Ein Zitat
Foto © Jörg Niederer |
Ein Bibelvers - Prediger 4,8
"Da ist einer, der geht allein durchs Leben. Er hat keinen Sohn und auch keinen Bruder. Doch Arbeit hat er ohne Ende, und vom Reichtum bekommt er nicht genug. Muss er sich da nicht fragen: 'Für wen arbeite ich denn so hart? Und warum gönne ich mir nichts Gutes?' Auch das ist Windhauch und ein schlechtes Geschäft."
Eine Anregung
Fake = Fälschung. Fake-fake = Fälschung der Fälschung. So könnte man das zweiteilige Wandgemälde von Streetart-Künstler "Dome" mit dem Titel "Concrete flower" (Bedeutung: "Konkrete, wirkliche Blume" aber auch "Betonblume") am Hotel Einstein auch bezeichnen. Vom Sonnenblumen-Bildteil auf der linken Seite und dem Streetart-Festival in Frauenfeld habe ich schon am 27. Mai geschrieben.
Hier geht es um die beiden Mädchen auf der rechten Fassadenseite. Ja, sie sind geradezu unnatürlich schwarz. Macht da einer auf Blackfacing. Auf vielen Bildern von Dome finden sich Menschen mit schwarzer Hautfarbe, wobei all die Abgebildeten sonst eher europäisch aussehen. Ein Weisser, der sich das Gesicht schwarz färbt, das geht heutzutage nicht mehr, wird zurecht als rassistisch empfunden. Doch geht es, wenn man Weisse abbildet, und diesen Abgebildeten das Gesicht schwarz malt? Was würde z.B. ein auf künstliche Intelligenz basierendes Grafikprogramm abbilden, wenn man diesem den Auftrag gäbe, eine europäische Person wie eine Afrikanerin oder einen Afrikaner darzustellen? Wäre das Ergebnis ein No-Go?
Von künstlicher Intelligenz erstellte Portraits von Menschen haben kein reales Vorbild in der Wirklichkeit. Sie haben vielmehr viele Vorbilder unter den Abbildungen von wirklichen Menschen. Diese Portraits sind somit irgendwie erfunden. Es sind Fälschungen der Wirklichkeit.
Was ist dann aber ein Fake-fake? Das Fassadenbild von Dome zeigt das hervorragend auf. Um dies zu verstehen muss man wissen, dass die heutigen, auf künstlicher Intelligenz basierenden Programme noch nicht perfekt sind. So haben manche durch sie erzeugte Darstellungen von Menschen zum Beispiel sechs statt fünf Finger an einer Hand. Oder dann hat es da einen Arm oder einen Fuss zu viel auf dem Bild. Daran lassen sich mitunter Fake-Bilder erkennen. Beim Bild von den zwei Mädchen hat der Künstler diese Fake-Darstellung kopiert, als wären sie von einer künstlichen Intelligenz erstellt worden. Einerseits sind die beiden Mädchen, abgesehen von den Farben der Kleider, beinahe identische Kopien. Stärker ins Gewicht fällt aber, dass da ein Arm zuviel auf dem Tisch liegt. Das fällt wohl den wenigsten Betrachterinnen und Betrachter sofort auf, da der Bereich des Ellbogens oft von Strukturen zwischen Bild und Betrachter abgedeckt ist. Zudem sieht es aus, als gehörte der Arm zum vorderen der beiden Mädchen.
Das nenne ich nun ein Fake-fake-Bild. Der Künstler nimmt eine Abbildung der Wirklichkeit, wie sie von einer künstlichen Intelligenz erstellt sein könnte, und macht diese zur Vorlage seines Murals, als wäre das Wandbild selbst von einer künstlichen Intelligenz erstellt worden. Er stellt ein Fake-Bild dar, indem er davon ein Fake-Bild malt. Abgelenkt von der schwarzen Hautfarbe der beiden Frauen könnte man die vorhandenen Merkmale der Fälschung glatt übersehen.
Auch auf Domes Darstellung der Sonnenblumen in der Vase auf der linken Fassadenseite findet sich so ein Fehler aus der Welt der künstlichen Intelligenz. Eine falschfarbige Sonnenblume hat sich unter die anderen geschmuggelt. An die anderen richtigen Sonnenblumen konnte ich mich nach Betrachtung des Wandgemäldes auch später noch erinnern. Die falschfarbige Blüte dagegen hatte aufgrund meiner bisher gemachten Erfahrungen keine Plausibilität, und so wurde sie unbewusst aus meiner Erinnerung getilgt. Ich hatte sie "vergessen", übersehen, wie auch den überzähligen Arm. Mein Gehirn brachte diese Fake-Welt wieder in Ordnung. Zur Täuschung auf dem Bild von der Täuschung hinzu liess ich mich von meinem Denkvermögen selbst auch noch täuschten.
All das ist für mich ein Lehrstück darüber, was wir Menschen mit Sicherheit erkennen können und was nicht. So denke ich, sollten wir alle vorsichtig sein mit apodiktischen Aussagen. Ob jemand sagt "Es gibt keinen Gott!" kann genauso anmassend sein, wie zu sagen: "Gott existiert!". In aller Bescheidenheit vor meinem Potenzial, auf Fake-Ansichten hereinzufallen, kann ich aber sagen: "Ich glaube, dass es Gott gibt, und dass ich ihn in der Person von Jesus Christus und seinem Wirken erkennen kann." Ich glaube...
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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