Freitag, 9. August 2024

Landvogt Gessler im Thurgau

Ein Zitat

Die Gesslerbrücke im Griesenbergtobel ist nach dem Landvogt aus der Tellssage benannt.
Foto © Jörg Niederer
"Hier ist Grisslers Hochmuoth vom Thäll erschossen und die Schweitzer edle Freyheit entsprossen." Inschrift von 1781 in der Tellskapelle bei Küssnacht

Ein Bibelvers - Judas 1,20

"Dagegen sollt ihr, meine Lieben, euer Leben auf eurem allerheiligsten Glauben aufbauen. Lasst euch im Gebet vom Heiligen Geist leiten."

Eine Anregung

Griesenberg hat nicht nur eine historische Trülle und gehört zu den schützenswerten Ortsbildern der Schweiz (siehe Beitrag vom 7. August 2024). Da wäre auch das Griesenbergtobel, angeblich das tiefste im Thurgau, in dem sich eine 2008 erbaute Fussgängerhängebrücke befindet. Diese hat einen unerwarteten Namen: Gesslerbrücke. 

Gessler ist der Landvogt in der Tellssage. Warum gerade diese verhasste Person hier im tiefsten Thurgau mit der Benennung einer Brücke geehrt wird, hat seine durchaus spekulativen Gründe. Bei Gessler solle es sich um Heinrich VI. von Griesenberg gehandelt haben. Dieser hatte auf Seiten der Habsburger an der Schlacht von Morgarten teilgenommen. Hinzu kommt, dass bis Ende des 18. Jahrhunderts der Gegenspieler von Wilhelm Tell als Griessler oder Grissler bekannt war. Erst danach wird der Landvogt Gessler genannt. Griessler und Griesenberg, das könnte passen. Auch dass Heinrich VI. in der fraglichen Zeit habsburgischer Landvogt in Aarau war, und damit auch mit der Innerschweiz zu tun hatte.

All das kann man nachlesen in einem Beitrag des Tagblatts vom 15. November 2018. Darin steht auch, dass diese Gleichsetzung von Gessler mit Heinrich VI. von Griesenberg unwahrscheinlich sei. Eher hätten verschiedene Gestalten beigetragen zum eidgenössischen Feindbild des Landvogts Gessler.

Sicher ist, dass in Griesenberg heute keine Gesslerburg steht. Die wurde nämlich Neu-Griesenberg genannt und ist bedingt durch Erosion ins tiefe Tobel abgestürzt.

Ob es wohl auch irgendwo eine Judas-Brücke gibt? Judas Iskariot war es ja, der Jesus verraten hatte. Würde ihn jemand mit einer Brücke ehren wollen?

Es gibt eine Judasbrücke. Im holländischen s-Hertogenbosch steht sie. Vermutlich ist sie aber nach Judas, dem Bruder von Jakobus benannt, und nicht nach dem Jesusverräter Judas Iskariot. Mit Abtrünnigen tut man sich halt schwer. Ausser im Thurgau, wo man es aus touristischen Gründen noch so gerne hätte, wenn Gessler ein Griesenberger gewesen wäre.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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