden Menschen auch angesichts von Kirchen und Gottesdiensten. Sie erinnern sich an die Zeiten, in denen sie, als Kinder etwa, regelmässig in Gotteshäusern ein- und ausgegangen sind. Doch nun, älter geworden, sieht das, was früher noch Freude bereitete, antiquiert und veraltet aus. Da ist zwar immer noch die Sehnsucht nach Annahme und Frieden, aber auch der Eindruck, dass das, was den kindlichen Glauben einst nährte, nicht mehr funktioniert. 

Bei der Rutschbahn auf dem Rosinli steht: "Benutzung der Rutschbahnen auf eigene Verantwortung. Kinder nur unter Begleitung Erwachsener". Welche Anregung oder Warnung sollte sicht- oder unsichtbar an den Eingängen zu unseren Kirchen und Kapellen stehen? Wie wäre es damit: "Suche hier nicht nach dem, was sichtbar vor Augen oder einst gewesen ist, suche vielmehr nach einer Hoffnung über alles Vordergründige hinaus!"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 24. September 2023

Dankbarkeits-Ertrag

Ein Zitat

Allerlei Gewachsenes und Organisches findet sich an einem kleine Baumstumpf mitten im Wald.
Foto © Jörg Niederer
"Danken schützt vor Wanken - loben zieht nach oben." Redensart

Ein Bibelvers - Kolosser 2,6+7

"Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus! Bleibt in ihm verwurzelt und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn. Werdet fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid. Und hört nicht auf, Gott zu danken."

Eine Anregung

Das Magazin von "erf Medien" nimmt sich in seiner Oktoberausgabe der Dankbarkeit an. Das passt wunderbar zur heutigen Erntedankfeier in der Methodistenkirche Weinfelden mit anschliessendem Essen (10.00 Uhr, Hermannstrasse 10, Weinfelden).

Auf dem Titelbild des Magazins halten von der Gartenarbeit schmutzige und gezeichnete Hände mehrere Äpfel. Ein typischen Bild zur Ernte. Anders das Foto, das diesem Text beigefügt ist. Darauf finden sich alles Dinge, die in einem Wald gewachsen sind oder wachsen. Auch das ist eine Ernte, wenn auch keine, an der viel verdient werden könnte oder die für die Ernährung gross etwas taugt. Und doch: Ohne all das, was da wächst und wird, würden auch wir nicht wachsen und werden.

Kann ich dankbar sein für etwas, das mir im ersten Moment nichts bringt, manchmal nicht einmal in ästhetischer Weise? Kann ich dankbar sein für etwas, das mir zu schaffen macht? Kann ich dankbar sein für alles Normale des Alltags?

Im Magazin von "erf Medien" wird eingeladen zu einem "Tagebuch der Dankbarkeit". Und so geht es:

"Schreiben Sie während vier Wochen jeden Tag drei Dinge auf, für die Sie dankbar sind.
Beobachten Sie, wie sich während dieser Zeit Ihre Wahrnehmung auf Ihr Umfeld verändert und wie sich Ihr Umfeld Ihnen gegenüber verändert.
Finden Sie heraus, in welchen Bereichen im Leben (Job, Engagement, Verein, Familie, Freunde, Gesundheit, Gott, Hobbys, Tiere, Natur etc.) Sie hauptsächlich Dankbarkeit empfinden und warum.
Nehmen Sie sich nach vier Wochen Zeit zum Reflektieren, inwiefern eine dankbare Sicht auf Situationen, Dinge und Lebensbereiche geholfen hat, diese neue einzuordnen, zu bewerten und anzugehen."

Samstag, 23. September 2023

Freundschaft

Ein Zitat

Ein Star hat sich den Kopf eines Schottischen Hochlandrinds als Warte ausgesucht. Von dort aus jagt er nach den zahlreich vorhandenen Insekten, die das Weidetier umschwirren.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn wir einander gut gesinnt sind, verbinden uns sogar gegensätzliche Meinungen." Ernst Ferstl (*1955)

Ein Bibelvers - Römer 15,1+2

"Wir, die Starken, sind verpflichtet, die Schwächen von denen mitzutragen, die nicht so stark sind. Es geht ja nicht darum, was uns gefällt. Vielmehr soll jeder von uns so handeln, wie es seinem Mitmenschen gefällt. Das tut diesem gut und hilft, ihn aufzubauen."

Eine Anregung

Mit stoischer Ruhe erträgt das Schottische Hochlandrind den Star, der sich direkt auf seinen Kopf zwischen die ausladenden Hörner gesetzt hat. Für den Vogel ist die Nähe zum Weidetieren nützlich, finden er doch dort allerlei Futterinsekten. Und für die Rinder ist der Vogel nützlich, befreit er sie doch ansatzweise von den lästigen Fliegen und Bremsen. Nebst Staren zeigen auch Elstern und Kuhreiher wenig Scheu, sich direkt auf die gutmütigen Kollosse niederzulassen. Die Bachstelzen ihrerseits suchen in Bodennähe den Kontakt zu den zottigen Riesen.

Natürlich ist das wohl noch keine Freundschaft. Eher ist es so etwas wie eine Zweckgemeinschaft. Gegenseitig tut man sich Gutes, ohne dass daraus eine enge Bindung entstehen muss.

