Dienstag, 11. April 2023

Reisefolgen bei Mönch und Tier

Ein Zitat

Männchen der Mönchsgrasmücke im Unterholz.
Foto © Jörg Niederer
"Wes Brot ich ess, des Lied ich sing." Sprichwort

Ein Bibelvers - Psalm 13,6

"Jetzt lacht mein Herz vor Freude, weil du mir geholfen hast. Ich will ein Lied singen für den Herrn! Denn er hat mir Gutes getan."

Eine Anregung

Mönche haben es schwer in unserer westlichen, aufgeklärten Welt. Die nach ihnen benannte Mönchsgrasmücke dagegen hat gar keine Nachwuchsprobleme. Die kleinen Vögel haben auf der ganzen Welt zugelegt. Dichtestress kennen sie nicht. 60 Brutpaare auf einen Quadratkilometer hat man schon gezählt. Und da die Tierchen schön und laut und lang singen, (etwas, das sie auch mit den Ordensbrüdern teilen), kann man sie in diesen Tagen überall hören. Ihren Namen haben sie wohl von der schwarzen (Männchen) oder braunen (Weibchen) Kappe, die gerade bis zum oberen Rand der Augen reicht und an die Kapuze der Mönche erinnert.

Ob das hier fotografierte Vögelchen nun ein Englandreisendes ist oder eher der südlichen Atlantikküste zugetan, müsste eine ornithologische Fachfrau oder ein ornithologischer Fachmann entscheiden. Es gibt nämlich seit einiger Zeit eine Mönchsgrasmücken-Gruppe, deren Schlaraffenland Grossbritannien geworden ist. Zwar haben Briten gerade gar keine Freude an Migranten, die auf die Insel wollen. Ganz anders bei den Vögeln. Sie werden dort im Winter weitaus intensiver gefüttert als bei uns. Das verändert auch die gefiederten Reisenden. Vielleicht liegt es an der englischen Aussprache und am Tee-Aitch, aber die Mönchsgrasmücken mit Britannien-Erfahrung bekommen langsam aber sicher eine andere Schnabelform. Nicht umsonst heisst es ja: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing". Hinzu kommt, dass auch die Form der Flügel und die Färbung sich unter angelsächsischem Einfluss ändert, sodass wohl bald eine neue Unterart entstehen könnte. Bei Mönchen würde man in diesem Zusammenhang von einem neuen Orden sprechen.

Jetzt wäre es noch interessant, ob der Gesang des britischen Vogelordens erfolgreicher ist, als "anderssprachige" Songs. In der Schlager-, Rock- und Popszene war die englischsprachige Vorherrschaft ja lange Zeit unbestritten.

Genug der vermenschlichten Sichtweise auf einen Vogel. Freuen wir uns, dass es wieder aus allen Büschen und Bäumen zwitschert, pfeift, trillert, quakt, schmatzt und jubiliert. Vielleicht stimmen wir heute ja sogar mit ein in diesen Jubel des Tages.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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