Freitag, 4. August 2023

Pfahlstellung

Ein Zitat

Zwergdommel am Flachsee im Reusstal.
Foto © Jörg Niederer
"Einstens ließen sie es [Gottes Wort] schmieden / an des Kreuzes harten Pfahl, / hatten ihm den Tod beschieden, / ja, sie höhnten seiner Qual. / Gottes Wort blieb nicht gebunden, / sprengte gar des Todes Tor, / trat, die Hölle überwindend, / siegend aus dem Grab hervor." Gesangbuchlied "Gottes Wort ist nicht gebunden". Text von Hans Böhm (1899-1962)

Ein Bibelvers - Jesaja 30,15

"So sprach Gott, der Herr, der Heilige Israels: 'Wenn ihr umkehrt und still seid, werdet ihr gerettet. Wenn ihr Ruhe bewahrt und Vertrauen habt, seid ihr stark.'"

Eine Anregung

Wer sagt denn, dass es nach über 60 Jahren nicht noch Neues zu entdecken gibt. So wie gestern, als ich gleich zwei Zwergdommeln fotografieren konnte. Der kleinste Reiher, der in der Schweiz vorkommt, wird etwa so gross wie ein Eichelhäher und bewegt sich geschickt im Randbereich des Schilfs von Gewässern unterhalb von 600 Höhenmetern. Dort ist er hervorragend getarnt und nur schwer zu entdecken. Die hier abgebildete Zwergdommel habe ich aus einer Hide heraus fotografiert, also einer Beobachtungshütte. Doch schon zuvor entdeckte ich den kleinen Vogel, als ich beim aargauischen Rottenschwil mit dem Fernglas den Schilfgürtel auf der anderen Seite der Reuss absuchte.

Die Zwergdommel (wie auch ihre grosse Schwester, die Rohrdommel) zeigt ein Verhalten, das man Pfahlstellung nennt. Was hat es damit auf sich? Zwar ist die Zwergdommel durch ihre langsamen Bewegungen und das perfekt an den Lebensraum angepasste Federkleid schon sehr gut getarnt. Bei Gefahr hat sie aber noch einen weiteren Trick auf Lager. Sie macht sich lang wie ein Schilfhalm und streckt Kopf und Schnabel in den Himmel. In dieser Haltung verharrt der Minireiher, bis die Gefahr vorüber ist.

Bei Pfahl denkt der Theologe in mir nun natürlich sofort ans Kreuz, das in manchen Kirchenlieder so bezeichnet wird (siehe Liedzitat oben!). Und so erlaube ich mir wieder einmal eine Analogie für Christinnen und Christen aus dem Tierreich. 

Erstens sind wir in einer Zeit, in der die Menschheit die Natur sosehr ausbeutet, dass wir seit dem 2. August, dem diesjährigen Welterschöpfungstag, mehr verbrauchen als die Erde hergibt, dazu aufgerufen, es der Zwergdommel gleich zu tun, und uns ganz und gar einzufügen in unsere Umwelt, ja in ihr aufzugehen, unsichtbar zu werden. 

Zweitens ist es bei Gefahr ausgesprochen sinnvoll, nicht in blinde Aktionitis zu verfallen, sondern zuerst auf Gott zu vertrauen, den Blick und die Erwartung gen Himmel zu richten (wie es die Zwergdommeln tun) und Gottes Hilfe zu erwarten.

In diesem Sinn: Sei nachhaltig und vertrauensvoll!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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