Mittwoch, 13. September 2023

Fotografinnen und Fotografen im Visier

Ein Zitat

Fotos von Fotografinnen und Fotografen, welche Franz Hohler fotografieren. Zu sehen auf der Empore der Stadtkirche Olten.
Foto © Jörg Niederer
"Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre." Robert Bresson (1901-1999), Filmregisseur

Ein Bibelvers - 2. Mose 20,4

"Du sollst dir kein Bild von Gott machen! Nichts, was im Himmel und auf der Erde ist und im Wasser unter der Erde, kann ihn darstellen."

Eine Anregung

Es gehört zu den Highlights, wenn eine Profi-Fotografin oder ein Profi-Fotograf einen prominenten Zeitgenossen ablichten darf. Kein Wunder, dass daher bei jedem Interview mit Franz Hohler ein neues Bild aus der Hand einer Foto-Meisterin oder eines Foto-Meisters entstand ist. Doch Franz Hohler kehrte den Spiess jeweils um und fotografierte nun seinerseits Fotografin oder Fotografen dabei, wie sie ihn gerade ablichten. Anlässlich seines 80. Geburtstags sind diese Aufnahmen ausgestellt, und zwar auf der Empore der christkatholischen Stadtkirche Olten.

Ich war da, und defilierte an diesen knieenden, stehenden, sitzenden, auf Tische kletternden Fotografinnen und Fotografen vorbei. Dabei kam ich mir wohl mehr noch als Franz Hohler ins Visier genommen vor. Seine Aufnahmen geschahen ja seriell, doch ich sah sie in der Ausstellung alle zusammen auf einmal. Paparazzi im Quadrat bzw. Rechteck vieler Fotografien. Was aber bedeutet es, wenn ich das Foto eines fotografischen Prozesses abfotografiere? Was wird durch mein Bild mehr gesagt, als nicht durch vorliegende Bildsprache schon gesagt wäre?

"Du sollst dir kein Bildnis machen", steht in der Bibel. Franz Hohler hat es jeweils freundlicher gesagt: Es gäbe schon genug geeignete Fotos von ihm. Es brauche wohl nicht noch eines mehr. Und doch haben sie alle fotografiert, was die Kamera hergab. Manche dieser Fotos werden irgendeinmal in nachhohlerschen Zukunft zu Kunst-Ikonen. Dank Franz Hohler ist sogar der Moment der Entstehung dieser Werke festgehalten.

Ich stelle mir vor, wie das gewesen wäre bei der Erschaffung der Welt. Es kommt der Moment, wo Gott dem Menschen den Atem einhaucht, und dieser zu leben beginnt. Das Erste, was der neugeschaffene Erdling tut: er greift zur Kamera (die ist halt einfach da) und fotografiert Gott, wie er gerade Leben schenkt. Das wäre ein unglaubliches Bild. Dabei würde ein Werk entstehen, bei dem der Prozess des Lebendigwerdens bildlich erstarrt, just in dem Moment, als das "Abbild Gottes" (der Mensch) laufen und knipsen lernte. Oder anders gesagt: Der Mensch lässt Leben zu einem Bild erstarren. Gott aber kann das Bild zum Leben erwecken.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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