Die Verschiedenheit der beiden Tiere zeigt, dass es nicht zwingend das selbe Aussehen und die selbe Sprache braucht, um gut miteinander auszukommen. In der Verschiedenheit liegt auch eine grosse Kraft. Ungleiche Freundinnen, ungleiche Freunde haben miteinander ein grösseres Potential, als würden sie je für sich ihr Leben leben.

Als Jesus die Menschen zu sich rief, da sammelte er um sich sehr verschiedene Charaktere. So ist es bis heute geblieben. Wer sich auf Jesus einlässt, wird eine Horizonterweiterung erleben, allein schon durch die anderen Menschen denen er oder sie im christlichen Umfeld begegnet. Wenn es auch äusserlich nicht so krass aussieht wie bei Rind und Star: Mitchristinnen und Mitchristen können Zumutungen sein, durch Christus freundschaftliche Zumutungen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Freitag, 22. September 2023

Strassen nach Kinderart

Ein Zitat

Auf einer Quartierstrasse haben Kinder vor ihrem Haus mit Kreide einen Zebrastreifen und viele Tiere auf dem Asphalt gezeichnet.
Foto © Jörg Niederer
"Unser Ziel muss es sein, die Erwachsenen von den Strassen weg zu bekommen, damit die Kinder sich darauf unbefangen und frei entfalten können." (Das Originalzitat der Stadt Winterthur lautet dagegen so: "Unser Ziel ist es, die jungen Verkehrsteilnehmenden zu befähigen, sich sicher und verkehrsgerecht im Strassenverkehr zu bewegen.")

Ein Bibelvers - Matthäus 19,14

"Aber Jesus sagte: 'Lasst doch die Kinder! Hindert sie nicht daran, zu mir zu kommen. Denn für Menschen wie sie ist das Himmelreich da.'"

Eine Anregung

"Der Weg kommt, indem wir gehen", so heisst ein Satz aus der Feder von Kurt Marti. Genau so ist es. Wege entstehen durch Gewohnheit. Das sehe ich jeden Tag auf dem Weg zum Bahnhof. Da geht eine Treppe zu einer Fuss- und Fahrradbrücke hoch. Oben kann ich aber nicht direkt einbiegen, sondern muss erst fünf Meter an einer Rabatte entlang schreiten, bevor ich mit einer 180°-Wendung endlich in die richtige Richtung weitergehen darf. Diesen Umweg machen nicht alle mit. So zeichnet sich immer deutlicher ein Trampelpfad über die Rabatte ab. Zu Fuss geht man schliesslich effizient und kräftesparend. Es soll Liegenschaften geben, bei denen die Wege über das Grundstück erst erstellt werden, wenn sich die Trampelpfade abzeichnen, und so einsichtig wird, wo Wege auch Sinn machen.

Was aber wäre, wenn wir den Kinder die Verkehrs- und Mobilitätsplanung überlassen würden? Ich gehe, aufgrund der Erfahrung mit den eigenen drei Söhnen davon aus, dass es auch dann noch Autobahnen geben würde. Jedoch denke ich, dass der Strassenverlauf stärker von kindlichen Eigeninteressen und spontanen Einfällen geprägt wäre. So wie auf dem Foto, wo die Kinder vor ihrem Haus einen Zebrastreifen auf die Strasse gemalt haben. Weiter sehe ich Tiere auf dem Gehsteig und die Namen der Künstlerinnen und Künstler. Auf einer Seite des Zebrastreifens steht gross "Achtung". Bestimmt gäbe es dann vor jedem Haus, in dem Kinder wohnen, Raum, um auf der Strasse zu spielen. Die anderen Verkehrsteilnehmenden müssten sich folglich anpassen, sich hinter den Kinderdreirad-Artistinnen und -Artisten einordnen, und vor dem improvisierten Strassen-Fussballfeld warten, bis Halbzeit ist.

Also ich möchte einmal sehen, was geschieht, wenn Kinder den Verkehr planen. Vielleicht könnten wir Erwachsenen ja noch etwas von ihnen lernen. Warum nicht einmal einen Stadtteil in die Hände der Kinder geben. Was da entstehen könnte, wäre möglicherweise wegweisend für die Zukunft der Menschheit.

Nach Jesu Worten gehört den Kindern, wenn nicht die Erde, dann aber sicher das Himmelreich. Also macht euch gefasst darauf: Im Himmel werden Kinder laut und bestimmend mitreden bei der Gestaltung der himmlischen Verkehrswege.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 21. September 2023

Ein allerletzter Tanz

Ein Zitat

Tanzgruppen des Basler Totentanzes, als Terrakotta-Figuren geschaffen vom Zizenhausener Kirchenmaler Anton Sohn. Die abgebildete Vitrine befinden sich in der christkatholischen Kirche St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Was flügt und krücht was sträbt und schwäbt / Was schwümmt und ründt, ja was je läbt / Flücht alls den Tod, ist doch kein Ort / Auff Erde, darin nicht sey der Tod"  Aus dem Totentanzzyklus von Kaspar Meglinger, Spreuerbrücke in Luzern, entstanden 1626–1635.

Ein Bibelvers - Psalm 90,12

"Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten."

Eine Anregung

Wahrscheinlich schaue ich zu selten Sendungen wie "Bares für Rares", aber bisher habe ich noch nie von den Zizenhausener Terrakotten gehört, welche der ausgebildete Kirchenmaler Anton Sohn (1769–1840) seit 1799 im deutschen Stockach herstellte. In der Christkatholischen Kirche St. Gallen sind mir nun solche Figuren aufgefallen. Sie erzielen unter Sammlern einen hohen Wert. Das Besondere an den hier fotografierten Zizenhausener Terrakotten ist, dass sie nach einer durch den Kupferstechers Matthäus Merian erstellten Darstellung des Basler Totentanzes geschaffen wurden. Von den 42 vorhandenen Terrakotten sind auf dem Foto 38 zu sehen.

