Ein Zitat
"ich bin der thod mit gewallt ich nim kriegschlyd jung und alltt." Ausspruch des Tods auf Totentanz im Beinhaus von LeukFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Offenbarung 14,13
"Und ich hörte, wie eine Stimme vom Himmel rief: 'Schreib: Glückselig sind die Toten, die von jetzt an sterben und zum Herrn gehören.' Ja, sagt Gottes Geist, sie sollen sich ausruhen von ihren Mühen. Denn ihre Taten gehen mit ihnen.'"
Eine Anregung
Bei den ersten schweren Regentropfen des Gewitters flüchte ich zu den Verstorbenen.
Schon zuvor hatte ich das Beinhaus von Leuk unter der Kirche St. Stephan besucht. Seit dem frühen 16. Jahrhundert hat man dort die Schädel und Oberschenkelknochen der Verstorbenen erneut bestattet, nachdem der Friedhof zu klein geworden war. 22'000 Schädel sollen es sein. Aufgeschichtet sind sie an einer 22 Meter langen Wand. Noch heute dient dieses Beinhaus als Aufbahrungsort für Verstorbene. Als Jakobspilgernde auf dem Rhein-Reuss-Rhone-Weg muss man diesem sehr speziellen Ort einen Besuch abstatten. Dort befindet sich der Pilgerstempel.
Als ich das erste Mal eintrat, war ich nur kurze Zeit allein. Dann kamen zwei jüngere Frauen in dunkler Aufmachung herein. Gotic Ladys, welche wohl auf einer eigenen touristischen Reise zu den morbiden Orten der Schweiz waren. Beim zweiten Mal unter den Verstorbenen blieb ich allein. Das gab mir Zeit, den Raum bei Donnergrollen des heraufziehenden Gewitters auf mich wirken zu lassen. Einen Moment lang ging sogar das Licht aus, und ich sass im Finsteren vor dieser Gebeinswand beim Schmerzensmann Jesus am Kreuz.
Im selben Raum befinden sich auch Totentanzdarstellungen aus der Zeit um 1520-1530. Eine Rarität in diesem Alter und Erhaltungszustand. Sie sind mit Spruchbändern statt Sprechblasen versehen und gleichen so modernen Comics oder Graphic Novels. Da hält ein Ritter dem Sensenmann seinen Geldbeutel entgegen, doch dieser antwortet ihm: "goltt noch geltt hap keyn (ergetzen?) ich wiell dir din herz apschiessen schetzhen." Auf dem anderen Bild marschieren Kirchenleute unterschiedlicher Bedeutung auf die Todesboten zu, welche ihnen die Insignien entreissen und sie damit zu gewöhnlichen Sterblichen machen. Ein Toter mit Speer und Sanduhr meint zum Geschehen: "O bapst cardinal bischoff prelaten und kaplâ die stund ist hie üwe' leben Müssen ir lan".
Mir fällt auf, dass unter den vielen hundert aufgeschichteten Schädeln nur gerade einer mit Unterkiefer zu finden ist. Warum wohl? An einem weiteren Schädel ist ein kreisrundes Loch (von einem Bohrer oder einer Gewehrkugel?) wieder zugewachsen. Dieser Verstorbene hatte wohl vorerst einen Eingriff oder Angriff überlebt. Doch am Ende kommt für alle das Ende. Wer da mit Hoffnung auf den Auferstandenen, auf Christus durch diese Einbahnstrasse gehen kann, ist schon hier auf Erden gut beraten.
Mensch, bedenke, dass du sterblich bist!
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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