Dienstag, 3. Mai 2022

Das verbotene Symbol an der Wegkapelle

Ein Zitat

Trifrons am 1760 entstandenen Bildstock bei Someo im Tessin
Foto © Jörg Niederer
"Was also unsere Frage betrifft, so wollen wir glauben, dass der Vater, Sohn und Heilige Geist der eine Gott ist, der Schöpfer und Lenker des geschaffenen Alls, dass der Vater nicht der Sohn ist, und dass der Heilige Geist nicht der Vater oder der Sohn ist, sondern dass es ist die Dreieinigkeit der aufeinander bezogenen Personen und die Einheit des gleichen Wesens." Augustinus (354-430 n.Chr.)

Ein Bibelvers - 2. Korinther 13,13

"Ich wünsche euch allen die Gnade, die der Herr Jesus Christus gewährt. Ich wünsche euch die Liebe, die Gott schenkt, und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist bewirkt."

Ein Anregung

Bei Someo im Maggiatal, auf der anderen Seite der über 300 Meter langen Hängebrücke, kommt man dem Flussverlauf folgend nach kurzer Zeit zu einem Bildstock aus dem Jahr 1760, auf dem das auf der Fotografie abgebildete Dreigesicht als Symbol der Trinität Gottes zu sehen ist. Diese skurrile Darstellungsform gibt es auch mit drei Gesichtern, die in die selbe Richtung schauen und sich 4 Augen teilen. Doch ein solches "vultus trifrons" (dreistirniges Antlitze) war zum Zeitpunkt, als die Künstlerin oder der Künstler es malte, bereits seit 130 Jahren verboten. Papst Urban VIII. untersagte eine solche Wiedergabe der Trinität als unwürdig, und auch Papst Benedikt XIV. missbilligte sie.

Das Verbot überrascht nicht. Die ersten solchen Abbildungen zeigen nämlich die uns heute als Shiva bekannte Gottheit, abgebildet auf einer kleinen Tontafel aus der Ausgrabungsstätte Mohenjo-daro (3250-2750 vor Christus) im Industal. In Reims in Deutschland wurde die älteste in Europa gefundene solche Darstellung gefunden. Auf einem 40 cm grossen Opferstein, der ins Jahr 44 n. Chr. datiert wird, findet sich eine gallo-römische Variante. In dieser Zeit standen Gottheiten aus dem afrikanischen und indischen Raum bei den Römern hoch im Kurs. In der christlichen Kultur tauchte diese Darstellung ab ca. 200 n. Chr. als Bildnis des Teufels auf, der die Trinität Gottes nachzuäffen versucht. 

Die Übertragung einer Symbolik von einer auf eine andere Gottheit ist nicht aussergewöhnlich. Aber dass eine Teufelsdarstellung auf Christus und die Trinität übertragen wird, ging natürlich nicht. Die Verwechslungsgefahr war viel zu gross. Es war, als würde ein verkehrtes Kreuz nicht nur für die Ablehnung des christlichen Glaubens, sondern auch für denselben stehen. Genau solches geschah erstmals im 8.-9. Jahrhundert in Nubien. Den Höhepunkt hatte das Dreigesicht als Bild des christlichen Gottes dann zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. 

Was hat also den frommen Künstler, die fromme Künstlerin geritten, als er oder sie dieses längst verbotene Symbol zuoberst am Bildstock als Darstellung des dreieinigen Gottes anbrachte? Wusste er/sie nichts vom päpstlichen Verbot? Kopierte sie/er ein bestehendes Symbol aus der Zeit, als es noch erlaubt war? Hatte er/sie gar böse Absichten, oder war Synkretist, Synkretistin?

Ich weiss es nicht. Für mich ist eine solche Darstellung der Dreieinigkeit / Dreifaltigkeit Gottes einfach nur skurril und seltsam. Aber wie kann man schon die Trinität Gottes darstellen? Wie kann man sie auch so ganz und gar verstehen?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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