Freitag, 28. Juli 2023

Königinnen mit Hörnern

Ein Zitat

Eine Eringer Leitkuh schaut auf der Alp am Fuss des Schafbergs (Leukerbad) nach dem Rechten.
Foto © Jörg Niederer
"Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht, um zu herrschen!" Bernhard von Clairvaux (1090-1153)

Ein Bibelvers - 1. Petrus 4,10+11

"Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat. So erweist ihr euch als gute Verwalter der Gnade, die Gott vielfältig schenkt. Wenn jemand in Gottes Auftrag redet, soll er nur das Wort Gottes weitergeben. Wenn jemand dient, soll er das aus der Kraft heraus tun, die Gott gibt. So soll in allem, was ihr sagt und tut, Gott durch Jesus Christus verherrlicht werden. Ihm gehören Herrlichkeit und Macht für immer und ewig. Amen."

Eine Anregung

Es ist wohl das erste Mal, dass ich Eringer Kühen in "freier Wildbahn" begegnet bin. Im Wallis musste das früher oder später einmal passieren. Sie machen Eindruck mit ihren nach vorn geschwungenen Hörnern und der schwarzen Fellfarbe. Geländegängig sind sie auch, ideal für die Alpwirtschaft. Berühmt in der ganzen Schweiz jedoch sind sie für ihre Rangordnungskämpfe. Das haben sich die Walliser für unblutige Kuh-gegen-Kuh-Kämpfe in der Arena zunutze gemacht. Seit einigen Jahren werden die Endausscheidungen sogar live im Schweizer Fernsehen übertragen. Dabei werden die Königinnen in jeder Kategorie erkoren und unter diesen Königinnen die "Königin der Königinnen", die "Reine des reines".

Ich war beeindruckt, wie mich die Leitkuh einer kleinen Herde nicht mehr aus den Augen liess, als ich an ihnen vorbei wanderte. Die anderen Tiere dagegen liessen sich bei ihrer Beschäftigung nicht stören, ja manche davon ignorierten mich.

Nach einiger Zeit bemerkten wir, wie die Tiere in etwa der selben Richtung unterwegs wahren wie wir. Voran ging wieder die Leitkuh. Konzentriert strebte sie einem Wasserloch zu. Die anderen Tiere folgten ihr, und nachdem das Leittier ein wenig getrunken hatte, wagten sich auch die anderen Kühe ans Wasser.

Sorgfältig eine Herde leiten, sich verantwortlich fühlen für das Wohl der andern; das ist doch genau das, was wir von Menschen in leitenden Funktionen erwarten. Der Stärkste, die Beste sein, das verpflichtet. Es geht nicht zuerst um Prestige, sondern um Dienst an der Gesellschaft. Ich wünschte mir mehr Menschen wie diese Eringer Leitkuh in den Führungsetagen der Welt. Vertrauensbildende Persönlichkeiten, welche nicht da sind, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und gegebenenfalls dafür mit dem eigenen Leben hinzustehen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen