Ein Zitat
"An manchen Tagen ist man der Hund, an anderen die Laterne." KalenderspruchFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Offenbarung 21,7
"Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, wird das alles als Erbe erhalten. Ich werde sein Gott sein, und er wird mein Kind sein."
Eine Anregung
Gestern nach der Beisetzungsfeier besuchte ich kurz noch die Katholische Kirche in Niederuzwil, bestaunte die Glasfenster und überlegte, ob ich eine Kerze anzünden und ein Gebet sprechen soll für den Sieg der Schweizer Fussballfrauen. Doch dann tat ich es nicht. Am Bahnhof in Uzwil und Wil dann viele Frauen und Männer in roten Trikots auf dem Weg an den Viertelfinal nach Bern. Die Stimmung war fröhlich. Eine Frau meinte: "Da muss man einfach dabei sein, auch wenn wir vermutlich nicht weiterkommen."
Am Abend dann schaute ich mir das Spiel im Fernsehen an, hoffte mehr als eine Stunde auf ein Wunder, bis die zwei Tore fallen für das spanische Frauenteam.
Hätte ich doch nur die Kerze angezündet und das Gebet gesprochen, heute in der Kirche. Nun haben die Schweizer Fussballfrauen verloren, und ich bin schuld. Ohne Kerze, keinen Sieg.
Gut, auch bei den anderen Spielen der Women's Euro habe ich nicht gebetet und auch keine Kerzen angezündet. Und da haben die Schweizerinnen immerhin zwei von dreimal gewonnen.
Vielleicht hat die spanische Bevölkerung, zahlenmässig uns Schweizer:innen sowieso weit überlegen, halt mehr Kerzen für ihr Team angezündet als wir, und mit dieser schieren Masse Gott mehr beeindruckt. Allerdings: Steht Gott nicht auf der Seite der Schwachen, also in diesem Fall auf der Seite der Schweiz? Als schwach kann man das Schweizer Frauenteam nun aber auch wieder nicht bezeichnen, immerhin haben sie es den Spanierinnen ziemlich schwer gemacht.
Wenn ich die Sache mit dem Gebet um Siege in Sportwettkämpfen so drehe und wende, wenn ich es mir ernsthaft überlege, komme ich zu keinem klaren Ergebnis. Vielleicht haben Niederlagen und Siege gar nichts mit Gebeten zu tun. Vielleicht ist Gott neutral, noch mehr als die Eidgenossenschaft. Vielleicht wirkt Gott im Fussballgeschehen wie die Schiedsrichterinnen: unvoreingenommen, unparteiisch, gerecht. Vielleicht sagt er am Schluss wie eine Mutter zu ihren Kindern, die gerade spielerisch siegen und verlieren lernen: "Es ist ja nur ein Spiel." Und: "Man muss auch verlieren können." Vermutlich sagt Gott uns nicht, wir sollen für Siege und gegen Niederlagen beten.
Egal. Das nächste Mal vor so einem wichtigen Match werde ich bestimmt beten und eine Kerze anzünden. Man muss schliesslich auch gewinnen können. Wie heisst es doch: "Nötzts nüz so schadts nüz."
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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