Ein Zitat
"Erdenglück ist eine Leiter: / Steig gedankenlos nicht weiter, / denk nur stets an den Verdruss, / dass man wieder abwärts muss." Autorin oder Autor unbekanntFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - 1. Mose 28,12
"Im Traum sah er [Jakob] eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes hinauf und herunter."
Eine Anregung
Zuerst die Auflösung zur gestrigen Geschichte. Der Durchflug des Hahns durch das fahrende Auto hat genauso wie beschrieben stattgefunden. Die Geschichte ist also von A bis Z wahr.
Nun zum heutigen Gedankenanstoss. An Blüten gibt es sie. Bei Leitern ebenso. Und der Sommer kennt sie auch. Hirsche und Rehe haben mehr oder weniger davon an ihren Geweihen. Gemeint sind die Sprossen.
Eines meiner unbeliebtesten Sportgeräte ist danach benannt: die Sprossenwand. Im Holländischen wird übrigens aus dem Wort Sprosse das Wort "Sport". Das darum, weil bei der Sprachübertragung eine Art Rochade passiert. Das "r" rückt einen Buchstaben weiter, es erfolgt eine sogenannte r-Metathese. Aus "Sprot" wird "Sport", die Sprossenwand ist folglich auch eine "Sportenwand".
Stammhalter werden mitunter als Spross der Familie bezeichnete. Töchter eher nicht. Oder kennst du das Wort "Sprossin". (Bleibt festzuhalten, dass, auch wenn der Spross der Familie Stammhalter sein kann, nicht die Sprosse den Stamm hält, sondern der Stamm die Sprosse.)
Eine weitere Wortverwendung: In Österreich wird der Rosenkohl auch kurz und knapp "Sprosse" genannt.
Die Herkunft des Worts Sprosse geht auf das althochdeutsche (8.-11. Jahrhundert n.Chr.) Wort "sproʒʒo" zurück und ist verwandt mit dem Verb "spriessen". Folglich wird alles als Sprosse benannt, was irgendwie seitlich aus einer Fläche herauswächst oder so aussieht, als wäre es herausgewachsen. Wie bei den Bäumen. Da bilden seitliche Aststümpfe wohl die ursprünglichste Form von Leitersprossen.
Die Leiter ist eine geniale Erfindung. Das wusste man schon in biblischen Zeiten. Selbst der Himmel wird in einer Geschichte mit einer Leiter erschlossen. Da steigen Engel auf deren Sprossen auf und ab.
Noch ein kleines Wortspiel zum Schluss. In manchen Alpengegenden ist das Fensterln Tradition. Auf den Sprossen der Leiter steigen Liebhaber nachts zum Schlafgemach ihrer Angebeteten hinauf. Wird ein solch Zudringlicher von der Verehrten erhört, entsteht auf diesem Weg mitunter ein neuer Familienspross, der später einmal an Akne oder Sommersprossen leiden wird. Sprossen allüberall.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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