Der Basler Totentanz umfasst 39 Tanzpaare. Original war er Teil des Laienfriedhofes beim Predigerkloster. Entstanden ist dieses Memento Mori im Jahr 1440. Es sollte die Menschen daran erinnern, dass der Tod jederzeit kommen kann. Das Werk von Konrad Witz und seiner Malerschule wurde mehrfach restauriert, bis es am 5. und 6. August 1805 abgebrochen wurde. Es entsprach nicht mehr dem damaligen Zeitgeist. Nur wenige Bruchstücke des Wandgemäldes konnten gerettet werden.

Da wo einst dieser Friedhof war, befindet sich heute ein öffentlicher Park. Längere Zeit erinnerte der Name der nahen Tramhaltestelle an den einstigen Totentanz. Allerdings machte es sich schlecht, wenn Menschen beim Eintritt ins gegenüberliegende Universitätsspital an einer Haltestelle aussteigen mussten, welche an das letzte Stündlein, an den Tod, an den allerletzten Tanz erinnert. Darum heisst die Haltestelle "Totentanz" heute "Universitätsspital". Geändert hat das allerdings nichts daran, dass der Tod uns jederzeit und überraschend zum letzten Tanz auffordern könnte. Memento mori – Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 20. September 2023

Mein Wochenend-Flaschenvogel

Ein Zitat

Gut getarnt zwischen Enten und Bekassinen steht ein Dunkelwasserläufer auf einem Inselchen im Neeracherried.
Foto © Jörg Niederer
"Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet." Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944)

Ein Bibelvers - Psalm 9,3

"Ich will mich freuen und über dich jubeln. Ich will deinen Namen preisen, du Höchster."

Eine Anregung

Bis gestern wusste ich nicht, dass dies mein Flaschenvogel vom Wochenende war. Erst zuhause habe ich auf einem Foto von Vögeln im Neeracherried Ried den einen entdeckt, den ich bisher noch nie gesehen habe. Mein Flaschenvogel. Damit wird auf die Flasche angespielt, die man in Ornithologinnen- und Ornithologenkreisen öffnet, wenn man eine Vogelart zum ersten Mal sieht. In meinem Fall ist es ein Dunkelwasserläufer. Ein Wattvogel aus dem Hohen Norden, der in der Schweiz auf der langen Reise ins Winterquartier nach Afrika angetroffen werden kann.

Im vergangenen Jahr ist das immer wieder vorgekommen, dass ich eine Vogelart zum allerersten Mal bewusst wahrgenommen habe. So etwa 80 Mal. 80 Flaschenvögel; das hat schon ein gewisses Suchtpotential, dem ich mich bewusst entziehe. Wenigsten was die Flaschen betrifft. Bei den Vögel möchte ich noch einige Arten zum ersten Mal entdecken. Es macht einfach Freude, mit offenen, neugierigen Augen noch einige Jahre durchs Leben zu gehen.

Was macht dir Freude in deinem Leben? Wofür würdest du eine Flasche öffnen, um etwas ganz Besonderes zu feiern?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 19. September 2023

Ganz Da sein

Ein Zitat

Portrait eines Silberreihers
Foto © Jörg Niederer
"Zu fragen bin ich da, nicht zu antworten!" Henrik Ibsen (1828-1906)

Ein Bibelvers - Psalm 51,12

"Erschaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, festen Geist!"

Eine Anregung

Ist er nicht schön, der Silberreiher? Erst die Nahaufnahme zeigt den vom Auge ausgehenden schönen Farbübergang von Grün zu Orange. Um das zu sehen, muss man dem Lauerjäger aber ganz schön nahe kommen. Das ist nicht so einfach, denn meistens ist er bei der kleinsten Störung weg, fliegt auf und davon.

Ganz anders war es bei der Inklusin Wiborada von St. Gallen. Ihr konnte man immer nahe kommen. Von ihr wusste man stets, wo sie zu finden war. Nämlich in ihrer selbstgewählten Zelle.

Dazu lese ich in einem Heft mit "Spirituellen Impulsen aus der Zelle" Folgendes: "Wiborada hat sich mit ihrer freien Entscheidung als Inklusin zu leben, selbst verwirklicht. Mit ihrem Da sein hat sie den ersten Namen von Gott 'Ich bin da' für eine Stadt gelebt. Sie war immer da. Von niemand anderem sonst wusste man genau, wer wo ist, aber von Wiborada schon. sie war da in ihrer Zelle." 

