Donnerstag, 12. September 2024

In der Bubble ist kein Trouble

Ein Zitat

Kathrin Bolt, Andrea Scherrer und Bernadette Mock bei ihrem Auftritt in der DenkBar St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer
"Blas dich nicht auf: sonst bringet dich / Zum Platzen schon ein kleiner Stich." Friedrich Nietzsche

Ein Bibelvers - Römer 12,2

"Und passt euch nicht dieser Zeit an. Gebraucht vielmehr euren Verstand in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln. Dann könnt ihr beurteilen, was dem Willen Gottes entspricht: Was gut ist, was Gott gefällt und was vollkommen ist."

Eine Anregung

Sie sind ein bewährtes Team. Als Kabarett-Ensemble CareBelles sind Kathrin Bolt, Bernadette Mock, Andrea Scherrer und Philipp Kamm schon verschiedentlich erfolgreich aufgetreten. Am vergangenen Sonntag konnte ich endlich ihre neuste Produktion miterleben.

In "Bubble Girls" (Schweizerdeutsch, Länge: 30 Minuten) geht es auf äusserst unterhaltsame Weise um das Leben in der Bubble, der Blase, der eigenen Wohlfühlgruppe, die man nur ungern verlässt; notgedrungen etwa an einer Klassenzusammenkunft. Zuvor regieren die Klischees, die Vorurteile. Da wird gezickt und geschnödet. Zwei verbünden sich gegen die Eine, immer wieder in neuen Koalitionen. Dies alles lustvoll und doch tiefgründig. Virtuos der teils vierstimmige Gesang zu bekannten Hits wie "Barbie Girl". Als "I'm a bubble girl" wird es gekonnt umgedichtet zum Soundtrack des Abends. Ich geniesse die Pointen. Sie sitzen. Die Freude beim frechen Fabulieren überträgt sich schnell aufs Publikum. Es wird gelacht, viel gelacht. Doch wie bei jedem guten Programm entstehen auch Identifikationen mit den verschiedenen Charakteren. Nach den Lachern setzt unwillkürlich das Nachdenken ein.

Etwas nüchtern wird das andernorts so beschrieben: "Es geht um die Frage, wie in krisenhafter Zeit ein gemeinsamer Erfahrungs-und Handlungshorizont über Generationen und Lebensstile hinweg entstehen kann." Mit anderen Worten: Wie finden die reiche Tussi, die SVP-Landwirtin und die alternative Veganerin zusammen. Man kann sich den Antwortversuch (er wird hier nicht verraten) der drei Frauen auf der Bühne weiterdenken und landet dann wohl früher oder später da, wo man sich nur noch schwer aus dem Weg gehen kann.

Als Pfarrer denke ich natürlich auch an das kirchliche Milieu. Da treffen sich (zumindest in der Theorie) sehr unterschiedliche Menschen, die sonst nie zusammen an einem Tisch sitzen würden und trinken beim Abendmahl aus einem gemeinsamen Kelch (wenigsten in der Theorie - da es nach Corona nun doch eher nicht so ist). Dies kaum gedacht, stellt sich aber gleich die Anschlussfrage: Wie verhindert man, dass diese neue Vielfalt selbst wieder zu einer Bubble wird, aus der man sich nur noch schwer lösen will und kann?

Auch wenn mit Kathrin Bolt die Pfarrerin an der reformierten Kirche St. Laurenzen in St. Gallen mitspielt, und der Aufführungsort und Anlass irgendwie kirchlich waren, ist es kein religiöses Stück. Aus meiner Sicht eignet sich die Produktion aber gut, um im kirchlichen Kontext darüber nachzudenken, wie man den Ausweg aus seiner eigenen mehr oder weniger frommen Blase finden könnte. Als Einstieg in eine heiter-ernste Diskussion an einer Kirchensynode oder in einer Ortsgemeinde kann ich mir das Stück gut vorstellen. Danach gehen Verhandlungen und Tischgespräche garantiert fröhlicher, selbstironischer, tiefgründiger und lustvoller weiter als zuvor.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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