Samstag, 6. April 2024

Weissling gendern

Ein Zitat

Ein Grünader-Weissling sitzt neben einer Papageientulpe auf einem Efeu-Ehrenpreis.
Foto © Jörg Niederer
"Gendern: Macht es oder lasst es - aber regt euch bitte nicht auf!" Aus einem Beitrag in der Zeitschrift "Brigitte"

Ein Bibelvers - 1. Mose 2,19

"Gott der Herr formte aus dem Erdboden alle Tiere auf dem Feld und alle Vögel am Himmel. Dann brachte er sie zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde. Jedes Lebewesen sollte so heißen, wie der Mensch es nannte."

Eine Anregung

Der Grünader-Weissling ist ein sehr häufiger Schmetterling, auch Raps-Weissling genannt. Er trägt, wie so vieles, das Suffix "-ling". Überall, wo dieses Suffix angehängt wird, wird das Substantiv männlich. So kann es also sein, dass ein weiblicher Schmetterling mit einem männlichen Wort bezeichnet wird.

Oder nehmen wir das Adjektiv "schön". Mit dem Suffix -ling ergibt das "Schönling". "Die Frau ist ein Schönling!", kann man in der deutschen Sprache nicht sagen. Also muss auch eine weibliche Form her, zum Beispiel "Schönlingin". Klingt doof, gibt es aber. Belegt ist etwa "die Günstlingin" oder "die Lieblingin". Beim weiblichen Schmetterling könnten wir also von einer Grünader-Weisslingin sprechen. Nur, diese Redeweise ist doch etwas in die Jahre gekommen - sie stammt aus dem 18./19. Jahrhundert - was einmal mehr zeigt, dass die Sprache im steten Wandel ist.

In der Sprache versucht man immer auch, Wirklichkeit abzubilden, was meist nur ansatzweise gelingt. Das Gendern ist nichts anderes als ein Versuch, weniger ausgrenzend zu sprechen und zu schreiben. Was dabei herauskommt, klingt für viele seltsam, so wie es seltsam (in mehrfacher Hinsicht) klingen würde, wenn ich meiner Frau "Lieblingin" sagen würde. Aber falsch ist die Motivation dahinter nicht. Im Gegenteil, sie folgt einem zutiefst christlichen Gedanken: dass kein Mensch, kein Lebewesen, nichts Kreatürliches ausgeschlossen werden darf als Teil von Gottes geliebter Welt. Alles muss richtig benannt werden. Jedem Lebewesen den richtigen Namen, die richtige Bezeichnung. Damit zeigt man Respekt.

Und so gendere ich jetzt einmal frischfröhlich beim Schmetterling, von dem ich gerade nicht weiss, ob es Männchen oder Weibchen ist. Beim Flattermann oder der Flatterfrau auf dem Foto handelt es sich um ein:e Grünader-Weissling:in auf einer/einem Efeu-Ehrenpreis:in neben einer Papageientulpe. (Schon habe ich wieder ein Genderproblem. Es gibt in der deutschen Sprache nur "die Tulpe" und nicht "der Tulper". Stöhn!).

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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