Mittwoch, 11. September 2024

Blasphemie

Ein Zitat

Ausschnitt aus dem Totentanz von Emmetten. Heute bestimmen schon Maschinen, welche Menschen getötet werden sollen.
Foto © Jörg Niederer
"Solange noch ein Mensch auf der Erde verhungert, ist jede Waffe eine Gotteslästerung." Heinrich Böll

Ein Bibelvers - Matthäus 12,31

"Darum sage ich euch: Alles kann einem Menschen vergeben werden – jede Schuld und jede Gotteslästerung. Wenn aber jemand den Geist Gottes lästert, dem wird nicht vergeben werden."

Eine Anregung

Was verbindest du mit Lavendel? Vermutlich Duft und Provence, Garten und Bienen. Was verbindest du mit Evangelium? Vermutlich Glaube, Hoffnung Liebe, Gott, Vergebung, Christus, Neuanfangen. 

Was aber, wenn Lavendel und Evangelium für den vielfachen Tod stehen? Denn beides sind auch Namen von Programmen, welche auf der Basis von künstlicher Intelligenz arbeiten, und zwar, um den Krieg effektiver zu machen. "Lavender" und "The Gospel" werden aktuell von Israel im Krieg mit der Hamas eingesetzt. "Lavender" kann in kürzester Zeit mit 90-prozentiger Sicherheit unglaublich viele Menschen, die Feinde sein sollen des israelitischen Staates, identifizieren. Und das Programm "The Gospel" findet mit ähnlicher Treffsicherheit Gebäude und Einrichtungen heraus, welche als Angriffsziele zerstört werden sollten.

Ich frage mich, welch zynischem Menschen in den Sinn gekommen ist, eine Tötungsmaschine "Evangelium", "Frohe Botschaft" zu nennen? Ich empfinde dies als Missbrauch von all dem, woran ich glaube. Frohe Botschaft bedeutet, dass Gott selbst sein Leben gibt aus Liebe zu seiner Welt, dem ganzen Kosmos. Es braucht keine weiteren Opfer oder dergleichen mehr. Aber es bedeutet nicht, dass wir Menschen als Feinde bezeichnen und töten sollen, und dabei zugleich in Kauf nehmen, dass Unschuldige, darunter viele Kinder, das Leben verlieren. Kein Tod, auch nicht der Tod der "Feinde", ist eine "Gute Nachricht".

Ich verwende das Wort "Blasphemie" sehr zurückhalten. Doch angesichts der Benennung eines Kriegsgeräts als "Evangelium" komme ich nicht darum herum, von Gotteslästerung zu sprechen. Auf diese Weise wird Gott und seine Liebe zur Welt in brutalster Weise verunglimpft. Oder wie siehst du das?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen 

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