Das gelungene Heft mit dem Titel "da sein" ist auch online abrufbar. Es enthält 26 Impulse, geschrieben von Seelsorgerinnen und Pfarrerinnen. Zu jedem Impuls hat die Designerin Fiona Kopp Grafiken beigesteuert. Anregungen helfen, mit den Gedanken durch den Tag zu gehen. Bei den Gedanken zum "Da-sein" lauten diese Anregen so: "Ich versuche immer wieder darauf zu achten, dass ich ganz da bin, ganz bei der Sache, hellwach, aufmerksam, mit ganzem Herzen dabei, ganz mit mir selbst.
Am Abend kann ich auf diesen Tag zurückschauen und mich fragen, wie es mir ergangen ist. Wann war ich ganz da?"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 18. September 2023

Da liegt nichts im Unargen

Ein Zitat

Am christlichen Tisch anlässlich des Interreligiösen Bettags 2023 auf dem Klosterplatz in St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Die Religionsfreiheit ist die Freiheit des Gedankens, des Gewissens und des Lebens in Sachen der Religion; die Freiheit zu glauben und nicht zu glauben, die Freiheit für Gelehrte, für die Priester und für die Gläubigen. Der Staat schuldet ihnen allen dasselbe Maß und denselben Schutz in der Ausübung ihres Rechtes." François Pierre Guillaume Guizot (1787 - 1874), französischer Politiker und Schriftsteller

Ein Bibelvers - 1. Johannes 5,19+20

"Wir wissen auch: Wir kommen von Gott her. Aber die ganze Welt ist in der Gewalt des Bösen. Wir wissen aber zugleich: Der Sohn Gottes ist gekommen. Er hat uns die Augen geöffnet, damit wir den erkennen, der die Wahrheit ist."

Eine Anregung

Die interreligiöse Bettagsfeier 2023 war ein sehr harmonischer Anlass bei bestem Wetter. Von Anfang bis Ende lag da nichts im Unargen. 

"Unarg"; gleich zweimal hörte ich in der vergangenen Woche diese Wort. Beide Male wurde es im Sinn von "ganz besonders schlimm" verwendet, was mir aber nicht recht einleuchten will.

"Arg" wird vom indoeuropäischen Wort "ergh" abgeleitet, in der Bedeutung "schütteln, erregen, beben". Gemeint ist das Angstzittern. Im weiteren Sprachverlauf bekam es die Bedeutung "feige". Im 1. Johannesbrief wird die Wendung "im Argen liegen" gebraucht in der Bedeutung: "etwas ist nicht so, wie es sein sollte, wie es richtig wäre". Fügt man nun zu diesem Wort "arg" das Adjektivpräfix "un-" hinzu, bekommt es die gegenteilige Bedeutung. "Unarg" würde also bedeuten, dass etwas so ist, wie es sein sollte.

In diesem Sinn war der interreligiöse Anlass auf dem Klosterplatz St. Gallen eine durch und durch unarge Feier. Doch so verwendete der Moderator dieses Wort eben nicht, als er zu Beginn der Feier auch die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ansprach und die Kriege in aktuell 21 Ländern dieser Erde. Er wollte damit vielmehr die negative Bedeutung des Wortes "arg" unterstreichen. Bei "unarg" könnte es sich also um einen verkappten Komparativ oder gar Superlativ handeln.

Als ich nach "unarg" bei Google suchte, gab es nicht einen vernünftigen Treffer. Vielmehr fragte mich das Programm, ob ich nach "arg" habe suchen wollen.

Im Idiotikon, dem Wörterbuch für Schweizer Dialekte, bin ich dann doch noch fündig geworden. Dort gibt es einen Eintrag zu "unargwǟnig" (unargwöhnig). Einerseits wird damit ausgesagt, dass jemand unbefangen entscheidet, andererseits keinen Argwohn oder Verdacht hegt.

Nun kann "arg" in der Umgangssprache auch die Bedeutung von "sehr" haben. "Das Gebet ist arg gut" bedeutet dann: "Das Gebet ist sehr gut". Doch auch hier ergibt das vorangestelltem Adjektivpräfix "un-" wenig Sinn, es sei denn, auch "böse" ist ein Antonym von "sehr" und nicht nur Worte in der Bedeutung von "bisschen" oder "minim".

Nach diesem Streifzug durch die schwierige deutsche Sprache bin ich kein bisschen klüger, warum man "unarg" in der Bedeutung von "besonders schlimm" verwenden sollte. Dagegen war die interreligiöse Bettagsfeier 2023 in St. Gallen in jeder Hinsicht eine gelungene, um nicht zu sagen "unarge" Feier des Religionsfriedens und der gemeinsamen Besinnung auf die Wurzeln des Glaubens.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 17. September 2023

Religionen beten auf dem Klosterplatz St. Gallen

Ein Zitat

Die Plakate zur Interreligiösen Bettagsfeier auf dem Klosterplatz St. Gallen hängen schon.
Foto © Jörg Niederer
"Gott, unsere Hände sollen zu deinen Händen werden, um sie den Menschen hinzuhalten, damit sie sich daran festhalten können." Aus dem christlichen Gebet an der Interreligiösen Bettagsfeier

Ein Bibelvers - Jona 1,4+5a

"Doch der Herr ließ einen starken Wind losbrechen, der über das Meer fegte. Der Sturm wurde immer stärker, und das Schiff drohte auseinanderzubrechen. Die Matrosen fürchteten sich und schrien um Hilfe, jeder betete zu seinem eigenen Gott."

Eine Anregung

Nebst den Bettagsgottesdiensten in den verschiedenen St. Galler Kirchen gibt es heute Nachmittag um 15 Uhr die alle zwei Jahre stattfindende Interreligiöse Bettagsfeier. Das Thema dieser Feier von christlichen, islamischen, jüdischen, hinduistischen, buddhistischen und alevitischen Menschen, sowie den Angehörigen der Sikh- und Bahai-Religionen lautet: "Ich höre Dein Gebet für den Frieden"

Jede Religion rezitiert ein für diesen Anlass vorbereitetes Gebet. Es wird nacheinander für den Frieden gebetet. Weiter wird an dieser Feier die Rumänisch-orthodoxe Pfarrgemeinde Hl. Antonius die "St. Galler Erklärung" unterzeichnen. In dieser Erklärung geht es um den Religionsfrieden in der Stadt St. Gallen. 

