Sonntag, 30. Juli 2023

Kreuzabnahme

Ein Zitat

An diesem Haus in Leukerbad hing einst ein Kreuz.
Foto © Jörg Niederer
"Ich finde ganz ohne Häme oder Ironie schön und gut, wenn sich Leute wegen ihrer religiösen Überzeugung positiv engagieren wollen. Ich kenne ja sogar einige ganz anständige römisch-katholische Priester. Die gibt es. Ich schwöre!" Valentin Abgottspon auf kath.ch

Ein Bibelvers - Hebräer 10,12

"Jesus Christus dagegen hat ein einziges Opfer für alle Sünden dargebracht. Danach hat er sich für immer an die rechte Seite Gottes gesetzt."

Eine Anregung

Das Kreuz hängt nicht mehr an der alten, von der Sonne malträtierten Holzwand des Walliser Hauses. Irgendjemand hat es aus irgendeinem Grund abgehängt. Kreuzabnahme im wörtlichen Sinn. Wird es gerade restauriert? Oder gehört das Haus neu einem oder einer Freidenkenden. Davon gibt es im Wallis auch einige Menschen. Berühmt ist etwa Valentin Abgottspon. Er hängte als Lehrer an einer Schule in Stalden das Kreuz im Klassenzimmer ab und wollte es nicht wieder anbringen. Weiter forderte er eine strikte Trennung von Kirche und Staat in der Kantonsverfassung und lancierte mit den Freidenkenden eine entsprechende Volkinitiative. Allerdings kamen im religiös katholisch geprägten Wallis nicht genügend Unterschriften zusammen.

Valentin Abgottspon hat zwar die Silbe "gott" im Familiennamen und trägt den Vornamen eines katholischen Heiligen, aber weder der Familienname noch der Vorname müssen zwingend mit dem christlichen Glauben verbunden sein. Valentin bedeutet "der Starke", und was es mit dem Nachnamen auf sich hat, kann unter diesem Beitrag von Radio SRF 1 angehört werden.

Zurück zur Kreuzabnahme: Das Kreuz, das einst an diesem alten Walliser Haus hing, war wohl ein Kruzifix, also eine plastische Darstellung vom leidenden und sterbenden Jesus am Kreuz. Mit dessen Abnahme wurde aus dem Kruzifix ein leeres Kreuz, so wie es wohl heute beim Gottesdienst in vielen evangelischen Kirchen vor Augen steht. Das leere Kreuz ist wie das Freidenkertum auch so eine Art Emanzipation, eine Neuinterpretation des eigenen Glaubens. Der Schwerpunkt der bildlichen Aussage wurde verschoben. Weg von der Marter, hin zur Erlösung. Weg von der Vorstellung eines ewig für die Sünderinnen und Sünder leidenden Gekreuzigten, hin zu einem "ein für allemal" (Hebräer 10,10). Es braucht nach Christus keine weiteren Opfer um eine Welt zu befrieden. Und das wiederum bedeutet: Es darf keine weiteren Opfer mehr geben. Das Kreuz, wenn es denn schon da ist, muss leer bleiben, als Mahnmal gegen jede Form von Gewalt und deren Zurschaustellung. Christus ist nicht zu ersetzen (Hier hat das Kruzifix wiederum seine Bedeutung!) oder durch weitere Quälereien zu überbieten. Alles Leid, was auf dieser Erde noch geschieht, ist eine Affront gegen Gott Willen. Das "Wort vom Kreuz" (1. Korinther 1,18) muss ein unüberhörbares Friedens- und Versöhnungsangebot sein und bleiben.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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