Samstag, 8. Oktober 2022

Ferien oder Urlaub?

Ein Zitat

An einem Strand auf Korsika.
Foto © Jörg Niederer
"Urlaub ist für mich stets ohne Risiko, mein Chef sagt wann, meine Frau sagt wo." Herkunft unbekannt

Ein Bibelvers - Kolosser 2,16+17a

"Niemand soll euch danach beurteilen, was ihr esst oder trinkt – oder ob ihr bestimmte Feste, den Neumond oder den Sabbat haltet. Das alles ist doch nur ein Schatten von dem, was kommen wird."

Ein Anregung

"Ferien" ist ein Pluraletantum, ein Wort, das es nur in der Mehrzahl gibt. "Urlaub" dagegen wird meist im Singular gebraucht, auch wenn es den Plural "Urlaube" natürlich auch gibt.

Noch nie habe ich nachgeschaut, woher die Worte "Ferien" und "Urlaub" ursprünglich kommen. Was mir immer schon aufgefallen ist: In der Schweiz werden die Begriffe anders verwendet als in Deutschland und Österreich. Wenn man in Deutschland oder Österreich davon spricht, man fahre in den Urlaub, dann sagen die Schweizerinnen und Schweizer, dass sie in die Ferien gehen. Warum ist das so? Es ist an der Zeit, dieser weltbewegenden Frage auf den Grund zu gehen.

"Urlaub" ist abgeleitet vom Althochdeutschen "Urloup" und bedeutet im Wesentlichen "Erlaubnis". Wikipedia gibt einige Beispiele dazu, wobei das folgende das Erhellendste ist: "Eine weitere Überlieferung ist, wenn die Ernte (aus der Land- oder Weinwirtschaft) eingebracht war, konnten die Knechte und Mägde zum Altbauern, dem 'Ur' gehen und um Er'laub'nis fragen. Gab dieser die Erlaubnis, wurde auch oft zugleich ein 'Trinkgeld' zur Vergnügung mit ausbezahlt." Beim Wort "Urlaub" ist also die "Erlaubnis" und der die Erlaubnis erteilende "Dienstherr" in einem Wort zusammengefasst.

Dagegen ist "Ferien" ein lateinisches Lehnwort von "feriae" und wurde ursprünglich für die religiösen, wiederkehrenden Feiertage gebraucht. Das lateinische "feriae" soll seinerseits eine Zusammensetzung der Begriffen "fanum" (fanatisch) und "festus" (Fest) sein. Wenn das so ist, dann wurde also schon in römischer Zeit die Religion mit Fanatismus verbunden. Aber das ist ein anderes Thema.

Genau diese Unterscheidung von "Urloup" und "feriae" wird nun in Deutschland und Österreich weiterhin gemacht. Dort sind Ferien Tage, an denen die Institutionen wie Parlament, Schule und Universitäten schliessen. Alle Personen in diesen Institutionen haben frei. Und so spricht man im ganzen deutschsprachigen Raum etwa von "Schulferien". "Urlaub" dagegen wird für die Tage verwendet, die man individuell beziehen kann. Also die Zeit, in der eine Person mit Erlaubnis des oder der Vorgesetzten nicht arbeiten muss. Eben deshalb fährt man in Deutschland und Österreich nicht etwa in die Ferien, sondern in den Urlaub. Das kann in den Schulferien geschehen, muss aber nicht.

In der Schweiz wird diese Unterscheidung zwischen Ferien und Urlaub nicht mehr gemacht. Dort hat man "Ferien", genauer: man "geht in die Ferien" und das meist in der Zeit der Schulferien. Nebenbei: Die Deutschen "fahren" in den Urlaub. Die Schweizerinnen und Schweizer "gehen" in die Ferien. Wird da die Autovernarrtheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger sprachlich sichtbar?

Nun: Die jährlich wiederkehrenden Feiertage werden heute meist nicht mehr mit dem "Urlaub" in Verbindung gebracht und auch nicht mit Fanatismus. Aber "Frei feiern", das tun wir an Feiertagen immer noch.

Wie auch immer freue ich mit auf die Ferien (oder eben auf den Urlaub), notabene währen der schulfreien Zeit. Ich habe also Ferien und Urlaub auf einmal. Das kann ja nur doppelt gut werden.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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