Ein Zitat
"Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen." Vincent van Gogh (1853-1890)Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Hiob 7,4
"Wenn ich mich schlafen legte, fragte ich mich, wann ich endlich wieder aufstehen kann. Doch dann zog sich die Nacht endlos hin. Bis zum Morgen wälzte ich mich unruhig im Bett."
Eine Anregung
Die beiden hölzernen Treppen führen steil hinauf zu den Emporen in der christkatholischen Stadtkirche Olten. Dort oben, auf beiden Seiten des Kirchenschiffs, sind Fotos ausgestellt. Sie zeigen einerseits das Leben von Franz Hohler, andererseits Aufnahmen aus dem Fundus des vielfältig begabten Künstlers. Doch davon später.
Mir ist das Weinglas ins Auge gestochen. Es steht in einem Winkel, gleich aussen bei der Emporentür, welche aktuell ins Universum von Franz Hohler führt. Das Weinglas ist leer. Es zeugt wohl von der Vernissage. Die fand irgendeinmal um den 6. Mai statt, also vor mehr als drei Monaten. Zwischenzeitlich ist der verbliebene Rest im Glas längst verdunstet und eingetrocknet. Geduldig wartet das Glas auf seine Rückführung in den Lebenszyklus eines Trinkgefässes.
Oder ist es gar Teil der Ausstellung? Ein ironischer Blick auf die Vergänglichkeit. Davon wäre noch mehr zu sehen bei den Fotos die Franz Hohler ausstellt. Etwa, wenn die Medikamentensammlung im Halbkreis fotografiert überschrieben ist mit "Die Freuden des Alters". Soll das Glas mir, dem einsamen Besucher sagen: "Du kommst zu spät, der Wein ist längst ausgetrunken!" Zum Abendmahl gehört das Weinglas wohl wirklich nicht. Das wird in der christkatholischen Kirche anders gefeiert. Jedenfalls habe ich mit dem hiesigen Pfarrer Daniel Konrad schon das eine oder andere Glas Wein getrunken, als er noch in der Stadt St. Gallen die dortige Gemeinde beseelsorgte.
Da steht es also, dieses leere Weinglas. Abgestellt und vergessen. Sein Schicksal: Warten; auf bessere Zeiten hoffen.
Abgestellt und vergessen. 39% der Bevölkerung in der Schweiz geben an, dass sie sich einsam fühlen. Bei ihnen ist aktuell keine Lebensparty angesagt. Vermutlich kennst du mindestens eine solche einsame Person. Wie wäre es mit einem Besuch bei ihr, vielleicht mit einem guten Wein unter dem Arm oder einem selbstgebackenen Kuchen in der Tasche. Irgend ein Trinkglas lässt sich dann schon finden, irgendwo in einen vergessenen Winkel, wartend auf Besuch, der endlich gekommen ist.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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