Ein Zitat
"Es wird schon alles wieder gut." Fromme Floskel, die nur scheinbar tröstet.Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Psalm 34,20
"Der Gerechte muss viel Böses erleiden. Doch der Herr wird ihn von allem Übel befreien."
Eine Anregung
Kaffeepause nennt sich ein Anlass an jedem zweiten Donnerstagmorgen um 9 Uhr in der Methodistenkirche in Weinfelden. Man trifft sich, man bespricht sich, man trinkt Kaffee und geniesst etwas dazu. Eine ungezwungene Sache, die nur einmal für 5 Minuten von frommen Sätzen unterbrochen wird. Etwa, um selbst einmal über fromme Unwahrheiten nachzudenken. Gestern tat dies Theo Hugentobler auf die folgende feine Weise:
"Brigitte und ich waren vor gut einer Woche an der Gedenkfeier einer jungen Frau. Keine Beerdigung, wie man sie gewohnt ist. Keine Orgelmusik, keine Bibellesung, keine Predigt, kein Gesang. Die Leitung hatte keine Pfarrperson inne, sondern eine sogenannte Ritualbegleiterin. Im Mittelpunkt der Feier stand das Leben der verstorbenen jungen Frau.
In der Rede und den Gedanken der Ritualbegleiterin bin ich an einem Satz hängen geblieben. Sie sagte: 'Es gibt Menschen, die sagen in solchen Situationen: 'Gott füllt die Lücke'. Aber das stimmt nicht. Der Glaube an einen Gott kann Trost und Hilfe sein, aber er kann die entstandene Lücke nicht füllen!'
Mir ist bei dieser Ansprache bewusst geworden, dass wir manchmal fromme Sätze verwenden oder Lieder singen, die so nicht stimmen. Ich denke da an das Sonntagschullied:
'Lasst die Herzen immer fröhlich / und mit Dank erfüllet sein; / denn der Vater in dem Himmel / nennt uns seine Kinderlein.' Im Refrain heisst es dann: 'Immer fröhlich, immer fröhlich, / alle Tage Sonnenschein'. / Voller Schönheit ist der Weg des Lebens; / fröhlich lasst uns immer sein!'
Oder dann denke ich an ein Lied, das wir in der Jugendgruppe gesungen haben:
'Wenn du Jesus kennst, bist du nicht einsam mehr, er hält die Wacht auch in der Nacht. Geh mit ihm den Weg, denn Jesus hält dich fest, bist du allein, wird er bei dir sein. Halt einmal still, sprich mit dem Herrn, ruf ihn um Hilfe an, er ist dir nicht fern. Wenn du Jesus kennst, bist du nicht einsam mehr, er ist dir nah, immer für dich da.
In den nächsten Strophen heisst es dann: 'Wenn du Jesus kennst, bist du nicht furchtsam mehr... Wenn du Jesus kennst, bist du nicht traurig mehr...
Als Jugendlicher habe ich im Stillen gedacht, das stimmt so nicht. Ein Leben mit Jesus ist nicht alle Tage Sonnenschein. Ich kenne Jesus und fühle mich trotzdem immer einmal wieder einsam, furchtsam und traurig. Die Bibel und insbesondere die Psalmen zeigen uns, dass uns mit dem Glauben nicht alle Steine aus dem Weg geräumt werden, dass der Glaube aber eine tragfähige Basis ist um das Leben zu meistern.
Kennst du auch fromme Sätze, die so für dich nicht hilfreich sind?"
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde
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