Zur Feier sind alle ganz herzlich eingeladen. Sie endet mit einem gemeinsamen Apéro auf dem Klosterplatz. Falls wider Erwarten das Wetter nicht mitspielen sollte, findet diese Feier, die ein Zeichen setzen will für den Frieden in der Welt und die respektvolle Koexistenz der Religionen, im Zentrum Magnihalden 15 statt.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Samstag, 16. September 2023

Am globalen Klimastreik in St. Gallen

Ein Zitat

Die Demonstrierenden des gestrigen Klimastreiks bewegen sich durch die Multergasse in St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!" Klimademo-Parole

Ein Bibelvers - Jeremia 32,17

"Ach Herr, mein Gott! Du bist es, der Himmel und Erde gemacht hat – mit großer Kraft und ausgestrecktem Arm. Nichts ist für dich unmöglich!"

Eine Anregung

Ich bin nicht der Typ zum Demonstrieren. Mir liegt das kollektive Schreien von Parolen nicht so. Dem Plakativen kann ich nur wenig abgewinnen. Doch gestern war ich dabei, als sich Teilnehmende des globalen Klimastreiks lautstark in St. Gallen bemerkbar machten. Zuvorderst die Jugendlichen von "Fridays for Future", dann auch gut sichtbar die Klimaseniorinnen und viele weitere, auch ältere Personen. 

Wie gesagt: Ich bin nicht der Typ zum Demonstrieren. Es kostet mich Überwindung, an so einem Anlass teilzunehmen. Ich mag es nicht so, wenn eine Anheizerin oder Anheizer von mir erwartet, dass ich herumschreien soll. Aber das Anliegen ist mir sehr wichtig. Ich glaube, die Gesellschaft ist sich noch nicht bewusst, wie bedrohlich die Klimakrise noch werden kann. Es geht überall zu langsam mit dem Umbau zu einer CO2-neutralen und biodiverseren Welt.

Ich bin nicht der Typ zum Demonstrieren. Da liegt mir das vorausgegangene, erstmals auch in St. Gallen stattgefundene Klimagebet in der Schutzengelkapelle näher. Dort haben wir uns spirituell auf die Demo eingestimmt und gebetet: "Gott, du hast uns Verantwortung übertragen für die Schöpfung und alle Menschen. Wir wollen diese wahrnehmen und das Zusammenleben weltweit gerecht gestalten...
Wenn ich sehe und miterlebe, wie gleichgültig manchen Menschen deine Schöpfung ist: Tiere werden ausgebeutet und Ökosysteme werden zerstört; Wenn ich daran glaube, dass Du, Gott, diese Welt noch nicht aufgegeben hast, dann bete ich: Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

Freitag, 15. September 2023

Spezialistinnen und Spezialisten des Schweigens

Ein Zitat

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Altersausflugs hören sich in der barocken Kloserkirche Ittingen an, wie Kartäusermönche hier einst gelebt haben.
Foto © Jörg Niederer
"Unser Bemühen und unsere Berufung bestehen vornehmlich darin, im Schweigen und in der Einsamkeit Gott zu finden" Aus den Regeln des Kartäuserordens

Ein Bibelvers - Epheser 4,29

"Kein böses Wort soll über eure Lippen kommen. Vielmehr sollt ihr stets ein gutes Wort haben, um jemanden zu stärken, wenn es nötig ist. Dann bringt dieses Wort denen Segen, die es hören."

Eine Anregung

Es sind Spezialistinnen und Spezialisten des Schweigens und Betens. Die Frauen und Männer, welche ihr Leben in einem Kloster nach der Lehre des Bruno von Köln (ca. 1027-1101) im kartäusischen Stil verbracht haben oder verbringen. Dabei hat der Klostergründer geschickt die Einsiedelei der Wüstenväter mit der gemeinschaftlichen klösterlichen Lebensweise verknüpft. Ziel war es, bereit zu sein für den Ruf Gottes in die Ewigkeit. So finden sich immer wieder Symbole des Todes wie Totenschädel auf den Bildern der einzelner Mönche und Nonnen. Um diesen göttlichen Ruf zu hören, schweigen die Karthäuser Mönche und Nonnen die meisten Zeit ihres Lebens. Es gibt wöchentlich nur zweit Anlässe, bei denen sie miteinander Sprechen: Am Sonntag für einige Zeit in zentralen Garten, und einmal unter der Woche auf einer vierstündigen Wanderung. Sonst verbringen die Mönche oder Nonnen mit minimalem Kontakt zu ihren Mitgeschwistern in einem kleinen abgegrenzten Reihenhäuschen. Dort schweigen, beten und arbeiten sie. Karthäuser leben vegetarisch, essen aber Fisch. Wobei ihre Fastenzeit mehr als die Hälfte des Jahres ausmacht. 

Unter den Mönchen gibt es drei hierarchisch geordnete Gruppen: Die theologisch geschulten Chormönche, die alle auch zu Priestern geweiht werden, stehen an der Spitze. Sie leben in diesen Reihenhäuschen. Die Brüdermönche gehören zum Laienstand und sorgen für die handwerklichen Aufgaben im Kloster. Sie leben in einem Gemeinschaftsgebäude in einzelnen Zellen. Dann gibt es noch die Donaten, so eine Art Light-Karthäuser, die zwar in persönlicher Armut leben, aber ausserhalb des Klosters arbeiten und Besitz haben können.

