Freitag, 19. August 2022

Bücher des Lebens

Ein Zitat

Ausschnitt aus dem Gebetsverbrüderungsbuch der Klöster Reichenau und St. Gallen aus dem Jahr 824. Zu Besichtigen bei der Kirche Sankt Peter und Paul auf der Insel Reichenau.
Foto © Jörg Niederer
"Das Gebetsverbrüderungsbuch, auch liber vitae [Buch des Lebens] genannt, lag meist während der Messe auf dem Altar." Ausstellungstext zum Gebetsverbrüderungsbuch in der Kirche St. Peter und Paul auf der Insel Reichenau

Ein Bibelvers - Matthäus 26,41

Jesus: "Bleibt wach und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht! Der Geist ist willig, aber die menschliche Natur ist schwach."

Ein Anregung

Bei der Kirche Sankt Peter und Paul auf der Insel Reichenau findet sich in einer kleinen Ausstellung auch das Gebetsverbrüderungsbuch der Klöstern Reichenau und St. Gallen. Die darin enthaltenen ersten Aufzeichnungen fallen in das Jahr 824. Initiiert wurde diese Gebetsverbrüderung wohl von Abt Waldo von der Reichenau. Auf St. Galler Seite stand damals Abt Werdo. 

In Listen wurden die Mönche beider Klöster erfasst, sowohl die Lebenden wie die Verstorbenen. Damit konnte für deren Seelenheil klosterübergreifend gebetet werden. Später dann tauchen auch die Namen von Wohltätern und Angehörigen des karolingischen Könighauses auf. Zentral war das Totengedenken, bei dem für die Verstorbenen gebetet wurde. Erfunden wurde diese vertragliche Art der Gebetsgemeinschaft zwischen konföderierten Klöstern im fränkisch-karolingischen Umfeld. Sie entstand in einer Zeit, als politische Spannungen das Leben der Menschen bedrohte. Konfrontiert mit Krieg wurde das Zusammenrücken und das Gebet füreinander und für die eigenen Verstorbenen wichtiger.

Die Gebetsverbrüderung brachte wohl auch wirtschaftliche Vorteile und war ein Argument, sich einem bestimmten Kloster anzuschliessen, weil dort mehr Brüder im Gebet hinter dem einzelnen Mönch standen, und zwar noch lange nach dessen Tod.

Moderne Formen von solchen Gebetsbünden und Gebetsstrukturen sind der Weltgebetstag der Frauen, oder auch die Allianzgebetswoche. Zugleich war ein Gebetsverbrüderungsbuch auch eine Art Kirchenbuch und Mitgliederliste.

Letztlich zeugen diese Verbrüderungsbücher davon, wie zentral das Gebet im Christentum ist. Der Fürbitte wurde und wird eine grosse Wirkung zugetraut, bis hin zur Erwirkung des Seelenheils von Menschen. Nicht verwunderlich, wurden diese Listen auch "Buch des Lebens" genannt.

Welche Bedeutung hat das Gebet in deinem Leben?

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen / Koreanische Gemeinde

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