Ein Zitat
"Manchmal sitzen sie vor dir, mit Augen, so hinschmelzend, so zärtlich und so menschlich, dass sie dir beinahe Angst machen, denn es ist unmöglich zu glauben, dass da keine Seele in ihnen ist." Théophile Gautier (1811-1872), französischer Erzähler, über die TiereFoto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - 4. Mose 22,26+27
"Der Engel des Herrn ging ein Stück weiter. Er stellte sich an eine noch engere Stelle. Dort konnte die Eselin nicht mehr ausweichen, weder nach rechts noch nach links. Als die Eselin diesmal den Engel des Herrn sah, legte sie sich unter Bileam einfach hin. Bileam wurde wütend und schlug die Eselin mit dem Stock."
Eine Anregung
Dass ein Hirsch eine Strecke von 500 Kilometer zurücklegt, ist recht unwahrscheinlich. Genau das wird aber in der Gründungslegende des Grossmünsters zu Zürich behauptet. Wieder hat es etwas mit Karl dem Grossen zu tun (Siehe Beitrag zum Fraumünster vom 29. August 2024). Derselbe soll nämlich diesem prächtigen Hirsch von seinem Regierungssitz Aachen bis nach Zürich gefolgt sein, dahin, wo die thebäischen Märtyrer Felix und Regula 500 Jahre früher enthauptet worden sind. Die beiden Glaubenszeugen trugen in der Folge ihre Köpfe noch bis zu dem Ort, an dem heute das Grossmünster in Zürich steht. Da wurden sie in Gräbern beigesetzt. Genau dorthin führte der Hirsch den König. An jener Stelle waren die Tiere "gspüriger" als die Menschen. So sei der Hirsch vor Ehrfurcht hingekniet, genauso wie Karls Pferd und die Jagdhunde. Dadurch wurde Karl der Grosse auf diesen heiligen Boden aufmerksam und liess später das Grossmünster errichten, über den Gräbern der Heiligen. Bis zur Reformation konnten die Gebeine von Felix und Regula, aber auch Reliquien von Karl dem Grossen im Grossmünster verehrt werden. Schön wird die Legende in einem Audiobeitrag in der ältesten bekannten Fassung vorgelesen.
Was mir in dieser Geschichte besonders gut gefällt ist die Rolle der Tiere. Sie weisen Karl dem Grossen, der hier etwas schwer von Begriff zu sein scheint, den Weg an den Ort, an dem Gott den König brauchen will. Mit anderen Worten: Die Hunde, Pferde und der Hirsch sind glaubensaffiner als der bedeutendste Mann seiner Zeit.
Wer da nicht an die biblische Geschichte von Bileam und dem Esel (4. Mose 22,9-35) denken muss, sollte diese Bildungslücke dringend schliessen und sie wieder einmal lesen.
Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen
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