Wer schweigt, hört auch die ganz leisen Stimmen laut und deutlich? Das ist besonders wichtig, um die Stimme Gottes zu hören. Darum schweigen die Kartäuserinnen und Kartäuser so oft wie möglich. Darum suchen sie die Einsamkeit. Darum sprechen sie, wenn sie es tun, meist im Gebet zu Gott (acht Stunden pro Tag), und nur ganz selten miteinander. Sie wollen das Wichtigste in ihrem Leben nicht verpassen: Wenn Gott sie zu sich ruft.

Vielleicht wäre es in dieser lauten Welt auch gut, wenn wir vor entscheidenden Momenten unseres Lebens einige Zeit Schweigen. Etwa, wenn wir schwierige Verhandlungen vor uns haben. Schweigende Vorbereitung kann den nachfolgenden Worten grösseres Gewicht geben. Es wären dann nicht mehr Worte von vielen, sondern ein Wort, das aus der Stille geboren ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Donnerstag, 14. September 2023

Eine eingesperrte Türöffnerin für die Frauen

Ein Zitat

Ausschnitt aus dem St. Galler Professbuch mit dem Eintrag zu Wiborada (Roter Kasten) und weiteren Frauennamen (grüne Kästchen) in diesem sonst reinen Männerbuch. Unterlegt ist das Dokument mit dem Fresko von Ferdinand Gehr in der Wiboradakapelle St. Georgen (St. Gallen). Es stellt die Krönung Wiboradas dar zwischen den weiteren Stadtheiligen Gallus und Otmar.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn Sie haben wollen, was Sie noch nie hatten, müssen Sie tun, was Sie noch nie getan haben." Prof. Dr. Darya Gerasimenko

Ein Bibelvers - Jesaja 26,1-3

"Zu der Zeit wird man im Land Juda dieses Lied über Jerusalem singen: 'Wir haben eine gut befestigte Stadt. Gott hat Mauern und Wälle zu ihrem Schutz errichtet. Öffnet ihre Tore! Dann kann das Volk der Gerechten einziehen, das Gott die Treue gehalten hat. Wer unerschütterlich auf dich vertraut, dem schenkst du bleibenden Frieden.'"

Eine Anregung

Gestern fand der 2. Wiborada-Dialogtag in St. Gallen statt (Siehe Animationsfilm über das Leben der Wiborada). Ich wurde wohl aufgrund eines Blogbeitrags zu diesem Anlass eingeladen. Es waren inspirierende Stunden mit interessanten Informationen und intensiven Gesprächen über die weltweit erste heiliggesprochene Frau, auch mit dem Ziel, Im Jahr 2026 den tausendeinhundertsten Todestag der Märtyrerin in besonderer Weise zu begehen.

Unter anderen referierte Stiftsarchivar Dr. Peter Erhart über den berühmten Eintrag zu Wiborada im St. Galler Professbuch, das im Jahr 800 als Pergamentcodex angelegt wurde. In Professbüchern wurden die Gelübte der Mönche eingetragen. Gelübte von Frauen finden sich logischerweise nicht in diesen Mönchs-Büchern; mit einer Ausnahme. Unter dem Eintrag vom 1. Mai 926, dem Tag der Ermordung der Inklusin Wiborada durch Kriegsleute aus der Region des heutigen Ungarns, ist in lateinischer Sprache zu lesen: "Am ersten Mai wurde die Reklusin Wiberat von den Heiden getötet". Es ist sehr aussergewöhnlich, dass damit postum eine Frau als Teil der St. Galler Mönchsgemeinschaft aufgenommen wurde. Der Märtyrertod dieser Ratgeberin und Retterin vieler Menschen, Handschriften und des Klosterschatzes wurde wohl wie ein Tatbeweis verstanden für ein mönchisches Gelübte, das Wiborada ja auch Jahrelang lebte, indem sie sich in eine Zelle einsperren lies und dabei durch ein Fenster auch an den Gottesdiensten und Gebetszeiten der Mönche und Gläubigen in der Kirche St. Mangen teilnahm.

Doch sie ist nicht die einzige Frau, deren Name im Professbuch zu finden ist. Etwa zur Zeit der Heiligsprechung der Wiborada im Jahr 1047 trugen sich an der Stelle des Eintrags der Wiborada weitere Personen ein, darunter auch zwei Frauen. Ihre Namen "Anna" und "Regela" sind leicht zu erkennen. Diese Einträge sind wohl der Versuch von Pilgerinnen und Pilger, der Heiligen so nahe wie möglich zu kommen. Das Professbuch, führte Dr. Erhart weiter aus, wurde damit für viele Menschen selbst zu einer Reliquie. 

So kommt es, dass Wiborada den Frauen zu einer Türöffnerin wurde in einem ausschliesslichen Männerbuch und einer durch Männer bestimmten Zeit. Sie, die sich selbstbestimmt zurückgezogen hatte, half mit, dass andere Frauen aus dem Schatten der Männer hervortreten konnten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Mittwoch, 13. September 2023

Fotografinnen und Fotografen im Visier

Ein Zitat

Fotos von Fotografinnen und Fotografen, welche Franz Hohler fotografieren. Zu sehen auf der Empore der Stadtkirche Olten.
Foto © Jörg Niederer
"Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre." Robert Bresson (1901-1999), Filmregisseur

Ein Bibelvers - 2. Mose 20,4

"Du sollst dir kein Bild von Gott machen! Nichts, was im Himmel und auf der Erde ist und im Wasser unter der Erde, kann ihn darstellen."

