Montag, 11. September 2023

Belauscht

Ein Zitat

Szene mit Jugendlichen auf dem Domplatz St. Gallen.
Foto © Jörg Niederer

"Ich hör‘ es gerne, wenn die Jugend plappert: Das Neue klingt. Das Alte klappert."
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Ein Bibelvers - Sprüche 7,1

"Mein Sohn, gib acht auf meine Worte und bewahre meine Gebote wie einen Schatz!"

Eine Anregung

Wann schon hat ein älterer Mensch, dessen Kinder längst ausgeflogen sind, schon die Gelegenheit, sich an der Sprache der Jugend und ihren Sorgen und Freuden zu laben, wenn nicht in einem Schülerzug am frühen Morgen. Wenn dann noch einzelne Personen besonders herausstechen in Lautstärke und Originalität, dann fällt es mir schwer, weghören.

Hier ein kurzer Ausschnitt eines solchen Gesprächs. Man beachte den sprunghafte Gesprächsverlauf zwischen zwei jungen Frauen und einem jungen Mann. 

Jugendliche A: "Du gsesch voll ungschminkt us, weisch du das?" 

Jugendliche B: "Ich ha Ladekabel debii." 

A: "Ich ou!" 

B: "Ich ha kei Deo debii." 

A: "Ich ha Notbook nöd ufglade." 

B: "Ich ha so gärn Schminktisch und Stuhl." 

Jugendlicher C: "Ich ou." (In meiner Jugend eine undenkbare Aussage für einen jungen Mann!) 

A: "Ha im Fall Schminke debii." 

B: "Nei, isch mer schiessegal..." 

A zu B: "Chom halt dini Frässe Kolleg." 

B: "He, es isch 7:15 am Morge."

A: "Wenn ich diä hüt i de Schuel no einisch gseh met däne Hoor (Haare)! Diä wo mer d'Sicht gno het. Du, i schwöre, ich houe dere d'Hoor ab. He, die isch en Pudel!" 

B: "Wie chammer am Morge ned uf Snap (Snapchat) go?" 

A: "Huere schöns Wätter!" 

Mir hat die spröde Ursprünglichkeit dieses Gesprächs an jenem Morgen im Zug so richtig gut getan und ein verstecktes Lächeln ins Gesicht gezeichnet. Mit dieser weltlichen Morgenpredigt bin ich dann beschwingt in eine wieder sehr kontrollierte, von Höflichkeit und Zielorientierung geprägte kirchliche Sitzung weitergegangen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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