Freitag, 25. Juli 2025

Der äussere Schein von Kopftüchern

Ein Zitat

Eine kopftuchtragende Frau in modischen Kleidern wartet am Bahnhof mit ihrer Freundin.
Foto © Jörg Niederer
"...und dies Kopftuch hat keineswegs ausschließlich mit Unterdrückung zu tun. Das hat auch was mit Stolz und Identität zu tun..." Hagen Rether (*1969), Deutscher Kabarettist

Ein Bibelvers - 1. Korinther 11,10

"Deshalb soll die Frau ihren Kopf verhüllen. Das ist das Zeichen ihrer Vollmacht, wenn sie in der Versammlung öffentlich redet. So entspricht es der Ordnung, über deren Einhaltung die Engel wachen."

Eine Anregung

Ist denn das zu glauben? Da hat man mich von Kindesbeinen an gelehrt, man solle nicht aufgrund von Äusserlichkeiten über andere Menschen urteilen. Immer wieder wurde mir das vermittelt. Es komme auf die inneren Werte an, auf das, was ein Mensch kann und was er an Werten lebt. Und dann dies. Da wird ein Kopftuch zu einem Grund, eine Frau erst anzustellen und dann wieder zu entlassen. Ich kann es einfach nicht glauben! Kommt es nun doch wieder auf Äusserlichkeiten an?

In Eschenbach wurde eine kopftuchtragende Frau als Lehrerin erst eingestellt, ich vermute aufgrund von Bewerbungsgesprächen, bei denen die pädagogischen und humanistischen Fähigkeiten und Einstellungen dieser Frau unzweifelhaft festgestellt worden waren. Bestimmt kam auch das Kopftuch zur Sprache und ob die Frau Privatleben und Religion und ihr religiös neutral zu bleibendes Berufsleben als Lehrerin auseinanderhalten könne. Doch dann gab es kritische Anfragen von Eltern, und die Behörde zog diese Anstellung wieder zurück.

Frage: Kannst du anhand der Kochmütze wissen, ob eine Koch gut oder schlecht kocht? Kannst du anhand eines T-Shirts mit Schweizerkreuz unterscheiden, ob ein Mensch Patriot ist oder nicht? Also ich kann das nicht. Ich muss erst einmal etwas essen, das mir der Koch auftischt, um urteilen zu können. Ich muss erst mit dem Schweizerkreuzbekleideten sprechen, um seine Gesinnung zu erfahren. Ich kann auch nicht an einem Kopftuch erkennen, ob es aus Respekt vor der eigenen Tradition und Herkunft getragen wird, ob damit ein religiöses Statement gemacht wird oder ob es einfach eine Modefrage ist. Ich muss mit dieser Frau sprechen, um mehr zu erfahren.

Aufgrund eines Kopftuchs eine Frau nicht als Lehrerin anzustellen, halte ich selbst für ein religiöses Statement und nicht für einen sachlich begründeten Entscheid. Denn wer sachliche Argumente hat, eine Frau als Lehrerin einzustellen, und dann aufgrund von einer mehrdeutigen Äusserlichkeit und wider besseren Wissens über die Qualifikation dieser Pädagogin sich zur Handlangerin von möglicherweise fremdenfeindlichen oder konservativen christlichen Gruppierungen macht, handelt nicht mehr religionsneutral. Genau diese Neutralität in Religionsfragen ist aber an öffentlichen Schulen begründet durch die Trennung von Kirche und Staat vorauszusetzen.

Wäre ich eine Frau, vielleicht sogar angestellt als Lehrerin, ich würde mich nach diesem fragwürdigen, eigentlich religiösen Entscheid der Schulbehörde von Eschenbach solidarisieren mit dieser zurückgewiesenen Pädagogin. Ich würde tun, was der Vater (oder Grossvater? - ich zitiere aus der Erinnerung) von Corrie ten Boom in anderem Zusammenhang getan hat, als Holland im 2. Weltkrieg von Deutschland besetzt wurde, und man von den Juden verlangte, den Judenstern zu tragen. Er legte als Christ selbst den Judenstern an, um gegen diese Herabwürdigung von Menschen zu protestieren. Ich würde als Frau ab sofort ein Kopftuch tragen. Das wäre dann bestimmt kein religiöses Bekenntnis, sondern eines zum Pluralismus und zur Neutralität, zu Respekt und zur Achtung und Einhaltung von Menschenrechten.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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