Ein Zitat
"Ehrliche und offene Menschen verlieren vieles, aber niemals ihr Gesicht." Herkunft unbekanntFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - 2.Korinther 6,11
"Liebe Korinther! Wir haben ganz offen mit euch geredet und lassen euch tief in unser Herz blicken."
Eine Anregung
Bei Teamsportanlässen kann man beobachten, wie die Spielerinnen oder Spieler taktische Anweisungen geben. Dabei halten sie sich nicht selten die Hand vor den Mund, damit niemand vom gegnerischen Team von den Lippen ablesen kann. Da gibt es doch die Redensart: "(K)ein Blatt vor den Mund nehmen". Ich frage mich nun, ob das etwas mit meiner Sportbeobachtung zu tun hat. Nehmen die sportlichen Akteurinnen und Akteure mit der Hand vor dem Mund in übertragener Weise "ein Blatt vor den Mund"?
Ich bin der Sache nachgegangen und habe dabei erfahren, dass es sich um eine Redensart handelt, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Dort hielten sich an Theatern die Schauspielerinnen und Schauspieler bei kritischen oder verletzenden Aussagen papierene Blätter vor den unteren Teil des Gesichts und folglich vor den Mund, damit niemand erkennen konnte, wer gerade spricht. Es ging darum, anonym zu bleiben und doch sagen zu können, was man will, egal, ob es nun genehm ist oder nicht. Ein Blatt nimmt also jemand vor den Mund, der oder die nicht persönlich zu dem stehen will, was er oder sie sagt. Ein häufiger Anwendungsfall ist die üble Nachrede in den Sozialen Medien oder mit Briefen. Üble Nachrede geschieht nicht selten anonym. Es geht folglich bei der Redensart nicht darum, zu verschleiern, was jemand sagt (so wie im Sport), sondern wer etwas sagt.
Nebenbei: Mit dem Blatt eines Baums, wie in der Bahnwerbung, hat die Redensart also nichts zu tun.
Kein Blatt vor den Mund nimmt eine Person, welche zu dem steht, was sie offen und laut ausspricht. In dieser Weise ist auch eine Stelle in der Bibelübersetzung der Guten Nachricht 2018 zu verstehen. Dort wird 2. Korinther 6,11 so übersetzt: "Meine Lieben in Korinth, ich habe kein Blatt vor den Mund genommen! Ich habe euch mein Herz weit geöffnet."
Lieber Paulus, das hast du gut gemacht. Nachahmenswert.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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