Ein Zitat
"Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null — und das nennen sie ihren Standpunkt." Albert Einstein (1879–1955)Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Jesaja 40,22
"Gott thront so hoch über dem Erdkreis, dass die Menschen darauf wie Heuschrecken erscheinen. Er spannt den Himmel aus wie ein Tuch. Er breitet ihn aus wie ein Zelt, in dem man wohnen kann."
Eine Anregung
Ein Fahrradrennen in Olten als Sonntagsbeitrag in diesem Blog. Doch, das passt. Dorthin war ich am vergangenen Sonntag unterwegs. Nach Olten, meine Mutter besuchen; nicht an das Fahrrad-Kriterium. Dieses Rennen war lediglich Beigemüse auf meinem Weg ins Altersheim. Der GP Olten war in vollem Gang, die 37 Fahrer rasten auf ihren Rädern bereits das zwanzigste Mal im Kreis. Hundert Runden von 775 Metern Länge galt es zu absolvieren. Immer rechts herum. Immer in die gleiche Richtung. Hundert Mal auf die selbe Seite in die Kurve liegen, hundert Mal eine kalte Dusche durchfahren; Erfrischung auf dem Weg, von der Feuerwehr eingerichtet an diesem heissen Tag. Hundert Mal hinauf zur Friedenskirche, hundert Mal hinunter zur Migros, hundert Mal über die Ziellinie. Immer wieder das Gleiche von vorn.
Gut, von all den Fahrern haben nur 22 alle hundert Runden absolviert. Sich so im Kreis drehen, ohne Chance auf den Sieg, ist halt nicht jedermanns Sache.
Fragt sich noch, ob das hundertfache Zuschauen nicht noch eintöniger ist, als sich hundertfach selbst im Kreis zu drehen?
Andererseits: Sind wir nicht alle im Kreis unterwegs, kommen immer wieder an den gleichen Ausgangsort zurück? Meist ist das eine Wohnung. Und die Wege, die wir zurücklegen, gleichen sich Tag für Tag. Zum Einkaufen, tausendmal die selbe Strecke. Zum Arbeiten, tausend Mal an den gleichen Passanten vorbei, die auch ihren kreisenden Gewohnheiten meist zu den selben Zeiten wie immer nachgehen. Mag sein, dass da mal ein ganz anderer Weg gegangen wird, vielleicht sogar links herum, in den Ferien etwa. Aber immer wieder landen wir am gleichen Ort, bis wir nicht mehr am gleichen Ort landen, so wie meine Eltern; im Altersheim. Da drehen wir dann immer kleinere Runden, bis wir uns schlussendlich ein letztes Mal gedreht haben werden.
Ist das ganze Leben gar nichts anderes, als ein sich Vorbereiten auf diesen Moment, an dem ich aus dem Rennen aussteigen, siegreich oder nicht, hoffnungsvoll oder nicht, fluchtartig oder nicht?
Darüber sinniere ich am vergangenen Sonntag, wie ich nach meinem Besuch bei meiner Mutter im Altersheim wieder an der Rennstrecke stehe. Dort drehen die Fahrer ihre letzten Runden. Ihre Zahl ist kleiner geworden. Sie sind deutlich langsamer unterwegs. Ich gehe der Rennstrecke entlang zum Bahnhof und denke: Bald werde ich meine heutige Runde vollendet haben. Morgen drehe ich mich weiter. Hoffentlich ohne kalten Dusche.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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