Donnerstag, 16. März 2023

Einer für alle

Ein Zitat

Star im Prachtkleid auf einem Baum in der Allmend Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen. Was keiner sagt, das sagt heraus. / Was keiner denkt, das wagt zu denken. Was keiner anfängt, das führt aus! / Wenn keiner Ja sagt, sollt Ihr’s sagen. Wenn keiner Nein sagt, sagt doch Nein! / Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben. Wenn alle mittun, steht allein! / Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht! / Wenn alle geizen, wagt zu schenken. Wo alles dunkel ist, macht Licht!" Gedicht von Lothar Zenetti, hier vertont von Reinhard Mey

Ein Bibelvers - Psalm 2,2-4

"Die Könige der Welt erheben sich. Und die Fürsten tun sich zusammen gegen den Herrn und seinen Gesalbten: 'Lasst uns ihre Fesseln zerreißen! Lasst uns ihre Stricke durchtrennen, dann können wir das Joch abwerfen!' Doch der im Himmel wohnt, lacht darüber. Der Herr spottet über ihr Tun."

Eine Anregung

Erst meldet sich eine Dohle aus dem Baum. Dann erkennt die App auf dem Mobiltelefon einen Girlitz an seiner Stimme. Weiter geht es, immer aus dem selben Baum, mit der Kohlmeise, der Singdrossel und der Bachstelze. Und nun meldet sich auch der Star. Bei so vielen Vögeln in einem relativ gut einsehbaren, noch blattlosen Baum muss doch etwas von all dem Geflatter zu entdecken sein. Doch erst ist da gar nichts. Ich gehe noch einmal zurück, um den Baum von der andern Seite zu durchsuchen. Nun endlich sehe ich ihn, den einen, einzigen Vogel im Geäst. Unverkennbar sitzt dort der Star und gibt die Stimmen all der anderen Vögel zum Besten. Er "spottet". So wird diese Fähigkeit, andere Stimmen und Geräusche nachzumachen, unter Ornithologinnen und Ornithologen genannt.

In der Welt der Comedians ist das spöttische Nachäffen von Stimme und Gehabe bekannter Personen ein beliebtes Unterhaltungselement. Entsprechende Begabung vorausgesetzt macht es auch Freude. Doch St. Galler kennen es alle. Es klingt einfach nur peinlich, wenn ein unbegabter Berner den St. Galler Dialekt nachäfft und "Hopp San Galle" sagt statt "Hopp Sanggale". Es kommt eben auf die Feinheiten an.

Auch interessant: Sprachlich ist spotten verwandt mit dem Ausspucken (Siehe Post von gestern!). Das Wort bedeutete wohl einst "vor Abscheu ausspucken". Ja, zwischen "spotten" und "speuzen" stehen nur kleine Lautverschiebungen.

Der Star jedenfalls ist ein richtiger Spottvogel. Ich würde mich nicht wundern, wenn es manchem so nachgeahmten Vogel wie mir ergeht. Er wird getäuscht, und statt Seinesgleichen trifft er nur diesen kleinen schwarzen, schillernden und begabt spottenden Vogel an. Auch nicht schlecht, bei dieser Schönheit!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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