Samstag, 12. August 2023

Oldtimer

Ein Zitat

Ein Fahrer verlässt in seinem Oldtimer Triumph Herald 1200 Cabriolet den Denner-Parkplatz in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Das Greisenalter, das alle zu erreichen wünschen, klagen alle an, wenn sie es erreicht haben." Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.)

Ein Bibelvers - Prediger 12,3

"Wenn der Mensch alt geworden ist, zittern die Wächter des Hauses [die Arme] und krümmen sich die starken Männer [die Beine]. Die Müllerinnen [die Zähne] stellen die Arbeit ein, weil nur noch wenige übrig geblieben sind. Die Frauen [die Augen], die durch die Fenster schauen, erkennen nur noch dunkle Schatten."

Eine Anregung

Ich bin ja nicht gerade ein Autofan, aber so Oldtimer sind halt schon etwas Schönes. Auf dem Foto handelt es sich um einen Triumph Herald 1200 Cabriolet, der wohl seine Jungfernfahrt zwischen 1963 und 1967 erlebte. Das Auto ist also im besten Fall so 60 Jahre alt. In Albinen besuchten wir die dortige "neue" Kirche. Sie ersetzte 1959 die durch ein Erdbeben zerstörte bisherige Kirche. Zwischen den alten, im 15. Jahrhundert gebauten Holzhäusern wirkt diese Kirche geradezu avantgardistisch und modern. Dabei ist sie älter als der Triumph-Oldtimer. Ich teile mit der Kirche Albinen den Jahrgang. Heisst das jetzt, dass ich schon ein Oldtimer bin? Oder bedeutet das, dass ich noch verhältnismässig jung bin?

Alter ist abhängig von der Lebenserwartung. Eine Kirche kann hunderte Jahre alt werden. Also sind 64 Jahre noch keine Zeitspanne. Ein Auto wird dagegen oft schon nach 10 bis 20 Jahren aus dem Verkehr gezogen. Deshalb zählen Autos, die älter als 30 Jahre sind, zu den Oldtimern. Und ich. Ich bin zwar noch an der Arbeit, aber doch schon deutlich näher an einer durchschnittlichen menschlichen Lebenserwartung. Darum werde ich wohl auch eifrig mit Seniorenangeboten eingedeckt.

Für die Menschen der Bibel war ein hohes Alter ein Zeichen dafür, dass sie von Gott gesegnet sind. Doch der Schreiber des Predigerbuchs (etwa im 3.-4. Jahrhundert vor Christus) wusste auch schon von der Mühsal des Alters und beschreibt dies in schönen Allegorien. Nach dem weiter oben schon abgedruckten Vers geht es so weiter:

"Die beiden Türen [die Ohren], die zur Straße führen, werden auch schon geschlossen. Und das Geräusch der Mühle [der Stimme] wird leiser, bis es in Vogelgezwitscher übergeht und der Gesang bald ganz verstummt. Wenn der Weg ansteigt, fürchtet man sich. Jedes Hindernis unterwegs bereitet Schrecken. Wenn schließlich der Mandelbaum blüht [ergraute Haare], die Heuschrecke sich hinschleppt und die Frucht der Kaper aufplatzt: Dann geht der Mensch in sein ewiges Haus, und auf der Straße stimmt man die Totenklage an. Das Ende des Menschen ist der Tod. Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat, bevor die silberne Schnur zerreißt und die goldene Schale zerbricht – bevor der Krug am Brunnen zerschellt und das Schöpfrad in den Schacht stürzt." (Prediger 12,4-6)

Mir tun diese Worte gut, denn sie zeigen mir die Grenzen menschlichen Lebens auf und verweisen darauf, was wirklich zählt: "Denk an deinen Gott...!"

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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