Ein Zitat
"Oft sind die Dinge, die wir nicht hören wollen, genau die Dinge, die wir hören müssen." Debby SchlentherFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Psalm 25,5
"Lass mich nach deiner Wahrheit leben und lehre mich! Denn du bist es, Gott, der mir hilft! Auf dich hoffe ich den ganzen Tag!"
Eine Anregung
Eine der häufigen Fragen bei Interviews: "Welches Buch liegt auf ihrem Nachttisch?" In den letzten Tagen war es im Gastzimmer der Propstei Wislikofen, wo ich zwei Tage verbrachte, die Bibel, die nicht nur auf dem Nachttisch lag, sondern die passgenau direkt in eine Aussparung im Holz des Nachttischchens eingelassen war. Eine katholische Bibel, was in einem katholischen Werk zu erwarten ist. Da, an diesem Ort, haben wieder dann auch diskutiert, welche Bibelübersetzung wohl die Bessere sei. Es gibt ja so viele, und so könnte es sein, dass die eine Bibel präziser, genauer, leichter zu lesen ist als andere Ausgaben.
Dann lass ich die folgende Geschichte: "Ein Mann geht zum Rabbi und trägt ihm seinen Streitfall mit dem Nachbarn vor. 'Du hast recht', sagt ihm der Rabbi. Auch der Nachbar kommt zum Rabbi, auch ihm sagt er: 'Du hast recht.' Schliesslich ruft seine Frau aus der Werkstatt: 'Hör mal, es können doch nicht beide recht haben.' Worauf der Rabbi sagt: 'Und du hast auch recht'."
Ich glaube, mit dem Rechthaben ist es genau so. Meist ist die Wahrheit nicht einseitig zu finden, sondern alle haben in gewisser Weise recht. Denn erst miteinander wir ein Ganzes daraus. Die katholische Bibelübersetzung hat recht, auch die lutherische oder zwinglianische. In der Vielfallt und bei all den möglichen Übersetzungsvarianten wird deutlich, dass wir uns der Wahrheit immer nur ansatzweise annähern können. Erst im Miteinander und im Austausch kommen wir ihr auf die Spur. Denn keiner von uns hat die ganze Wahrheit gepachtet.
In der Geschichte mag die Frau des Rabbis recht haben. Es können nicht beide unabhängig voneinander und in ihrem isolierten Verständnis des Ereignisses recht haben. Aber vielleicht könnten beide in einer gemeinsamen Betrachtung des Sachverhalts recht bekommen. Was in der Konsequenz dazu führt, dass die Frau des Rabbis, auch wenn sie recht hat, zugleich auch nicht recht hat. Logisch ist das nicht, aber wahr kann es trotzdem sein.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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