Eine Anregung

Es gehört zu den Highlights, wenn eine Profi-Fotografin oder ein Profi-Fotograf einen prominenten Zeitgenossen ablichten darf. Kein Wunder, dass daher bei jedem Interview mit Franz Hohler ein neues Bild aus der Hand einer Foto-Meisterin oder eines Foto-Meisters entstand ist. Doch Franz Hohler kehrte den Spiess jeweils um und fotografierte nun seinerseits Fotografin oder Fotografen dabei, wie sie ihn gerade ablichten. Anlässlich seines 80. Geburtstags sind diese Aufnahmen ausgestellt, und zwar auf der Empore der christkatholischen Stadtkirche Olten.

Ich war da, und defilierte an diesen knieenden, stehenden, sitzenden, auf Tische kletternden Fotografinnen und Fotografen vorbei. Dabei kam ich mir wohl mehr noch als Franz Hohler ins Visier genommen vor. Seine Aufnahmen geschahen ja seriell, doch ich sah sie in der Ausstellung alle zusammen auf einmal. Paparazzi im Quadrat bzw. Rechteck vieler Fotografien. Was aber bedeutet es, wenn ich das Foto eines fotografischen Prozesses abfotografiere? Was wird durch mein Bild mehr gesagt, als nicht durch vorliegende Bildsprache schon gesagt wäre?

"Du sollst dir kein Bildnis machen", steht in der Bibel. Franz Hohler hat es jeweils freundlicher gesagt: Es gäbe schon genug geeignete Fotos von ihm. Es brauche wohl nicht noch eines mehr. Und doch haben sie alle fotografiert, was die Kamera hergab. Manche dieser Fotos werden irgendeinmal in nachhohlerschen Zukunft zu Kunst-Ikonen. Dank Franz Hohler ist sogar der Moment der Entstehung dieser Werke festgehalten.

Ich stelle mir vor, wie das gewesen wäre bei der Erschaffung der Welt. Es kommt der Moment, wo Gott dem Menschen den Atem einhaucht, und dieser zu leben beginnt. Das Erste, was der neugeschaffene Erdling tut: er greift zur Kamera (die ist halt einfach da) und fotografiert Gott, wie er gerade Leben schenkt. Das wäre ein unglaubliches Bild. Dabei würde ein Werk entstehen, bei dem der Prozess des Lebendigwerdens bildlich erstarrt, just in dem Moment, als das "Abbild Gottes" (der Mensch) laufen und knipsen lernte. Oder anders gesagt: Der Mensch lässt Leben zu einem Bild erstarren. Gott aber kann das Bild zum Leben erwecken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Dienstag, 12. September 2023

Das vergessene Weinglas

Ein Zitat

Ein vergessenes Weinglas steht in der Stadtkirche Olten neben der Emporentür zur Ausstellung mit Fotos von Franz Hohler.
Foto © Jörg Niederer
"Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen." Vincent van Gogh (1853-1890)

Ein Bibelvers - Hiob 7,4

"Wenn ich mich schlafen legte, fragte ich mich, wann ich endlich wieder aufstehen kann. Doch dann zog sich die Nacht endlos hin. Bis zum Morgen wälzte ich mich unruhig im Bett."

Eine Anregung

Die beiden hölzernen Treppen führen steil hinauf zu den Emporen in der christkatholischen Stadtkirche Olten. Dort oben, auf beiden Seiten des Kirchenschiffs, sind Fotos ausgestellt. Sie zeigen einerseits das Leben von Franz Hohler, andererseits Aufnahmen aus dem Fundus des vielfältig begabten Künstlers. Doch davon später.

Mir ist das Weinglas ins Auge gestochen. Es steht in einem Winkel, gleich aussen bei der Emporentür, welche aktuell ins Universum von Franz Hohler führt. Das Weinglas ist leer. Es zeugt wohl von der Vernissage. Die fand irgendeinmal um den 6. Mai statt, also vor mehr als drei Monaten. Zwischenzeitlich ist der verbliebene Rest im Glas längst verdunstet und eingetrocknet. Geduldig wartet das Glas auf seine Rückführung in den Lebenszyklus eines Trinkgefässes.

Oder ist es gar Teil der Ausstellung? Ein ironischer Blick auf die Vergänglichkeit. Davon wäre noch mehr zu sehen bei den Fotos die Franz Hohler ausstellt. Etwa, wenn die Medikamentensammlung im Halbkreis fotografiert überschrieben ist mit "Die Freuden des Alters". Soll das Glas mir, dem einsamen Besucher sagen: "Du kommst zu spät, der Wein ist längst ausgetrunken!" Zum Abendmahl gehört das Weinglas wohl wirklich nicht. Das wird in der christkatholischen Kirche anders gefeiert. Jedenfalls habe ich mit dem hiesigen Pfarrer Daniel Konrad schon das eine oder andere Glas Wein getrunken, als er noch in der Stadt St. Gallen die dortige Gemeinde beseelsorgte.

Da steht es also, dieses leere Weinglas. Abgestellt und vergessen. Sein Schicksal: Warten; auf bessere Zeiten hoffen.

