Dienstag, 30. Juli 2024

Bedauernswertes Christentum

Ein Zitat

Links ein Ausschnitt aus der Eröffnungsfeier von Olympia 2024 in Paris. Rechts findet sich eine Nachstellung aus einer Hexenverbrennung in Schanfigg.
Foto © Jörg Niederer
"Das war absolut respektlos gegenüber Christen. Das Christentum ist zahnlos geworden." Elon Musks

Ein Bibelvers - Lukas 14,23

"Da sagte der Herr zu ihm: 'Geh hinaus aus der Stadt auf die Landstraßen und an die Zäune. Dränge die Leute dort herzukommen, damit mein Haus voll wird!'"

Eine Anregung

Zwei Szenen, und in beiden möchte ich nicht stecken. Das eine ist ein Ausschnitt aus der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris. Das Foto ist aus dem Teil, über den sich gerade viele Christinnen und Christen empören. Manche sehen darin eine Verunglimpfung des letzten Abendmahls, so wie es Leonardo Da Vinci dargestellt hat, sowie eine Herabwürdigung ihres christlichen Glaubens.

Als wir am vergangenen Sonntag zufällig das Heimatmuseum in Arosa offen an unserer Wanderrute in Innerarosa vorfanden, gingen wir hinein. Da wurde ich durch ein anderes Bild wieder an die Szene mit dem nackten Weingott Dionysos aus der Eröffnungsfeier erinnert, der auf einem Tisch davon sang, dass nackt alle Menschen gleich seinen. Er sass dabei in einem bunten Strauss von Blumen, Früchten und Gemüsen. Er sass da, ausgestellt und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Anders auf dem Schwarzweissbild aus dem Dorfmuseum. Darauf wird das Schicksal einer bedauernswerte Frau nachgestellt. So wurde zum letzten Mal eine Frau als Hexe im Schanfigg zur Richtstätte unterhalb der Kirche St. Peter getragen. Dort hat man sie auf ihrem eigenen Brennholz verbrannt. Das war in der Zeit zwischen 1680 und 1690. 

Die sogenannte Abendmahlsszene aus der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele hat meines Wissens bisher keine schwerwiegenden Folgen gehabt. Daran ist niemand gestorben. Niemand wird durch diese Aufführung seinen Glauben aufgeben müssen oder wollen. Man kann sich daran stören, dass dieses aus heidnischen Vorstellungen entlehnte ausgelassene Fest an manchen Stellen wie ein Abendmahl daherkommt. Brot und Wein spielen halt an vielen Orten, an denen gegessen und getrunken wird, eine gewisse Rolle.

Anders dagegen bei der Hexenverbrennung. Was da geschehen ist, auch im Namen der Kirche, ist ein eigentlicher Skandal. Da nimmt man einer unschuldigen Frau das Leben, nachdem man sie gefoltert und gequält hat, indem man sie bei lebendigem Leib auf dem eigenen Holz verbrennt. Zuvor wird sie durchs Dorf getragen, ausgestellt und lächerlich gemacht. Getragen, weil man nicht will, dass sie Boden unter den Füssen bekommt, wieder selbständig stehen und gehen kann. Vielleicht hat man sie so lange gequält, bis sie selbst glaubte, eine Hexe zu sein. Bei diesem Geschehen ist die Wahrheit und mindestens ein von Gott geliebter Mensch auf der Strecke geblieben. Und die Kirche hat mitgemacht, hat sich total verlaufen, ist in die Irre gegangen in ihrem Tun.

Diesen Fehler darf uns Christinnen und Christen nie mehr unterlaufen. Es darf nicht sein, dass wir wieder ins alte Fahrwasser gelangen, in dem wir aus Kränkungen heraus versuchen, das, was uns nicht genehm ist, aus der Welt zu schaffen. Statt wehleidig aufzuschreien wegen einer Parodie einer möglicherweise am letzten Mahl Christi angelehnten Szene sollten wir alles dafür tun, dass nie wieder einem Menschen das Recht auf die Gemeinschaft mit Christus abgesprochen oder genommen wird. Denn am Tisch des Herrn sind alle willkommen. Die Parodierenden und die Parodierten, die Gekränkten und die Kränkenden, die Gewöhnlichen und die Ungewöhnlichen, die Auffälligen und die Unauffälligen. An den Tisch des Herrn sind alle eingeladen, natürlich auch die Frauen, die zu Hexen phantasiert wurden, und wenn es in gäbe, wäre auch Dionysos, der Weingott eingeladen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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