Donnerstag, 6. Juli 2023

Tanzende Blüten

Ein Zitat

Ein Schachbrettfalter wärmt sich am frühen Morgen in der Wiese.
Foto © Jörg Niederer
"Schmetterlinge sind selbsttreibende Blumen." Robert A. Heinlein (1907-1988)

Ein Bibelvers - Römer 6,8

"Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden."

Eine Anregung

Violett ist ihre Lieblingsgeschmacksrichtung. Von weitem gleichen sie hübschen kleinen Blüten in einer an sich schon recht verblühten Trockenwiese. Doch dann verwandeln sich einige dieser Blümchen in tanzende Schmetterlinge, wirbeln um einander herum, setzten sich wieder und werden zu schwarzweissen Tupfen an den Enden der Grashalme. Es sind wohl hunderte von Schachbrettfaltern, welche sich hier in der Allmend Frauenfeld eingefunden haben. Zeit der Fortpflanzung. Die Eier lassen die Weibchen einfach zwischen die Halme fallen, werfen sie auch schon einmal wie kleine, lebensschaffende Bomben aus der Luft ab. Dann setzten sie sich wieder auf die noch verbliebenen violetten Blüten der Flockenblumen, Kratzdisteln oder Skabiosen. Von diesen naschen sie am liebsten. 

Die Raupen, auch wenn sie noch im Sommer schlüpfen, schlafen erst einmal. Sie verschlaufen sich, ohne etwas zu fressen, im Streu am Erdboden, und träumen sich durch den Winter. Erst im März beginnen sie sich an verschiedenen jungen Gräsern zu laben. Also auch die Raupen sind Gourmets, denen frisches Futter mehr mundet als die trockenen, zähen Gräser des Herbstes. 

In der Fachliteratur wird von diesen Faltern auch einfach vom "Schachbrett" gesprochen. Woher der Name kommt, ist sofort einsichtig. Die Musterung der Flügel sieht in seinem Wechsel von dunklen und hellen Flecken schon einem Schachbrett ähnlich.

Bis vor einigen Tagen kannte ich diesen Falter noch nicht. Also habe ich ihn auch nicht vermisst. Einmal mehr ein Lebewesen, dessen Existenzberechtigung sich nicht auf den ersten Blick erschliesst. Doch alles Leben auf der Erde hat seine Bedeutung und seinen Sinn. Krabbenspinnen und Raubfliegen etwa dient der Falter als Nahrung. Durch seine Vorliebe für violette Blüten beteiligt er sich wohl auch effizient an der Bestäubung dieser Pflanzen.

Mir ist das Schachbrett Teil der morgendlichen Augenweide geworden, ein kleines Wunder, ein Kunstwerk Gottes, ein Lobgesang auf das Leben. Die tanzenden Blüten machen glücklich. Und das ist doch allerhand.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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