Donnerstag, 29. Juni 2023

Transit-Reisetag

Ein Zitat

Frankfurts Skyline im Zwielicht der untergehenden Sonne
Foto © Jörg Niederer
"Sowohl Optimisten als auch Pessimisten tragen zu unserer Gesellschaft bei. Der Optimist erfindet das Flugzeug und der Pessimist den Fallschirm." Gil Stern

Ein Bibelvers - 1. Könige 19,4

"Er [Elia] selbst ging noch einen Tag lang weiter – tiefer in die Wüste hinein. Dann setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. 'Es ist genug!', sagte er."

Eine Anregung

Reisetage, wenn sie zum Erleben gehören, können faszinierend sein. Reisetage, um ein Ziel zu erreichen, sind dagegen ein notwendiges Übel. Genau das war meine Hinfahrt zur methodistischen Zentralkonferenz-Exekutivtagung im rumänischen Cluj-Napoca. Da eine Zugreise 24 Stunden gedauert hätte, entschied ich mich widerwillig für einen Flug. Begonnen hatte es ja ausgesprochen gut. In Zürich verlief alles reibungslos, bis wir im Flieger sassen. Dann ging erst einmal gar nichts mehr, bis wir mit den 40 Minuten Verspätung starteten, die in Frankfurt für das Umsteigen vorgesehen gewesen wären. Es kam, wie es kommen musste. Der Anschlussflug war weg, und ich stand, verschwitzt von einem Zweikilometerlauf durch das Flughafengelände, am Schalter einer netten Dame, die versuchte, mein Problem zu lösen.

Ich kam als Dritter auf die Warteliste einer vollbesetzten Maschine, die am späten Abend von Frankfurt nach Cluj fliegen würde. Dazu musste ich noch einmal durch die Sicherheitskontrolle, was mangels Logik im improvisierten Leitsystem etwas länger dauerte. Aber ich hatte ja Zeit. Viel Zeit. Sehr viel Zeit im Transitbereich, bei teuren Getränken, teurem Essen, unbequemen Wartesitzen. Und immer die Unsicherheit, was mir der Abend bringen würde. Diese Anspannung verhinderte jede Form von Erholung. Auch an ein sinnvolles Arbeiten war nicht zu denken. Denn würde es am Abend nicht klappen, würde ich andern Tags erst ganze 24 Stunden nach meiner Abreise am Zielort angekommen. Da hätte ich ja gleich den Zug nehmen können. 

Die Spannung stieg, als die ersten Reisenden im Warteraum beim Gate eintrafen. Es wurden mehr und mehr, und das Flugzeug draussen sah winzig aus. Ich begann meine Hoffnung zu begraben. Doch dann die Überraschung: Ich durfte mit. Dafür musste eine Flight Attendant in Zivil auf dem Schandbänkchen in der Bordküche Platz nehmen. Nun, mein Sitz neben einem schlafenden Koloss von Mann, der mir den Zugang zur Toilette wirkungsvoll versperrte, war auch nicht viel besser.

Um Mitternacht endlich kamen ich, und zu meiner freudigen Überraschung auch der aufgegebene Koffer am richtigen Ort an. Mit einem weiteren Flug sollten auch andere Delegierten aus der Schweiz bereits eingetroffen sein und auf mich warten. Doch da war niemand. Dann, nach ratlosen Minuten und hektischem Herumsuchen, entdeckte ich durch die Tür zur Gepäckausgabe bekannte Gesichter. Die Erlösung nahte in Gestalt eines Bischofs und seines Gefolges. Aufatmen. Ich war gerettet.

Fazit: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Oder: Wer in der Schweiz über die Bahn schimpft, den oder die sollte man mit Fliegen bestrafen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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