Mittwoch, 22. März 2023

Fremdkörper

Ein Zitat

Eine kleine Drahtfigur mit Örgeli hockt auf einem Ast über dem Abgrund beim Born Känzeli.
Foto © Jörg Niederer
"Das Schwyzerörgeli ist eine Variante des diatonischen Akkordeons, es wird hauptsächlich in der Schweizer Volksmusik verwendet." Quelle: Educalingo

Ein Bibelvers - Psalm 87,7

"Und sie singen und tanzen im Kreis: 'All meine Quellen entspringen in dir'."

Eine Anregung

Auf dem Born bei Rothrist gibt es so manche Fremdkörper. Zwei sind mir besonders ins Auge gestochen.

Da wären einige Osterglocken oben am Ausstieg des Tusigerstägelis. Das sind keine Blumen, die hier auf natürliche Weise wachsen. Sie wurden gepflanzt, und ich weiss auch von wem. Damals war ich Pfarrer in der Methodistenkirche Rothrist. Bei jedem Gottesdienst gab es die Möglichkeit, Erlebnisse und Gedanken mit der Gemeinde zu teilen. Ein sportliches Ehepaar aus dieser Gemeinde erzählte eines Sonntags, dass sie eben da auf dem Born einige Osterglocken gepflanzt hätten, aber irgendjemand habe sie gleich wieder ausgerissen. Das hätte sie aber nicht davon abgehalten, dort gleich wieder neue Zwiebeln zu pflanzen. Nun ist es zwar nicht sonderlich schlau, ortsfremde Pflanzen auszuwildern, aber als ich die gelben Blüten dort auch nach gut 20 Jahren wieder entdeckte, freute ich mich eben doch auch darüber.

Beim Born Känzeli, ein Aussichtspunkt mit Blick über Rothrist und Zofingen hinweg bis weit zu den Alpen, entdeckte ich den zweiten Fremdkörper. Ein Drahtmännchen mit Schwyzerörgeli sitzt auf einem halb abgestorbenen Föhrenstamm und lässt die Beine über dem garstigen Abgrund baumeln. Das war wohl keine einfache Sache, diese kleine Installation dort anzubringen. Wer dies getan hat und warum, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht ist es eine Würdigung von Daniel Kissling, der in Rothrist gleich unterhalb des Borns aufgewachsen ist, und der zu den bekannten Örgelern der Schweiz gehört. Vielleicht steckt aber einfach ein Volksmusikfreund, eine Volksmusikfreundin dahinter. Davon gibt es ja einige. Manche davon sind durchaus originell, zum Beispiel auch das Duo "S'Chochä". In einem Video spielen sie das Mythenlied. Dabei geschieht der Musikerin beinahe das, was dem Drahtmännchen auf keinen Fall zu wünschen ist. Sie stürzte fast von ihrem Sitz.

Fremdkörper: Mitunter erzählen sie von Ausdauer, Lebensfreude, Heimat und Vertrauen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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