Freitag, 26. August 2022

Der Turmfalke und die Wachsamkeit

Ein Zitat

Ein Turmfalke jagt im Rüttelflug am Pfäffikersee
Foto © Jörg Niederer
"Ständig diese Hoffnung, dass ein Falke auf meiner Hand landet, wenn ich den Backofenhandschuh anziehe."

Ein Bibelvers – Hiob 39,26

"Geschieht es durch deine Einsicht, dass der Falke sich in die Lüfte erhebt? Liegt’s an dir, dass er seine Flügel ausbreitet und sich vom Südwind davontragen lässt?"

Ein Anregung

Es ist die häufigste Falkenart in der Schweiz. Der Turmfalke oder Rüttelfalke, wie man ihm auch sagt, weil er mit den Flügeln rüttelnd in der Luft "stillstehen" kann. Dem Raubvogel gelingt es dabei, den Kopf ganz ruhig zu halten und jede Bewegung auszugleichen. Das hilft ihm bei der Jagd auf kleine Vögel, Echsen, Mäuse und Käfer. 

Einmal wurde ich Zeuge, wie ein Falke ein vorbeiziehendes Vögelchen aus der Luft griff. Und immer, wenn ich in der Bahn von Frauenfeld nach Weinfelden unterwegs bin, fliegen Turmfalken vom herannahenden Zug aufgescheucht von den Stromleitungen auf und davon.

Ob es sich bei den in der Bibel erwähnten Raubvögeln und Falken handelt, ist unsicher. Für den wichtigsten Gott der alten Ägypter, für Horus, stand dann wohl auch eher der Wanderfalke Pate. Dieser wurde schon von den Assyrern zur Jagd auf Krähen abgerichtet. Die Pharaonen Ägyptens verstanden sich als Inkarnation des Horus ("Lebender Horus") und verwendeten den Falken in ihrem Königstitel. 

Da die Wurzeln der Israeliten eng verbunden sind mit Ägypten – man denke an Mose und die Pharaonentochter – war ihnen die Verehrung des Horusfalken als Hauptgott der Ägypter gut bekannt. Hier könnte der Grund liegen, dass Falken bei den Juden als unreine Tiere gelten, die man nicht essen darf. In Ägypten soll sogar die Todesstrafe auf das (zufällige) Töten eines Falken gestanden haben.

Im Mittelalter wurde der Falke mit der Wachsamkeit in Verbindung gebracht und allegorisch umgedeutet als christliche Wachsamkeit vor den Versuchungen der Sünde. Heute stehen Falken für eine unberechenbare Gefährlichkeit. Wenn jemand zu den Falken und nicht zu den Tauben gehört, dann geht es diesem Menschen nicht um den Frieden, dann muss man vor dieser Person auf der Hut sein.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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