Mittwoch, 9. August 2023

Kein schöner Land

Ein Zitat

Anschrift der Kantonalen Ausweisstelle am Bahnhof in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Wer stets mit seinem Lob geizt, zeigt damit seine eigene Mittelmäßigkeit." Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues (1715-1747)

Ein Bibelvers - Jeremia 5,21b

"Ja, sie haben Augen, aber sie sehen nicht! Sie haben Ohren, aber sie hören nicht!"

Eine Anregung

Auf Facebook bin ich mit Verena Birchler befreundet. Kennengelernt habe ich sie an einem Medienkurs beim christlichen Fernseh- und Radiosender ERF Medien. Am 1. August postete sie auf Facebook einen Beitrag zum Motto: "In was für einem Land leben wir eigentlich." Meist ist das ja eine Floskel, welche negative Erfahrungen einleitet. Doch nicht so bei Verena Birchler. Sie hebt positiv das Besondere der Schweiz hervor anhand von Erfahrungen beim Ersatz ihrer Identitätskarte. Diese hatte sie wohl verloren und erlebte sowohl bei der Polizei wie auch im Passbüro (oder wie es richtig heisst: auf der Kantonale Ausweisstelle) wie schnell, unkompliziert und reibungslos an beiden Amtsstellen für die Bürgerinnen und Bürgern gearbeitet wird. Als Fazit schrieb sie: "Ich weiss nicht, in welchem Land man Pass und ID so schnell, unkompliziert und unbürokratisch erhält."

Gestern musste ich meinen Pass erneuern lassen. Und so kommt nun von mir ein weiteres Erlebnis dazu, welches die Beobachtung und Erfahrung von Verena Birchler unterstreicht.

Per Internet hatte ich mir vor einigen Tagen für die Passerneuerung den ersten Termin des Tages um 8 Uhr reserviert. Mit mir stieg eine weitere Person die zwei Stockwerke zur Kantonalen Ausweisstelle Frauenfeld hoch. Ich wunderte mich, dass da noch jemand zu dieser Zeit einbestellt war. Vermutlich Parallelbetrieb, dachte ich. Der andere Mann trat vor mir an den Schalter. Ich hörte richtig, auch er hatte einen Termin um 8 Uhr. Aber wie sich kurz darauf herausstellte, nicht in Frauenfeld, sondern im Passbüro in Weinfelden. Nun hätte die Beamtin in abweisen können, und er hätte wohl einen weiteren Termin in einigen Tagen beantragen müssen. Doch dann hörte ich die Frau hinter dem Schalter sagen: "Ich schaue mal nach, ob wir ausnahmsweise auch für Zeit haben". So ist es dann gekommen. Der Mann musste zwar etwas länger warten, während ich in 10 Minuten alles erledigen konnte. Aber dann wurde auch er ausserplanmässig aufgerufen, ganz ohne Vorwürfe, ohne Rückweisung, einfach so.

Ich kann nur Einstimmen in das Loblied von Verena Birchler auf diese Schweiz, die es auch gibt, mehr, als man sich manchmal bewusst ist. Wer Augen hat, das zu sehen, der sehe, in was für einem Land wir leben dürfen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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