Abgestellt und vergessen. 39% der Bevölkerung in der Schweiz geben an, dass sie sich einsam fühlen. Bei ihnen ist aktuell keine Lebensparty angesagt. Vermutlich kennst du mindestens eine solche einsame Person. Wie wäre es mit einem Besuch bei ihr, vielleicht mit einem guten Wein unter dem Arm oder einem selbstgebackenen Kuchen in der Tasche. Irgend ein Trinkglas lässt sich dann schon finden, irgendwo in einen vergessenen Winkel, wartend auf Besuch, der endlich gekommen ist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Montag, 11. September 2023

Belauscht

Ein Zitat

Szene mit Jugendlichen auf dem Domplatz St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer

"Ich hör‘ es gerne, wenn die Jugend plappert: Das Neue klingt. Das Alte klappert."
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Ein Bibelvers - Sprüche 7,1

"Mein Sohn, gib acht auf meine Worte und bewahre meine Gebote wie einen Schatz!"

Eine Anregung

Wann schon hat ein älterer Mensch, dessen Kinder längst ausgeflogen sind, schon die Gelegenheit, sich an der Sprache der Jugend und ihren Sorgen und Freuden zu laben, wenn nicht in einem Schülerzug am frühen Morgen. Wenn dann noch einzelne Personen besonders herausstechen in Lautstärke und Originalität, dann fällt es mir schwer, weghören.

Hier ein kurzer Ausschnitt eines solchen Gesprächs. Man beachte den sprunghafte Gesprächsverlauf zwischen zwei jungen Frauen und einem jungen Mann. 

Jugendliche A: "Du gsesch voll ungschminkt us, weisch du das?" 

Jugendliche B: "Ich ha Ladekabel debii." 

A: "Ich ou!" 

B: "Ich ha kei Deo debii." 

A: "Ich ha Notbook nöd ufglade." 

B: "Ich ha so gärn Schminktisch und Stuhl." 

Jugendlicher C: "Ich ou." (In meiner Jugend eine undenkbare Aussage für einen jungen Mann!) 

A: "Ha im Fall Schminke debii." 

B: "Nei, isch mer schiessegal..." 

A zu B: "Chom halt dini Frässe Kolleg." 

B: "He, es isch 7:15 am Morge."

A: "Wenn ich diä hüt i de Schuel no einisch gseh met däne Hoor (Haare)! Diä wo mer d'Sicht gno het. Du, i schwöre, ich houe dere d'Hoor ab. He, die isch en Pudel!" 

B: "Wie chammer am Morge ned uf Snap (Snapchat) go?" 

A: "Huere schöns Wätter!" 

Mir hat die spröde Ursprünglichkeit dieses Gesprächs an jenem Morgen im Zug so richtig gut getan und ein verstecktes Lächeln ins Gesicht gezeichnet. Mit dieser weltlichen Morgenpredigt bin ich dann beschwingt in eine wieder sehr kontrollierte, von Höflichkeit und Zielorientierung geprägte kirchliche Sitzung weitergegangen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Sonntag, 10. September 2023

Sonntag mit oder ohne

Ein Zitat

Anna Shammas ist Pfarrerin in der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Foto © Jörg Niederer
"Gottes Stimme ist immer eine warme Stimme, die Sicherheit gibt." Anna Shammas im Interview des Senders ERF

Ein Bibelvers - Johannes 15,15

Jesus: "Ich bezeichne euch nicht mehr als Diener. Ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr nenne ich euch Freunde. Denn ich habe euch alles anvertraut, was ich von meinem Vater gehört habe."

Eine Anregung

Wirst du heute einen Gottesdienst besuchen? Nur eine kleine Minderheit in der Schweiz wird das tun. Die Alternativen sind vielfältig und oft attraktiver, die Erwartungen an einen Gottesdienst dagegen minim. Personen, welche noch in die Kirche gehen, heben häufig die Gemeinschaft mit anderen Gleichgesinnten hervor und nicht etwa die Predigt. Gestern erst habe ich überraschend eine Bekannte aus meiner früheren Zeit als Pfarrer im Aargau und Solothurn getroffen. Sie sei immer noch voller Glauben an Gott, aber in die Kirche gehe sie eher nicht mehr.

Solltest du es heute wieder einmal versuchen wollen, dann wäre natürlich der Gottesdienst bei den Methodisten in St. Gallen eine Möglichkeit. Um 10.15 Uhr geht es an der Kapellenstrasse 6 los. Thema ist die "Freundschaft".

Falls du lieber zu Hause bleibst, hätte ich einen anderen Vorschlag. Vor einiger Zeit, im Mai, erzählte Anna Shammas im Sender ERF über ihr Leben. Dieses Video ist immer noch verfügbar. Beim Anschauen erfährt man, wie Anna Shammas gegen den Willen der Eltern heiratete, dann aus Syrien in die Schweiz emigrierte und hier neun Jahre ohne Aufenthaltsbewilligung lebte. Dann flatterte der Ausweisungsbescheid ins Haus. Doch es kommt anders, weil Anna in der Zwischenzeit Freudinnen und Freunde gefunden hat aus der Methodistenkirche Aarau, und die sich sehr für die Frau und ihre Familie eingesetzt haben.

Sehr berührend sind auch ihre Aussagen über den Glauben. 

Dieser Videobeitrag ist absolut sehens- und hörenswert und unglaublich mutmachend. Eine richtiggehende Sonntagserfrischung.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen