Donnerstag, 10. August 2023

Das Mutter-Baumhaus

Ein Zitat

Mural 'The Mother Tree' des Künstlers Gijs Vanhee am Casino in Frauenfeld.
Foto © Jörg Niederer
"Am Fuße des Leuchtturms herrscht Finsternis." Konfuzius (551-479 v. Chr.)

Ein Bibelvers - Lukas 8,16

"Weiter sagte Jesus: 'Niemand zündet eine Öllampe an und deckt sie mit einem Gefäß zu oder stellt sie unter ein Bett. Vielmehr stellt man sie auf einen Ständer. So können alle, die hereinkommen, das Licht sehen.'"

Eine Anregung

Der Belgier Gijs Vanhee erzählt in seiner Kunst Geschichten, in denen Menschen mit dem Kopf eines Vogels eine Hauptrolle spielen. Es sind Freebirds; vielleicht Menschen, die durch ihre Vorstellungskraft frei sind. Freiheit ist dem Künstler wichtig, genauso wie das Gleichgewicht zwischen Natur und Gesellschaft.

Am Streetart-Festival in Frauenfeld ist dieses "Mural" entstanden. "The Mother Tree" (der Mutterbaum) prangt nun am Casino. An diesem Casino, dass möglicherweise abgerissen wird, irgendeinmal. Denn es ist in die Jahre gekommen und sollte ersetzt werden durch einen neuen Stadtsaal. Doch das Stimmvolk entschied sich anders. Noch weiss niemand, was nun mit dem Casino wird. Das Kunstwerk wird also noch einige Zeit bleiben - so hoffe ich.

Man beachte die Treppe auf dem Bild und im Casino. Der Zusammenhang ist offensichtlich. Die Treppe des Künstlers führt nicht ins Casino, sondern in einen Leuchtturm. Genauer: in ein Leuchtturm-Baumhaus. Denn Basis des Gebäudes ist ein Baum auf hohen Luftwurzeln, wie sie in den Mangroven zu finden sind. Auch gibt es mehrere dieser Leuchttürme oder Mutter-Bäume. Neben der Leuchtturm-Tür prangt das Peace-Zeichen und die Kritzelei "NO WAR". Alles scheint friedlich. Einer fischt... im Casino! im Trüben? Ein anderer liest in einem Buch, auf dem zwei Smilies abgedruckt sind. Das eine lacht, das andere zieht einen Lätsch. Friedlich ist es ja schon. Aber da ist immer auch die Ahnung vor dem Zerfall. Die Wendeltreppe etwas sieht vermodert aus, hat den Grundkontakt verloren. Alles hängt oder steht in der Luft. Da ist Hoffnung, aber auch Zweifel. Ob in der Nacht der Leuchtturm heimleuchten wird? Oder irrlichtert er über dem Nichts, dem Abgrund, dem Fischgrund? 

Apropos Leuchtturm. Natürlich gibt es auch christliche Leuchtturmlieder. Darin wird von Gott gesungen, welcher uns nie verlässt. Sein Licht, seine Liebe bleibt. Ganz ähnlich auch das Lied von Nena. Denn ohne Licht und Liebe bleibt es dunkel.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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