Ein Zitat
"Die Jugend will halt stets mit G'walt / in allem glücklich sein; / doch wird man nur ein bisserl alt, / dann find't man sich schon drein." Aus dem Hobellied von Ferdinand RaimundFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - 1. Johannes 2,17
"Diese Welt und ihre Gier vergehen. Aber wer tut, was Gott will, bleibt in Ewigkeit mit ihm verbunden."
Eine Anregung
Schneeflocken sind kleine Wunderdinge. Im Kern bestehen sie aus Eiskristallen, die aufgrund von Feuchtigkeit und Temperatur wachsen und sich verbinden. So entstehen diese immer sechseckigen Strukturen, die bis zu einem halben Zentimeter gross werden können.
Allerdings soll es keine zwei identische Schneeflocken geben. Jede Schneeflocke sei ein Unikat und komme über Zeit und Raum hinweg nur einmal vor auf der Welt.
Da frage ich mich: Mit welcher Sicherheit kann das gesagt werden? Es entstehen und vergehen ja jeden Tag Milliarden von Schneeflocken, und das schon seit Millionen von Jahren. Wer will da mit letzter Sicherheit sagen, dass es nicht irgendeinmal in dieser Abfolge von Zeit und Raum doch zwei identische aussehende Schneeflocken gegeben hat? Dass man bis jetzt diese Schneeflockenzwillinge nicht gefunden hat, könnte ja auch daran liegen, dass man nicht intensiv genug danach geforscht hat.
Eine solche Aussage, dass es etwas nicht gibt, ist ja schon an sich eine Behauptung, die ständig in der Gefahr steht, dass genau das was es nicht geben soll, dann doch irgendwo und irgendeinmal entdeckt wird. Kann man überhaupt guten Gewissens sagen, dass es etwas nicht gibt? Viel einfach ist es, eine Sache, die es gibt, zu konstatieren. Und doch gibt es sogar Menschen, die nicht glauben, was offensichtlich ist: Etwa, dass die Erde eine Kugel ist. Was es nicht alles gibt?
Sind etwa Leugnen und Wissen erkenntnistheoretische Geschwister, Zwillingen, die sich mehr gleichen, als dass sie voneinander abweichen? Wie heisst es doch im berühmten Hobellied (Hier von Peter Alexander gesungen): "Da streiten sich die Leut' herum / oft um den Wert des Glücks; / der Eine heißt den Andern dumm, / am End' weiß keiner nix."
Zurück zu den Schneeflocken. In ihrer einmaligen Feinstruktur existieren sie nur eine kurze Zeit, solange sie sich in der Luft befinden. Doch einmal auf dem Boden angekommen, werden sie wieder zu Wasser, oder verbinden sich mit vielen anderen Schneeflocken zu einer Schneedecke oder zu Eis, verlieren unter dem Druck von Ihresgleichen ihre einmalige Form. Aus Unikaten wird eine Masse, in der nicht mehr die einzelne Schneeflocke zählt, sondern der Verbund tausender und abertausender dieser Eiskristalle. Im Hobellied wird diese Entwicklung (auf die Menschheit bezogen) so beschrieben: "...das Schicksal setzt den Hobel an / und hobelt alle gleich".
Oder noch einmal anders gesagt: Jetzt wo Beckenbauer tot ist, bin ich im Vergleich zu ihm und allein aufgrund der Tatsache, dass ich noch lebe, der bessere Fussballspieler von uns zweien. Individualität, Einmaligkeit zählt halt nur für die kurze Dauer, in der wir uns Schneeflocken gleich durch Zeit und Raum bewegen.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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