Ein Zitat
"Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen." Aristoteles (384-322 v. Chr.)Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Römer 8,32
"Er [Gott] hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont. Vielmehr hat er ihn für uns alle in den Tod gegeben. Wenn er uns aber seinen Sohn geschenkt hat, wird er uns dann nicht auch alles andere schenken?"
Eine Anregung
Immer wenn ich zu einer ökumenischen Sitzung ins Bischöfliche Ordinariat St. Gallen gehe, komme ich an diesem Bild von der Kreuzigung Jesu vorbei. Es ist noch nicht sehr alt. Es wurde 1948 von Louis Rivier (1885–1963) geschaffen. Rivier gilt als bedeutender Vertreter der Westschweizer Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Was mir bei der Betrachtung auffällt: Es weht ein heftiger Wind über Golgotha. Blätter und Ästchen von Bäumen werden herumgewirbelt. Auch die langen Haare von Jesus wirbeln, genauso das Tuch um die Lenden. Der versehrte Mann unter dem Kreuz muss sich den Hut halten, ein kleines Kind sucht Schutz am Rockzipfel der Mutter (Was hat ein kleines Kind bei einer Hinrichtung zu suchen?). Selbst dem berittenen Soldaten droht der Helm vom Kopf zu fallen.
Ich frage mich, was mit diesem Wind über Golgotha ausgesagt werden soll.
Wird mit dem stürmischen Wind Bezug genommen auf die Begegnung des Propheten Elia mit Gott am Horeb, als es hiess: "Zuerst kam ein gewaltiger Sturm, der Berge sprengte und Felsen zerbrach. Der zog vor dem Herrn her, aber der Herr war nicht im Sturm." (1. Könige 19,11). Dann würde das stürmische Gebrause auf Golgotha bedeuten, dass Jesus am Kreuz wirklich ganz von Gott verlassen starb.
Oder ist es das heftige Brausen aus der Pfingstgeschichte: Dort steht: "Plötzlich kam vom Himmel her ein Rauschen wie von einem starken Wind. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich aufhielten." (Apostelgeschichte 2,2). Dann würde mit dem Wind gesagt: Gott ist da. Alle können es spüren, auch dort unter dem Kreuz.
Vielleicht spielt diese stürmische Kreuzigung auch auf den "Wind of Change" an, und damit auf die Veränderung, die durch Christi Tod geschehen ist. Mit dem Tod von Jesus am Kreuz verändert sich für seine Jünger und Nachfolgerinnen ja wirklich alles. Die bisherigen hoffnungsvollen Erwartungen haben sich zerschlagen. Alle müssen sich neu orientieren. Und doch bleibt eines bestehen: Gott wird man mit einer Hinrichtung nicht los. Im Gegenteil, jetzt ist er erst recht da. Da bei den Menschen, ob sie sich ihm zuwenden, oder ob sie sich von ihm abwenden, ob sie glücklich sind oder absolut unglücklich. Gott ist selbst im Leiden und Sterben da, als Mitleidender, Mitsterbender.
Das glaube ich auch für die mir nicht näher bekannten Frau, die ich gestern im Spital traf. Auch bei ihr hat sich an diesem Tag alles geändert. Das geschah in dem Moment, als sie erfuhr, dass sie wohl nur noch 2-3 Jahre zu leben habe. Auch an ihrer Seite bleibt Gott. Nachdem er selbst am Kreuz gestorben ist, erst recht.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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