Donnerstag, 18. Juli 2024

Betteln

Ein Zitat

Ein junger Neuntöter bettelt um Futter. Das Neuntöter-Männchen erfüllt den Wunsch des kleinen mit einer Heuschrecke und fliegt gleich weiter zum nächsten Einsatz.
Foto © Jörg Niederer
"Wir sind Bettler, das ist wahr." Martin Luther (1483-1546), kurz vor seinem Tod geschrieben

Ein Bibelvers - Lukas 11,9

Jesus: "Bittet und es wird euch gegeben! Sucht und ihr werdet finden! Klopft an und es wird euch aufgemacht!"

Eine Anregung

Es lässt sich bei vielen Jungvögeln beobachten. Sie können schon fliegen, aber mit der Futterbeschaffung ist es noch so eine Sache. Da sind ja noch die Elternvögel, und die haben bisher für das leibliche Wohl gesorgt. Also bettelt der Jungvogel heftig flügelschlagend und laut piepsend um Nahrung. Auf den beiden Fotos sind es Neuntöter. Dem Jungvogel wurde dann auch vom Altvogel eine kleinen Heuschrecke überreicht. Sie ist noch im Schnabel zu erkennen. 

Betteln. Manche betteln um Aufmerksamkeit. Andere ganz materialistisch um Geld. Kinder betteln um Süssigkeiten oder um irgend ein Spielzeug. Auch um Liebe wird gebettelt.

Bettelnde stellen sich dabei besonders bedürftig dar, "flattern mit den Flügeln", jammern besonders herzerweichend. Dabei ist oft nicht ganz klar, wie bedürftig die Bittstellenden denn nun wirklich sind.

Stossen sie auf Ablehnung, dann sind die Reaktionen sehr unterschiedlich und gehen von lauten Schreien und "Täubelen" bei Kindern bis zur Beschimpfung durch den Bettelnden.

Bettelnde werden oft verachtet. Man unterstellt ihnen Faulheit, sieht sie als Verlierer, verdächtigt sie, das Geld doch nicht dafür einzusetzen, wofür sie es sammeln.

Dann sind da auch noch die Bettelbriefe für eine gute Sache, die ungefragt ins Haus flattern. Seit einigen Jahren gibt es auch Bettelanrufe von Organisationen, denen ich schon einmal gespendet habe.

Und vor Gott? Da sind wir alle Bettelnde. Nicht ein Mensch kann von sich behaupten, Gott stehe in seiner Schuld. Im Gegenteil: Wir alle sind bedürftig vor Gott. Darum betteln wir bei ihm, dem Vater im Himmel, der selbst den Spatzen zu essen gibt. Wir betteln. Nur sagen wir es etwas netter: Wir beten. Vielleicht beten wir zu Gott: Du hast mir doch schon einmal geholfen. Jetzt habe ich eine neue Sache, könntest du mir da nicht noch einmal beistehen? Und statt dass wir mit Flügeln schlagen, halten wir die Hände in die Höhe oder falten sie. Auch, wenn wir mit diesen Händen das Problem mitunter selbst lösen könnten, so, wie die Jungvögel auch schon selbst ihr Futter sammeln und erjagen könnten. So geht christliches Betteln. Nach der Devise: Bittet, so wird euch gegeben!

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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