Samstag, 4. März 2023

Von Luft- und Gotteslöchern

Ein Zitat

Ein Flugzeug startet über Rümlang bei Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand." Christliche Redensart

Ein Bibelvers - Psalm 139,5

"Von hinten und von vorn hast du [Gott] mich umfasst und hast deine Hand auf mich gelegt."

Eine Anregung

Sprachlich gibt es Dinge, die es in der Wirklichkeit so nicht gibt: der Sonnenauf- und -untergang, die Sonnenfinsternis, die Schnapsidee, die Singstimme, die Flugschneise und das Luftloch. Denn natürlich geht nicht die Sonne auf oder unter und ist auch nie finster, der Schnaps hat keine Ideen, die Stimme singt nicht nur, die Schneise fliegt nicht und physikalisch gibt es keine Löcher in der Luft. Und doch wissen wir alle, was mit diesen Ausdrücken gemeint ist. Sprachlich gibt es sie also, und sie bringen uns nicht in Verlegenheit. 

Jörg Kachelmann greift den Begriff "Luftloch" in einem Video auf und erklärt, was damit gemeint ist. Denn natürlich ist die Luft kein Emmentalerkäse mit Löchern. Gäbe es in der Luft Stellen ohne Luft, würden diese sofort wieder mit Luft gefüllt. Luft drängt in alle Ritzen und Räume.

Was es aber gibt, sind Turbulenzen, hervorgerufen etwa durch unterschiedlich schnelle Winde oder durch starke Auf- oder Fallwinde. Wechselt ein Flugzeug von einer Aufwindzone in einen Fallwindbereich, sinkt es sehr schnell ab, was den Eindruck erweckt, man fiele in ein Loch. Während Flugzeuge diese Turbulenzen aushalten, verhilft sie unbefestigten Dingen und Menschen durch deren Trägheit zu Flugeinlagen im Flugzeug. Das ist nicht sonderlich lustig, ausser auf einem Parabelflug, bei dem die Schwerelosigkeit bewusst simuliert wird.

Ich glaube, dass es auch keine "Gotteslöcher" gibt. Denn auch Gott in seiner Güte drängt in jeden noch so dunklen oder schrägen Raum und Zustand. Ganz im Sinn von Lied 378 aus dem Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche. Arno Pötsch lässt die 1. Strophe mit den Worten beginnen: "Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand...". In der 3. Strophe heisst es folgerichtig: "Wir sind von Gott umgeben / auch hier in Raum und Zeit / und werden in ihm leben / und sein in Ewigkeit."

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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